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Nach einer Entscheidung des OLG Hamm vom 25. September 2014 (Az.: 4 U 99/14) ist die Verwendung der Klausel „Die Abtretung von Mängelansprüchen ist ausgeschlossen.“ in den AGB eines Internetversandhandels im Rechtsverkehr gegenüber dem Verbraucher (B2C-Verhätlnis) wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil sie den privaten Käufer unangemessen benachteiligt.
Welcher Sachverhalt lag der Entscheidung des OLG Hamm zugrunde?
Ein Internetversandhandel, der über seine Webpräsenz Elektro- und Elektronikgeräte vertrieb, verwendete in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Klausel:
„Die Abtretung von Mängelansprüchen ist ausgeschlossen.“
Ein Mitbewerber, der über das Internet ebenfalls Waren verschiedener Art zum Kauf anbot, mahnte den Internetversandhandel wegen der Verwendungen dieser Klausel ab. Anschließend stritten sich die Konkurrenten vor Gericht über die (Un-)Wirksamkeit des AGB-rechtlichen Abtretungsverbotes.
Warum ist eine derartige AGB-Klausel unwirksam?
Zwar ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine Abtretung von Forderungen verbietet, weder nach § 309 BGB (Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit) noch nach § 308 BGB (Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit) unwirksam. Das OLG Hamm sah jedoch in einer derartigen Klausel einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil sie den privaten Käufer ungemessen benachteiligt.
Zur Begründung des Vorliegens einer unangemessenen Benachteiligung des Verbrauchers verweist das OLG Hamm in seiner Urteilsbegründung auf eine Entscheidung des BGH vom 21. September 2010 (Az.: 4 U 134/10) zu einer inhaltsgleichen AGB-Klausel eines Internetversandhändlers und schließt sich der Rechtsauffassung des BGH an. Der BGH begründete das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung des privaten Käufers wie folgt:
„Eine in AGB enthaltene Regelung, mit welcher der Verwender die Abtretung von gegen ihn gerichteten Forderungen ausschließt, wird zwar grundsätzlich als wirksam angesehen (BGH, NJW 1989, 2750; ZIP 1997, 1072, 1073; WM 2006, 2142, 2143; […]). Doch zeigt eine genauere Analyse der Fälle, in denen die Gerichte einen solchen Abtretungsausschluss zu beurteilen hatten, dass es beinahe stets um Fälle des Geschäftsverkehrs unter Unternehmern ging. Im unternehmerischen Geschäftsverkehr wird anerkannt, dass es ein anerkennenswertes Interesse daran gibt, die Vertragsverhältnisse klar und übersichtlich zu halten. Dabei spielt auch eine Rolle, dass Forderungen von Unternehmern häufig als Sicherungsgrundlage an Kreditgeber abgetreten werden. Insbesondere der gewerbliche Weiterverkauf von Forderungen etwa an Factoringunternehmen kann die Klarheit und Übersichtlichkeit der Verträge dabei belasten.
Dieser Gesichtspunkt spielt allerdings eine wesentlich geringere Rolle im Verkehr gegenüber dem Verbraucher. Andererseits belastet das Abtretungsverbot von Gewährleistungsansprüchen im Internethandel den Verbraucher und führt daher zu Benachteiligungen von einigem Gewicht, die 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vermeiden soll (vgl. insoweit OLG Hamm, NJW 1981, 1049, 1050). Typischerweise trifft die Benachteiligung eines Abtretungsverbotes unmittelbar den Wiederkäufer, mittelbar aber auch den Vertragspartner des Verwenders, weil der faktische Ausschluss der Gewährleistung gegenüber dem gewerblichen Erstverkäufer den Wiederverkauf erschweren, jedenfalls aber das Verhältnis zwischen Erstkäufer und Wiederkäufer mit unnötigem Streit in Fällen belasten kann, in denen eine von Anfang an mangelhafte Sache weiterverkauft wurde. Solche Fallkonstellationen können im Internethandel durchaus häufig auftreten, da bekanntermaßen beim Internethandel oft nicht der eigentlich Interessierte, sondern ein mit dem Medium versierter Käufer die Ware direkt erwirbt, sei es, dass der Enkel für seine Großeltern, die Kinder für ihre Eltern oder aber sonstige Personen für Freunde und Bekannte erwerben. Das Interesse des Käufers, in solchen Fällen nicht mit der Abwicklung der möglichen Gewährleistung belastet zu werden, hat auch der BGH als schützenswert anerkannt. So weist er in einem reisevertraglichen Fall darauf hin, dass die Pflicht des Buchenden, Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis für sämtliche Mitreisenden selbst geltend machen zu müssen, nicht nur belastet, sondern auch zu prozessualen Schwierigkeiten führen kann. Solche Schwierigkeiten tauchen schon in Fällen auf, in denen der solchermaßen Berechtigte in Prozessstandschaft auftreten muss, ohne noch ein eigenes Interesse an der Prozessführung zu haben (BGH, NJW 1989, 2750, 2751).
Dem Interesse des Verbrauchers daran, solchen Belastungen nicht ausgesetzt zu sein, ist das Interesse des Unternehmers an der Verwendung der Klausel gegenüberzustellen. Der Senat sieht ein sich auch im Verbraucherverhältnis durchsetzendes berechtigtes Interesse daran, die Abtretung von Gewährleistungsansprüchen an gewerbliche Aufkäufer solcher Ansprüche zu verhindern. Auch die Unterbindung einer Abtretung solcher Ansprüche, ohne dass gleichzeitig die Ware übereignet wird („nackte Abtretung“), mag zu einem überwiegenden Interesse auf Unternehmerseite führen. Schließlich kann der Verwender ein berechtigtes Interesse daran haben, sich nicht Ansprüchen gegenüber Personen ausgesetzt zu sehen, mit denen er nicht kontrahiert hätte, zum Beispiel, weil er solche aus früheren, unerfreulich verlaufenen Geschäften kennt und daher von einer Belieferung ausschließt.
Im vorliegend zu beurteilenden Fall differenziert der Verwender allerdings nicht nach solchen Konstellationen. Die Klausel schließt pauschal jede Abtretung aus. Sie betrifft daher auch Fälle, in denen der Verbraucher seinerseits ein anerkennenswertes und überwiegendes Interesse an einer Abtretung hat, die häufig den Unternehmer auch gar nicht belasten wird, weil sie seine Gewährleistungshaftung nicht ausdehnt, sondern lediglich verlagert. Insoweit ist die Klausel zu weit geraten. Da eine Reduktion ihres Anwendungsbereichs regelmäßig nicht in Betracht kommt (BGHZ 84, 109 = NJW 1982, 2309), ist sie insgesamt unzulässig.“
Hinsichtlich der Wirksamkeit der Verwendung von Abtretungsverboten in AGB weist der BGH zunächst auf die unterschiedliche Interessenlage im Verhältnis Unternehmer-Unternehmer (B2B-Verhältnis) und Unternehmer-Verbraucher (B2C-Verhältnis) hin.
Im Ergebnis erachtet der BGH die Klausel „Die Abtretung von Mängelansprüchen ist ausgeschlossen.“ für unwirksam, weil sie nicht nach Konstellationen unterscheidet, in denen der Unternehmer ein berechtigtes Interesse am Verbot der Abtretung hat (z.B. das Interesse, den gewerblichen Weiterverkauf von Forderungen zu unterbinden), sondern pauschal jede Abtretung ausschließt und somit auch Fälle betrifft, in denen der Verbraucher – insbesondere im Bereich des Internethandels – seinerseits ein anerkanntes und überwiegendes Interesse an der Abtretung hat (z.B. das Interesse, nicht mit Abwicklung der möglichen Gewährleistung im Falle des Weiterverkaufs einer von Anfang an mangelhaften Sache belastet zu sein).
Praxishinweis
Abtretungsverbote in AGB sind nicht per se unwirksam. Unternehmen, die in ihre AGB ein Abtretungsverbot aufnehmen möchten, sollten sich darüber im Klaren sein, ob sie dieses im Geschäftsverkehr gegenüber anderen Unternehmern (B2B-Verhältnis) oder im Rechtsverkehr gegenüber dem Verbraucher (B2C-Verhältnis) verwenden möchten, da insoweit unterschiedliche rechtliche Anforderungen gelten.
Bei der konkreten Gestaltung des Abtretungsverbots ist weiterhin darauf zu achten, dieses interessengerecht und sauber zu formulieren. Fehler hierbei können kostspielige Abmahnungen von Mitbewerben nach sich ziehen.
Rechtsanwalt Georg Schleicher ist Ansprechpartner für die Bereiche Urheber- und Medienrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Gesellschaftsrecht sowie Vertragsrecht. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind Vertragsverhandlungen und –gestaltung, außerprozessuale sowie gerichtliche Beratung von Selbstständigen, Freiberuflern und Unternehmen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, insbesondere auf dem Gebiet der Film- und Medienproduktion.
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