„Gollum“ ist eine Beleidigung
Das Landgericht München I hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob […]
Facebook, immer wieder Facebook, werden sich so manche Richter am Arbeitsgericht denken, wenn sie wieder einmal über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen Beleidigungen im Internet entscheiden müssen. All das, was viele im wahren, analogen Leben vermutlich nie zu äußern wagen würden, wird im Internet, sei es in sozialen Netzwerken, Foren, Blogs, etc., offensichtlich ohne vorher darüber nachzudenken munter öffentlich gemacht.
Arbeitgeber sind von solchen Äußerungen selten angetan und nicht bereit, sich oder Mitarbeiter des Unternehmens öffentlich diffamieren zu lassen. Meist ohne vorherige Abmahnung wird dem „Wüterich“ außerordentlich, fristlos gekündigt. Man mag sich wundern, aber wenngleich der Arbeitgeber oder die Kollegen zuvor noch aufs Übelste beschimpft wurden, so flammt die „Liebe“ zu genau diesem Arbeitgeber/diesen Kollegen spätestens nach Erhalt der Kündigung wieder so stark auf, dass diese Fälle regelmäßig vor den Arbeitsgerichten landen.
In diesem Beitrag möchten wir auf einige einschlägige arbeitsgerichtliche Verfahren detaillierter eingehen und uns bereits jetzt für die teilweise rüden Ausdrücke entschuldigen, die Anlass für die dargestellten Verfahren waren.
1. Der Arbeitgeber ein „armseliger Saftladen“ und der Chef eine „arme Pfanne“
In dem vom Arbeitsgericht Bochum, Az. 3 Ca 1203/11 zu entscheidenden Fall ging es um einen zwischen zwei in der Probezeit gekündigten ehemaligen Mitarbeitern auf der Internetplattform Facebook geführten Dialog, in dessen Rahmen das Unternehmen unter anderem als „armseliger Saftladen“ und „Drecksladen“ bezeichnet sowie der Chef mit den Ausdrücken „egozentrisch“, „arme Pfanne“ und „Pfeife“ bedacht wurde.
Die durch den ehemaligen Arbeitgeber angestrengte Unterlassungsklage wurde vom Arbeitsgericht Bochum jedoch abgewiesen. Nach Ansicht des Gerichts handele es sich bei den Äußerungen zwar um Formalbeleidigungen; diese seien aber vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt und noch zulässig. Bei der Beurteilung sei insbesondere zu berücksichtigen gewesen, dass nicht ersichtlich war, dass der Dialog öffentlich stattgefunden habe, so dass von einem vertraulichen „Gespräch“ unter Kollegen oder Freunden auszugehen sei.
2. „Speckrollen und Klugscheißer“
Mit diesen „Nettigkeiten“ bezeichnete ein Arbeitnehmer seine Kollegen auf seinem Facebook Profil; Augenscheinlich ohne darüber nachgedacht zu haben, dass sich unter seinen „Facebook Freunden“ ebenfalls viel Arbeitskollegen befanden und seine Äußerungen so schnell die Runde machten. Als der Arbeitgeber davon erfuhr, kündigte er den Arbeitnehmer fristlos.
Wenngleich eine außerordentliche Kündigung nach Ansicht des Arbeitsgericht Duisburg, Az. 5 Ca 949/12 grundsätzlich gerechtfertigt wäre, gab es im konkreten Fall der Klage des Arbeitnehmers statt. Zu dessen Gunsten sei zum einen zu berücksichtigen gewesen, dass der Arbeitnehmer zuvor erfahren hatte, dass er zu Unrecht von Kollegen bei seinem Chef angeschwärzt worden sei und daher im Affekt gehandelt habe, zum anderen habe er die betreffenden Kollegen nicht namentlich beleidigt, so dass diese durch den Facebook Kommentar nicht zu identifizieren waren.
3. „Menschenschinder & Ausbeuter“, „Leibeigener“ und „dämliche Scheiße für Mindestlohn – 20 % erledigen“
So beschrieb ein 26 jähriger Auszubildender in seinem öffentlich zugänglichen Facebook Profil seinen Arbeitgeber und seine dortige Tätigkeit. Was der Azubi als „lustig gemeint“ und „überspritzt“ bezeichnete, empfand sein Arbeitgeber als derart gravierende Provokation, dass er das Ausbildungsverhältnis fristlos kündigte.
Zu Unrecht entschied das Arbeitsgericht Bochum, Az. 3 Ca 1283/11 und bescheinigte dem Mittzwanziger eine „unreife Persönlichkeit“ mit mangelnder „Ernsthaftigkeit“. Zugleich nahm es den Arbeitgeber in die Verantwortung, der als Ausbildungsbetrieb „die Pflicht zur Förderung der geistigen und charakterlichen Entwicklung“ habe, so dass eine Abmahnung zunächst erforderlich gewesen wäre.
Gegen diese Entscheidung ging der Arbeitgeber erfolgreich in die Berufung. Das Landesarbeitsgericht Hamm, Az. 3 Sa 644/12 änderte die Entscheidung des ArbG Bochum ab und erklärte die außerordentliche Kündigung für zulässig.
4. „Wixxer, faules Schwein, Drecksau“
Diese besonders vulgären Äußerungen machte ein 52 jähriger Arbeitnehmer auf seiner Facebook Pinnwand gegenüber einem Kollegen und meinte damit seinen Vorgesetzten, der ihm zuvor vermeintlich zwei Abmahnungen ausgesprochen haben soll. 70 Freunde, davon eine erhebliche Anzahl ebenfalls Mitarbeiter des Unternehmens, konnten die Beleidigungen lesen. Dies wiederum führte dazu, dass der Arbeitgeber von den Beleidigungen erfuhr und das über 30 Jahre andauernden Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich kündigte.
In dem vor dem Arbeitsgericht Hagen, Az. 3 Ca 2597/11 geführten Verfahren argumentierte der Arbeitnehmer, dass der Dialog eigentlich im Rahmen eines persönlichen „Chats“ geführt werden sollte und lediglich aus Versehen öffentlich auf der Pinnwand stattgefunden habe. Darüber hinaus sei seine Jahrzehnte lange Betriebszugehörigkeit sowie sein Alter von 52 Jahren zu berücksichtigen.
Dieser Argumentation schloss sich auch das ArbG Hagen an und befand die außerordentliche Kündigung für überzogen. Die zugleich ausgesprochene ordentliche Kündigung erachtete das Gericht hingegen als wirksam. Die Äußerungen seien in ihrer Schmähung und Derbheit kaum noch steigerungsfähig und für den betroffenen Vorgesetzten äußerst ehrverletzend. Zudem sei die Kundgabe aufgrund der Vielzahl von Kollegen unter den Facebook Freunden quasi betriebsöffentlich, ähnlich einem Aushang am „schwarzen Brett“, erfolgt.
Gegen das Urteil ging der Arbeitnehmer in Berufung. Nach unbestätigten Quellen soll das Landesarbeitsgericht kurioserweise Bedenken an dem erstinstanzlichen Urteil geäußert und sich die Parteien daraufhin auf einen Vergleich mit Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers geeinigt haben.
Fazit
Auch zukünftig werden sich Arbeitsgerichte mit der Frage der Wirksamkeit von Kündigungen wegen unbedachter Äußerungen, bewusster Beleidigungen oder im Rahmen des Rechts auf freie Meinungsäußerung im Internet veröffentlichter Aussagen auseinandersetzen müssen. In jedem dieser Fälle werden die Gerichte anhand des konkreten Sachverhaltes prüfen und eine Interessensabwägung vornehmen müssen. Zu wessen Gunsten die Gerichte dann entscheiden, lässt sich, wie auch die vorgenannten Beispiele zeigen, schwerlich im Vorhinein beurteilen.
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Rechtsanwalt Stefan Weste (M.B.L.) war bis zum 31.08.2018 Partner der Kanzlei WK LEGAL am Standort Berlin. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehörten die Bereiche Arbeitsrecht, Mergers & Acquisitions, Intellectual property sowie das Vertragsrecht.
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