Die Krux mit dem Zugang der Kündigung

Stefan Weste (M.B.L.) | 4. August 2011

„Eine Kündigung aussprechen und sie dem Mitarbeiter zustellen kann ich wohl noch selber; dafür brauche ich doch keinen Anwalt.“ So ähnlich denken viele Arbeitgeber und nicht selten kommt das große und meist teure Erwachen vor Gericht.

Einen Arbeitgeber hat dies heute vor dem Arbeitsgericht Berlin schmerzliche 1 1/2 Bruttomonatslöhne gekostet, die er sich bei rechtzeitiger anwaltlicher Beratung hätte ersparen können. Was war konkret passiert?

Der Arbeitgeber hatte im Rahmen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses so ziemlich alles falsch gemacht, was man als Arbeitgeber falsch machen kann.

  • Zunächst vertraute er darauf, dass er das Arbeitsverhältnis bereits mündlich im gegenseitigen Einvernehmen mit der Arbeitnehmerin beendet habe. § 623 BGB, wonach die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses sowohl durch Kündigung als auch Auflösungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf, war dem Arbeitgeber bis zum Hinweis durch das Arbeitsgericht nicht geläufig.
  • In der sicheren Überzeugung vor Gericht einen Trumpf ausspielen zu können, zog der Arbeitgeber eine von ihm unterschriebene und auf den 5. Mai datierte Kündigung hervor, wonach das Arbeitsverhältnis zum 30. April gekündigt wurde. Dass eine Kündigung grundsätzlich „ex nunc“ also für die Zukunft wirkt und folglich rein rechtlich gesehen nicht zeitlich nach dem Beendigungszeitpunkt ausgesprochen werden kann, war dem Arbeitgeber ebenso wenig geläufig wie die Tatsache, dass die Kündigung dem Mitarbeiter auch tatsächlich übergeben werden muss.
  • Der Arbeitgeber hatte „sicherheitshalber“ noch ein weiteres Kündigungsschreiben erstellt, datiert mit 15. 27. Mai und dieses per Einschreiben mit Rückschein an die Mitarbeiterin geschickt, mit welchem er das Arbeitsverhältnis nunmehr zum 31. Mai kündigte und das von dieser erst am 6. Juni bei der Postfiliale abgeholt wurde. Abgesehen davon, dass er mit keinem der beiden Daten die gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten hätte, überzeugte er das Arbeitsgericht auch nicht mit dem Vortrag, dass die Mitarbeiterin die Abholung des Einschreibens bewusst hinausgezögert habe.

Im Ergebnis war die Kündigung erst zum 15. Juli wirksam. Das allein hat den Arbeitgeber 1 1/2 Bruttomonatsgehälter gekostet.

Noch immer ist es ein weitverbreiteter Irrtum, dass sich die Zustellung am sichersten mit einem Einschreiben mit Rückschein nachweisen lasse. Dies ist zwar grundsätzlich richtig, kommt es jedoch wesentlich auf die Einhaltung bestimmter Fristen an, ist diese Form des Einschreibens eindeutig nicht zu empfehlen.

Als Zugegangen gilt ein Schriftstück erst dann, wenn es derart in den „Machtbereich des Empfängers“ gelangt ist, dass er hiervon Kenntnis nehmen kann. Zu dem sogenannten Machtbereich zählen die Wohnung, der Arbeitsplatz und u. a. auch der Briefkasten. Ein in den Briefkasten eingeworfenes Schriftstück gilt daher auch dann als zugegangen, wenn es der Empfänger noch nicht gelesen hat.

Das Problem des Einschreibens mit Rückschein liegt darin begründet, dass der Postbote sich den Empfang unterschreiben lassen muss. Trifft er niemanden an oder verweigert der Empfänger die Annahme, wirft der Postbote, anders als beim Einwurf-Einschreiben, lediglich eine Abholbenachrichtigung in den Briefkasten. Das Schriftstück selbst gelangt damit folglich nicht in den Machtbereich des Empfängers und gilt damit nicht als zugegangen. Der Empfänger ist im Übrigen weder verpflichtet, ein Schriftstück zeitnah bei der Post abzuholen, noch ist er verpflichtet es überhaupt abzuholen. Damit hat es der Empfänger in der Hand, für ihn nachteilige Fristen verstreichen zu lassen oder andersherum: Der Empfänger ist nicht verpflichtet daran mitzuwirken, dass der Versender seine Frist einhält.

Das Einwurf-Einschreiben stellt hingegen eine deutlich zuverlässigere Möglichkeit dar, den Zugang eines Schriftstücks zu gewährleisten. Der Postbote vermerkt auf einem Auslieferungsbeleg, wann er das Schriftstück in den Briefkasten eingeworfen hat. Damit lässt sich üblicherweise vor Gericht der Beweis führen, wann das Schriftstück in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist. Nicht unerwähnt bleiben soll jedoch ein Urteil des Amtsgericht Kempen, wonach der Auslieferungsbeleg weder als Beweis noch als Anscheinsbeweis für den Zugang tauglich sei, da der Postbote das Schriftstück schließlich auch in den falschen Briefkasten geworfen haben könnte. Wenngleich es sich hierbei wohl um eine Einzelfallentscheidung handelt, die zudem keine Bindungswirkung entfaltet, ist nicht auszuschließen, dass sich weitere Gerichte, bei entsprechendem Sachvortrag des „Empfängers“, dieser Meinung anschließen.

Die noch immer sicherste Variante ist die persönliche Übergabe des Kündigungsschreibens gegen Empfangsquittung oder vor Zeugen. Ist dies nicht möglich, sollte die Kündigung durch einen vertrauenswürdigen und zuverlässigen Boten in den Briefkasten eingeworfen werden. Im Gegensatz zum Absender selbst, kann dieser in einem späteren Gerichtsverfahren nämlich als Zeuge aussagen. Wichtig ist hierbei jedoch, dass die Kündigung im Beisein des Boten in den Briefumschlag gesteckt und dieser verschlossen wird, damit der Bote später bestätigen kann, was in dem Umschlag war. Nicht selten behaupten Empfänger, der Umschlag sei leer gewesen bzw. es sei etwas völlig anderes darin enthalten gewesen.

Handelt es sich bei dem Schriftstück nicht um ein Dokument, welches dem sogenannten Schriftformerfordernis unterliegt, also eigenhändig unterschrieben und im Original übergeben werden muss, kann dieses auch per Telefax zugestellt werden, da die herrschende Rechtsprechung das Sendeprotokoll zumindest als Anscheinsbeweis akzeptiert.

Zuletzt hatte sich das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 09.06.2010, Az.: 6 AZR 687/09 ebenfalls mit der Frage des Zugangs einer Kündigung zu beschäftigten, worüber wir an dieser Stelle berichtet hatten.

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Stefan Weste (M.B.L.)

Rechtsanwalt Stefan Weste (M.B.L.) war bis zum 31.08.2018 Partner der Kanzlei WK LEGAL am Standort Berlin. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehörten die Bereiche Arbeitsrecht, Mergers & Acquisitions, Intellectual property sowie das Vertragsrecht.

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