Die Tücken der Kettenbefristung im Arbeitsrecht

Stefan Weste (M.B.L.) | 14. September 2015

Die Befristung von Arbeitsverträgen birgt für Arbeitgeber eine Vielzahl von Vorteilen, da er seinen Personalbedarf flexibler gestalten kann. Befristete Arbeitsverträge enden zudem automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf, so dass der Arbeitnehmer keinen Kündigungsschutz genießt, der Betriebsrat nicht im Rahmen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht angehört werden muss und überdies greifen auch nicht die besonderen Schutzvorschriften für Schwangere und Schwerbehinderte.

Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen, unter denen die Befristung eines Arbeitsverhältnisses zulässig ist, im Teilzeit- und Befristungsgesetz geregelt. Hiernach bestehen zwei Befristungsmöglichkeiten, nämlich die rein zeitliche Befristung und die mit einem Sachgrund.

Die Befristung ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist nur bei einer Neuanstellung bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig, wobei der Vertrag maximal 3 Mal verlängert werden kann. Eine Besonderheit besteht bei neugegründeten Unternehmen innerhalb der ersten vier Jahre. Hier ist die kalendermäßige Befristung ohne sachlichen Grund bis zur Gesamtdauer von vier Jahren zulässig, ohne dass es eine zahlenmäßige Beschränkung der Vertragsverlängerungen gibt. Auch gibt es bei der Einstellung von älteren Arbeitnehmern die Möglichkeit der erleichterten Befristung. Hier ist die mehrfache Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages bis zu einer Dauer von fünf Jahren möglich. Darüber hinaus werden im Teilzeit- und Befristungsgesetz eine Reihe von sachlichen Gründen genannt, z.B. Vertretung für einen anderen Arbeitnehmer während Krankheit oder Mutterschutz oder bei vorübergehendem Bedarf wie bei Saisonarbeiten.

Obwohl die Befristung von Arbeitsverträgen eigentlich die Ausnahme darstellen soll, machen viele Arbeitgeber mehrfach von den Befristungsmöglichkeiten Gebrauch und es entstehen sogenannte Kettenbefristungen, bei denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hintereinander mehrere befristete Arbeitsverträge schießen.

Über die Zulässigkeit solcher Kettenbefristungen hatte aktuell das Hessische Landesarbeitsgericht zu entscheiden, dessen Pressemitteilung vom 6. August 2015 wir im Folgenden zitieren:

„Keine Übernahme nach 16 Zeitverträgen

Ein Diplom-Mathematiker hatte auf Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit der Universität Gießen geklagt, nachdem sein 16. befristeter Vertrag in elf Jahren nicht verlängert worden war. Leider vergeblich, denn das Hessische Landesarbeitsgericht sah die Drittmittel-Befristung als zulässig an. Er hatte über einen Zeitraum von elf Jahren immer wieder befristete Verträge erhalten. Träger der Uni ist das Land Hessen. Seine letzte Stelle – um die sich das Verfahren dreht – war ein zeitlich begrenztes Projekt und mit Mitteln des Landes finanziert. Der Mathematiker hatte sich vor dem Arbeitsgericht Gießen gegen die Wirksamkeit dieser Befristung gewehrt und zunächst Recht bekommen. Das Arbeitsgericht hatte die Ansicht vertreten, das Land Hessen könne nicht Dritter im Sinne der gesetzlichen Regelung über die befristete Beschäftigung von wissenschaftlichem Personal sein. Diese Auffassung teilten die Frankfurter Richter nicht. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat das Landesarbeitsgericht entschieden, dass eine Stelle für wissenschaftliches Personal für eine bestimmte Aufgabe befristet besetzt werden dürfe, wenn diese Stelle aus Drittmitteln finanziert werden, die nicht dauerhaft zur Verfügung stehen. Das gelte auch, wenn der Träger der Universität – hier das Land selbst – die Mittel bereitstelle. Das ergebe sich sowohl aus § 2 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft als auch aus der Begründung dieser Regelung im Gesetzgebungsverfahren. In der Gesetzesbegründung heißt es unter anderem: „Eine Drittmittelfinanzierung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor, wenn ein Projekt nicht aus den der Hochschule oder Forschungseinrichtung zur Verfügung stehenden regulären Haushaltsmitteln, sondern anderweitig finanziert wird. Auch die Möglichkeit der Unwirksamkeit des befristeten Vertrages wegen eine Missbrauchs der Befristungsmöglichkeiten hat das LAG nicht außer Acht gelassen – und ebenfalls verneint: Die Befristung sei unter besonderer Berücksichtigung der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz geschützten Freiheit von Forschung und Lehre kein Rechtsmissbrauch.“

Quelle: Pressemitteilung Nr. 05/2015 des Hess. LAG vom 06.08.2015

Wenn man diesen Fall verfolgt, stellt sich die Frage, sind derart viele Befristungen zulässig?

Grundsätzlich ist die mehrfache, hintereinanderfolgende Befristung, sogenannte Kettenbefristung, wie in dem Fall des Mathematikers, möglich. Hier ist nach der Rechtsprechung jeweils nur das letzte Arbeitsverhältnis auf eine hinreichend sachliche Begründung zu prüfen. An dessen Prüfung werden dann aber höhere Anforderungen gestellt. So hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 18.07.2012 (Az. 7 AZR 443/09) an eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 26.01.2012 (Az C586/10, Rechtssache Kücück) entschieden, dass aus unionsrechtlichen Gründen neben der Überprüfung des der letzten Befristungsabrede zugrunde liegenden Sachgrundes auch alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Gesamtdauer und die Zahl der mit derselben Person zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge, zu prüfen seien, um auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen.

Arbeitnehmer, die von mehrfachen Befristungen betroffen sind, haben die Möglichkeit einer sogenannten Entfristungsklage, mit der sie vor dem zuständigen Arbeitsgericht die Feststellung begehren können, dass die Befristung unwirksam ist und statt des befristeten Arbeitsvertrages in der Folge ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Die Erfolgsaussichten einer solchen Entfristungsklage kann ein auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt nach Prüfung des Einzelfalls beurteilen.

Kettenbefristungen, wie in dem genannten Fall, bergen daher für Arbeitgeber grundsätzlich das Risiko, dass die Arbeitsgerichte im Falle einer Entfristungsklage zu Gunsten des Arbeitnehmers entscheiden und dem Arbeitgeber im Rahmen der Befristungen rechtsmissbräuchliches Verhalten attestieren. Um dem vorzubeugen empfiehlt es sich ebenfalls, mehrfache Befristungen zuvor mit einem Arbeitsrechtsanwalt zu erörtern.

Befristete Arbeitsverhältnisse haben zudem weitere Tücken, die auf den ersten Blick oft nicht erkannt werden. Diese können schon in der Anbahnung, bzw. dem Abschluss des Arbeitsvertrages, dessen Gestaltung liegen, oder in den Formalien der Verlängerung. Auch gibt es bei der Beendigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses wichtige Regelungen zu beachten, da die Nichtbeachtung durchaus dazu führen kann, dass aus dem vorgesehenen befristeten Arbeitsverhältnis ein unbefristetes wird.

Rechtsanwalt Stefan Weste (M.B.L.) von der Kanzlei WK LEGAL berät und vertritt sowohl Arbeitnehmer, Betriebsräte als auch Arbeitgeber in sämtlichen arbeitsrechtlichen Fragestellungen. Er unterrichtet zudem als IHK Dozent im Weiterbildungslehrgang „Geprüfte Personalfachkaufleute“ und hält regelmäßig Seminare und Vorträge zu arbeitsrechtlichen Themen. Wenn sie mehr erfahren wollen, besuchen Sie uns unter http://www.wklegal.de/arbeitsrecht/ oder schreiben Sie uns eine E-Mail an weste@wklegal.de

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Stefan Weste (M.B.L.)

Rechtsanwalt Stefan Weste (M.B.L.) war bis zum 31.08.2018 Partner der Kanzlei WK LEGAL am Standort Berlin. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehörten die Bereiche Arbeitsrecht, Mergers & Acquisitions, Intellectual property sowie das Vertragsrecht.

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