Abmahnung Filesharing: Tom Odell – Long Way Down
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Was zunächst lediglich eine abstrakte Befürchtung war, stellt sich nunmehr als erschreckende Wahreheit dar: Die sog. „Emmely-Entscheidung“ des Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 10. Juni 2010 ist für die arbeitsrechtliche Rechtsprechung richtungsweisend und führt zu einer massiven Benachteiligung von Arbeitgebern in Kündigungsschutzverfahren:
Nach einer aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg vom heutigen 16. September 2010 (Az.: 2 Sa 509/10) führt eine 40jährige beanstandungsfreie Beschäftigungsdauer zu einem derart hohen Maß an Vertrauenskapital, dass dieses nicht durch eine einmalige Verfehlung vollständig zerstört werden kann.
In dem durch das LAG Berlin-Brandenburg zu entscheidenden Fall hatte die Klägerin ihr 40jähriges Dienstjubiläum im Kreise ihrer Kollegen gefeiert und sich von der Catering Firma eine „Gefälligkeitsquittung“ über 250,00 EUR ausstellen lassen, obwohl die Bewirtungskosten tatsächlich lediglich 90,00 EUR betragen hatten. Diese Quittung reichte die Klägerin bei der beklagten Arbeitgeberin ein, denn bei dieser besteht eine Regelung, wonach aus Anlass eines 40jährigen Dienstjubiläums nachgewiesene Bewirtungskosten bis zu einer Höhe von 250,00 EUR erstattet werden.
Nachdem die Beklagte Kenntnis darüber erhielt, dass die tatsächlichen Bewirtungskosten lediglich 90,00 EUR (also stolze 160,00 EUR! weniger) betragen hatten, kündigte sie der Klägerin fristlos. Hiergegen wehrte sich die Klägerin mit einer Kündigungsschutzklage.
Das LAG Berlin-Brandenburg entschied am heutigen Tage zugunsten der Klägerin und erachtete die fristlose Kündigung für unwirksam. Zwar habe die Klägerin durch ihre Betrugshandlung grundsätzlich eine strafrechtlich relevante und damit grobe Pflichtverletzung begangen, die an sich eine Kündigung durchaus rechtfertige, im Rahmen der im Einzelfall zu treffenden Interessensabwägung würden jedoch die zugunsten der Klägerin zu berücksichtigenden Umstände überwiegen.
Das LAG Berlin-Brandenburg nahm hierbei ausdrücklich Bezug auf die Entscheidung des BAG vom 10. Juni 2010 und verwies auf die 40jährige beanstandungsfreie Beschäftigungsdauer der Klägerin, die unter Berücksichtigung der aktuellen BAG Rechtsprechung zu einem derart hohen Maß an Vertrauenskapital geführt habe, dass dieses nicht allein durch eine einmalige Verfehlung vollständig zerstört worden sei.
Für die Klägerin spreche darüber hinaus, dass sie sich bei ihrer groben Pflichtverletzung außerhalb ihrer normalen Tätigkeit befunden habe, da sie als Zugabfertigerin nicht regelmäßig mit Gelddingen zu tun habe und sie die Pflichtverletzung im Rahmen der Anhörung sofort eingeräumt habe.
Wenngleich das Verhalten auch nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg eine massive Betrugshandlung darstelle, hätten die zu Gunsten der Klägerin sprechenden Umstände das Interesse der beklagten Arbeitgeberin an der sofortigen, fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwogen.
Aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin tarifvertraglich nicht mehr ordentlich kündbar ist, besteht das Arbeitsverhältnis folglich fort.
Die vorgenannte Entscheidung bestätigt den Eindruck des Autors dass die fristlose Kündigung immer mehr zu einem Auslaufmodell wird (wir berichteten bereits). Die Arbeitsrechtsprechung rückt zunehmend von der bisher einschlägigen Rechtsprechung ab, wonach bestimmte Pflichtverletzungen, wie z. B. Straftaten, die den Vertrauensbereich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffen, die fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen.Es ist jedoch schwer nachvollziehbar, aus welchem Grund eine vorsätzliche Betrugshandlung gegenüber dem Arbeitgeber nach 40 Jahren Beschäftigungsverhältnis weniger schwer wiegen soll, als beispielsweise nach 5 Jahren Betriebszugehörigkeit.
Klarstellend soll angeführt werden, dass der Schutz des Arbeitnehmers zu Recht hohe Priorität im Arbeitsrecht genießt; aber nicht um jeden Preis und nicht auf Kosten der Interessen der Arbeitgeber. So wie Arbeitnehmer von Ihren Arbeitgebern erwarten, dass diese sich an die geltenden Gesetze halten und faire Arbeitsbedingungen schaffen, darf der Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern die gleiche Gesetzestreue und insbesondere Loyalität erwarten.
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Rechtsanwalt Stefan Weste (M.B.L.) war bis zum 31.08.2018 Partner der Kanzlei WK LEGAL am Standort Berlin. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehörten die Bereiche Arbeitsrecht, Mergers & Acquisitions, Intellectual property sowie das Vertragsrecht.
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