Winterdienst – wirksame Übertragung von Verkehrssicherungspflichten auf Mieter?

Simona B. Ignatova | 20. Oktober 2011

Die Räum- und Streupflicht trifft grundsätzlich den Vermieter als Grundeigentümer. Der Mieter ist nur dann zum Winterdienst verpflichtet, wenn ihm diese Aufgabe wirksam übertragen wird.

Wie wird die Verkehrssicherungspflicht an den Mieter wirksam delegiert?

 

–     Schriftliche Festlegung im Mietvertrag, z.B. durch die Bezugnahme auf die Hausordnung, die eine entsprechende Klausel enthält?

Die Übertragung dieser Pflichten durch eine schriftliche Klausel im Mietvertrag ist grundsätzlich möglich und auch gängig. Sollte sich jedoch hierbei um AGB handeln, ist Vorsicht geboten.

Wie das AG Köln in einem aktuellen Urteil (AG Köln, 14.09.2011, 221 C 170/11) entschied, hält dann die Haftungsdelegation gerichtlicher Überprüfung nicht stand, wenn die Pflichtübertragung eine unangemessene Benachteiligung des Mieters darstellt. Die Unwirksamkeit kann sich ebenfalls aus Gesichtspunkten des Überraschungseffektes ergeben.

Vorliegend nahm der Mietvertrag Bezug auf die Hausordnung, die unter der Überschrift „Reinigung und Pflege“ eine Ziffer mit der Bezeichnung „Schnee und Eis“ enthielt. Die Klausel lautete:

„Das Freihalten der Bürgersteige und der Hauszugänge von Schnee und Eis und das Bestreuen bei Glätte ist Pflicht der Erdgeschossmieter; sind mehrere Wohnungen im Erdgeschoss vorhanden, so führen diese ihre Arbeiten jeweils von ihrer Grundstückshälfte aus. Die Polizei hält sich bei Vernachlässigung dieser Pflichten an die Erdgeschossmieter“.

Die prozessführende Partei war also Mieterin einer von drei im Erdgeschoss gelegenen Wohnungen eines Hauses mit insgesamt 24 Mieteinheiten auf acht Stockwerken. Neben den Mietern zweier weiteren Wohnungen war sie demnach zum Winterdienst verpflichtet.

Zu Unrecht:

Die wirksame Übertragung der Verkehrssicherungspflicht setzt neben einer klaren und eindeutigen Abrede voraus, dass der einzelne Mieter nicht dadurch unangemessen benachteiligt wird, dass eine solche Überbürdung nur einzelne Mieter und nicht alle Mieter eines größeren Mietobjektes betrifft, so das Gericht in seiner Entscheidung.

Zwar handelte sich bei der Klausel um AGB. Da jedoch das AGB-Recht zum Zeitpunkt der Begründung des Mietverhältnisses noch nicht gesetzlich verankert war, begründete das Gericht seine Entscheidung mit dem Grundgedanken von Treu und Glauben. Die Überbürdung des Winterdienstes stelle eine Auferlegung erheblicher zusätzlicher Pflichten und nicht unerheblicher Haftungsrisiken dar. Die Haftungsdelegation an einzelne Mieter bedeutet eine nicht mehr zulässige Ungleichbehandlung der Mieter.

Eine entsprechende Bestimmung in der Hausordnung kann zudem als überraschend anzusehen sein, wenn zwar in dem Mietvertrag auf die Hausordnung verwiesen wird, die konkrete Bestimmung zum Winterdienst sich aber wie vorliegend lediglich – optisch nicht besonders gekennzeichnet – unter einer allgemeinen Überschrift „Reinigung und Pflege“ in der Hausordnung findet.

Fazit: Eine schriftliche Festlegung im Mietvertrag ist zwar zulässig, hierbei muss aber darauf geachtet werden, dass die Klausel einer etwaigen rechtlichen Überprüfung standhält.

 

–     Mündliche Abrede?

Die Übertragung der Verkehrssicherungspflicht aufgrund einer mündlichen Abrede, die klar und eindeutig erfolgt, wäre ebenfalls möglich und wirksam.

 

–     Faktische Übernahme?

Die faktische Übernahme der Räum- und Streupflicht ist jedoch nicht geeignet, die Übertragung zu ersetzen. Der Übergang der Verkehrssicherungspflicht setzt nämlich voraus, dass die Übertragung klar und eindeutig vereinbart wird.

Maßstab ist, dass die Ausschaltung von Gefahren zuverlässig sichergestellt sein müsse, so das OLG Celle in seinem Urteil vom 09.04.2009 – 8 U 239/08.

In dem vom Gericht entschiedenen Fall erledigte der Mieter selbst den Winterdienst. Nach Ansicht des Gerichts war dies jedoch – mangels einer klaren und eindeutigen Absprache zwischen Mieter und Vermieter – für die Annahme einer Übertragung des Haftungsrisikos auf den Mieter nicht ausreichend. Der vor dem Anwesen gestürzte und zu Schaden gekommene Kläger erhielt demnach keinen Schadensersatz gegen den Mieter zugesprochen.

Fazit: Die Übertragung von Räum- und Streupflichten muss immer klar und eindeutig vereinbart werden.

Der Übergang der Verkehrssicherungspflicht entlastet jedoch den Vermieter nicht vollständig. Ihn trifft weiterhin eine Aufsichtspflicht. Er muss also überwachen und kontrollieren, ob der Winterdienst ordnungsgemäß erledigt wird, und gegebenenfalls den Mieter abmahnen.

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Simona B. Ignatova

Rechtsanwältin Simona B. Ignatova ist bei WK LEGAL als freie Mitarbeiterin seit 2011 tätig. Ihr Tätigkeitsbereich umfasst das allgemeine Zivilrecht, das (Gewerbe-) Miet-, WEG- sowie Real Estate- Recht. Sie berät kleine und mittelständische Unternehmen, wie auch Privatpersonen, insbesondere aus dem süd- und osteuropäischen Raum - in verschiedenen Bereichen des internationalen Privatrechts.

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