Der Einfluss des Kirchenrechts auf das Arbeitsrecht

Stefan Weste (M.B.L.) | 12. September 2011

Am 8. September 2011 berichteten wir in unserem Beitrag „Die Ehe als Kündigungsgrund – Katholizismus contra Arbeitsrecht“ über die anstehende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Frage der Rechtmäßigkeit der Kündigung eines Chefarztes eines katholischen Krankenhauses wegen Wiederheirat.

Ausweislich der Pressemitteilung Nr. 69/11 des BAG hat der Zweite Senat die Revision der Beklagten mit Urteil vom 8. September 2011, Az. 2 AZR 543/10 zurückgewiesen.

„Die Wiederverheiratung eines katholischen Chefarztes an einem katholischen Krankenhaus rechtfertigt nicht in jedem Fall seine ordentliche Kündigung. Zwar haben Religionsgemeinschaften und die ihnen zugeordneten Einrichtungen das verfassungsmäßige Recht, von ihren Beschäftigten ein loyales Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können. Als Loyalitätsverstoß kommt auch der Abschluss einer nach katholischem Verständnis ungültigen Ehe in Betracht. Eine Kündigung ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn der Loyalitätsverstoß auch bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile im Einzelfall ein hinreichend schweres Gewicht hat.

Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt i. S. d. § 1 KSchG. Zwar hat sich der Kläger einen Loyalitätsverstoß zuschulden kommen lassen, dem mit Rücksicht auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht beträchtliches Gewicht zukommt. Insgesamt überwog jedoch das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Dabei fällt in die Waagschale, dass die Beklagte selbst sowohl in ihrer Grundordnung als auch in ihrer Praxis auf ein durchgehend und ausnahmslos der katholischen Glaubens- und Sittenlehre verpflichtetes Lebenszeugnis ihrer leitenden Mitarbeiter verzichtet. Das zeigt sich sowohl an der Beschäftigung nichtkatholischer, wiederverheirateter Ärzte als auch an der Hinnahme des nach dem Arbeitsvertrag an sich untersagten Lebens in nichtehelicher Gemeinschaft von 2006 bis 2008. Zu berücksichtigen war ferner, dass der Kläger zu den Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre nach wie vor steht und an ihren Anforderungen nur aus einem dem innersten Bezirk seines Privatlebens zuzurechnenden Umstand scheiterte. Bei dieser Lage war auch der ebenfalls grundrechtlich geschützte Wunsch des Klägers und seiner jetzigen Ehefrau zu achten, in einer nach den Maßstäben des bürgerlichen Rechts geordneten Ehe zusammenleben zu dürfen.“ (Quelle: Pressemitteilung Nr. 69/11, BAG)

Im Ergebnis stimmt das BAG mit der Beklagten überein, wonach die zweite, lediglich standesamtliche, Wiederheirat des Klägers einen beträchtlichen Loyalitätsverstoß und damit grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstellen kann. Vorliegend war jedoch im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass die Beklagte sowohl die Nichteheliche Lebensgemeinschaft des Klägers zwischen 2006 und 2008 duldete, als auch Wiederverheiratete nichtkatholische Ärzte beschäftigt. Der Wunsch des Klägers, auch mit seiner zweiten Frau in einer geordneten Ehe zusammenleben zu dürfen, war im Rahmen der Interessensabwägung ebenfalls zu berücksichtigen.

Der vorliegende Fall zeigt, dass sich die Rahmenbedingungen eines Arbeitsverhältnisses nicht nur nach dem Gesetz oder dem eigentlichen Arbeitsvertrag richten, sondern auch nach speziellen Regelungen wie der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse, Richtlinien (Compliance), Verhaltenskodex (Code of conduct), Betriebsvereinbarungen, Tarifverträgen, etc.

Aus Arbeitgeber Sicht haben diese besonderen Regelungen jedoch nur dann Bestand, wenn Sie ohne Ausnahmen umgesetzt werden. Aus diesem Grund sollte sich jeder Arbeitgeber im Vorfeld gründlich überlegen, welche Regelungen er treffen möchte und ob diese in der Folge mit der notwendigen Konsequenz befolgt werden können.

Ausführliche und regelmäßig wiederkehrende Arbeitnehmerschulungen gehören dabei ebenso zu den Pflichten des Arbeitgebers, wie die Einhaltung solcher das Arbeitsverhältnis ausgestaltender Regelungen durch die jeweiligen Arbeitnehmer.

WK LEGAL berät und vertritt sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber in sämtlichen arbeitsrechtlichen Fragestellungen. Wenn sie mehr erfahren wollen, besuchen Sie uns unter www.wklegal.de/rechtsgebiete/arbeitsrecht oder schreiben Sie uns eine E-Mail an info@wklegal.de

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Stefan Weste (M.B.L.)

Rechtsanwalt Stefan Weste (M.B.L.) war bis zum 31.08.2018 Partner der Kanzlei WK LEGAL am Standort Berlin. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehörten die Bereiche Arbeitsrecht, Mergers & Acquisitions, Intellectual property sowie das Vertragsrecht.

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