Kündigung nach der Elternzeit: Muss der Arbeitgeber den Urlaub vollständig bezahlen?
Bis vor einiger Zeit hätte die Antwort auf diese Frage einheitlich […]
Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist die Beantragung von Elternzeit für den Zeitraum nach der Geburt des eigenen Kindes eine reine Formalität, denn man hat sich bereits lange zuvor Gedanken darüber gemacht für welchen Zeitraum man Elternzeit beanspruchen möchte und der Arbeitgeber ist ja schnell informiert. Einer Rechtsanwaltsfachangestellten aus Hessen wurde die Formalität nun zum Verhängnis.
Was war passiert?
Die Klägerin beantragte nach der Geburt ihres Kindes am 10. Juni 2013 durch ein Telefax an ihren Arbeitgeber Elternzeit für die Dauer von zwei Jahren. Mit Schreiben vom 15. November 2013 kündigte der als Arbeitgeber beklagte Rechtsanwalt das Arbeitsverhältnis. Die Klägerin argumentierte, dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis aufgrund des besonderen Kündigungsschutzes nach § 18 Absatz 1 BEEG nicht habe kündigen dürfen und bekam sowohl durch das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht jeweils Recht.
Die Revision des Beklagten hatte hingegen vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht entschied mit Urteil vom 10. Mai 2016 (Az. 9 AZR 145/15), dass die während der vermeintlichen Elternzeit ausgesprochene Kündigung des als Arbeitgeber beklagten Rechtsanwaltes, entgegen der Rechtsauffassungen der Vorinstanzen, wirksam ist und das Arbeitsverhältnis damit beendet hat.
Wie konnte es dazu kommen?
§ 16 Absatz 1 BEEG (Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit) sieht folgendes vor:
„Wer Elternzeit beanspruchen will, muss sie für den Zeitraum bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes spätestens sieben Wochen … vor Beginn der Elternzeit schriftlich vom Arbeitgeber verlangen.“ Verlangt die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer Elternzeit … muss sie oder er gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll.“
Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil klargestellt, dass es sich hierbei um eine rechtsgestaltende empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, durch die das Arbeitsverhältnis üblicherweise für einen bestimmten Zeitraum zum Ruhen gebracht wird, ohne dass es einer Zustimmung durch den Arbeitgeber bedarf. Daher erfordere das Elternzeitverlangen die strenge Schriftform des § 126 Absatz 1 BGB. Hiernach muss die Erklärung in einer Urkunde erfolgen, die durch den Aussteller eigenhändig unterschrieben oder durch notariell beglaubigtes Handzeichen unterzeichnet werden.
Nach Ansicht des 9. Senats des Bundesarbeitsgerichts genügt weder ein Telefax noch eine E-Mail dem strengen Schriftformerfordernis des § 16 Absatz 1 BEEG, so dass dies zur Nichtigkeit der Erklärung nach § 125 Satz 1 BGB führt.
Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutet das Urteil: Elternzeit in jedem Fall durch eigenhändig unterschriebenen Brief und auf keinen Fall nur durch Telefax oder E-Mail beantragen. Zum Nachweis der Zustellung sollte die persönliche Übergabe vor Zeugen oder der eingeschriebene Brief gewählt werden.
Rechtsanwalt Stefan Weste (M.B.L.) von der Kanzlei WK LEGAL berät und vertritt sowohl Arbeitnehmer, Betriebsräte als auch Arbeitgeber in sämtlichen arbeitsrechtlichen Fragestellungen. Er unterrichtet zudem als IHK Dozent im Weiterbildungslehrgang „Geprüfte Personalfachkaufleute“ und hält regelmäßig Seminare und Vorträge zu arbeitsrechtlichen Themen. Wenn sie mehr erfahren wollen, besuchen Sie uns unter www.wklegal.de/arbeitsrecht oder schreiben Sie uns eine E-Mail an weste@wklegal.de
Rechtsanwalt Stefan Weste (M.B.L.) war bis zum 31.08.2018 Partner der Kanzlei WK LEGAL am Standort Berlin. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehörten die Bereiche Arbeitsrecht, Mergers & Acquisitions, Intellectual property sowie das Vertragsrecht.
ÜBER DIESEN AUTOR ARTIKEL VON DIESEM AUTORBis vor einiger Zeit hätte die Antwort auf diese Frage einheitlich […]
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In einem Beschluss vom 06.06.2018 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass […]
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