Die Auswirkungen des Tarifeinheitsgesetzes

Stefan Weste (M.B.L.) | 19. August 2015

Das Tarifeinheitsgesetz ist in aller Munde. Die Beurteilungen sind gespalten. Zwischen Zweifeln an der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und der vollständigen Befürwortung wird jede Meinung vertreten. Kaum trat es am 10. Juli 2015 in Kraft, wurden bereits mehrere Verfassungsbeschwerden eingereicht. In diesem Blogartikel soll unabhängig von der Kritik an dem Gesetz aufgezeigt werden, welche Auswirkungen das Tarifeinheitsgesetz überhaupt auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber hat.

Inhalt des Tarifeinheitsgesetzes
Zunächst muss geklärt werden, in welchem Bereich sich etwas geändert hat. Das Tarifeinheitsgesetz ist als solches kein eigenständiges „Gesetz“ nach der allgemeinen Auffassung. Vielmehr wurden einzelne Regelungen des Tarifvertragsgesetzes (TVG) geändert. Der neu eingefügte § 4 a TVG soll sogenannte Tarifkollisionen verhindern. Darunter versteht man, dass auf einen Arbeitgeber mehrere Tarifverträge mit unterschiedlichen Gewerkschaften anwendbar sind, welche sich inhaltlich überschneiden. Es soll das Problem vermieden werden, dass ein Arbeitgeber bei an sich gleichen Arbeitnehmern unterschiedliche tarifvertragliche Regelungen berücksichtigen muss. Um diese Kollision aufzulösen, gilt gemäß § 4 a Abs. 2 TVG „das Recht des Stärkeren“. Die Gewerkschaft die mehr Arbeitnehmer im Betrieb zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrags vertritt, setzt gegenüber den mitgliederschwächeren Gewerkschaften ihren Tarifvertrag durch. Schließt eine andere Gewerkschaft (später) einen Tarifvertrag der sich mit diesem überschneidet, gilt er nur, wenn sie zu diesem Zeitpunkt mehr Mitglieder hat.
Auswirkungen auf die Arbeitnehmer

1. Mitglieder in betroffenen Gewerkschaften
Für die Mitglieder der kleinen Gewerkschaften bedeutet dies, dass sie sich nur auf ihren eigenen Tarifvertrag berufen können, soweit die Regelung sich nicht mit den Regelungen des Tarifvertrags der größeren Gewerkschaft überschneidet. Wollen sie jedoch ihrem gesamten Tarifvertrag zur Geltung verhelfen, müssen sie ihre Mitgliederzahl erhöhen oder in einen Betrieb wechseln, in dem ihre Gewerkschaft die Mitgliederstärkste ist. Macht die für diese Arbeitnehmer zuständige Gewerkschaft von ihrem Nachzeichnungsrecht Gebrauch, findet der Tarifvertrag der mitgliederstärksten Gewerkschaft auf sie Anwendung. Die Geltung eines Tarifvertrags ist damit zumindest nicht ganz ausgeschlossen.

2. Nichtgewerkschaftler mit Bezugnahme auf einen Tarifvertrag im Arbeitsvertrag
Klar ist, dass sich bei Inbezugnahme des tatsächlich geltenden Tarifvertrages der mitgliederstärksten Gewerkschaft keine Veränderungen ergeben. Aber auch wenn ein Tarifvertrag in Bezug genommen wird, der gerade nicht von der mitgliederstärksten Gewerkschaft geschlossen wurde, ist dies nach unserer Auffassung unproblematisch, da der jeweilige Tarifvertrag nur im Rang einer arbeitsvertraglichen Regelung einbezogen wird. Auch für diesen Fall ergeben sich deshalb keine Veränderungen. Der Inbezugnahme auf den Tarifvertrag ist weiterhin wirksam und möglich. Es gilt der konkret inbezuggenommene Tarifvertrag.

3. Nichtgewerkschaftler ohne Bezugnahme auf einen Tarifvertrag
Für Arbeitnehmer die nicht Mitglied in einer Gewerkschaft sind und keinen Verweis in ihrem Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag haben, ändert sich nichts. Auf sie findet weiterhin kein Tarifvertrag Anwendung. Es gelten ausschließlich die arbeitsvertraglichen und die gesetzlichen Bestimmungen, sowie etwaige Betriebsvereinbarungen.

Auswirkungen auf die Arbeitgeber
Auf der einen Seite besteht nun der Vorteil, dass der Arbeitgeber sich nur noch an einen Tarifvertrag halten muss. Dies erleichtert die Organisation und Verwaltung. Auf der anderen Seite ist jedoch das Nachzeichnungsrecht der kleinen Gewerkschaften als Nachteil zu nennen. So haben kleine Gewerkschaften, die einen kollidierenden Tarifvertrag haben, die Möglichkeit den Tarifvertrag der mitgliederstärksten Gewerkschaft zu übernehmen. Die für den Arbeitgeber nachteiligen Regelungen in einem Tarifvertrag bergen deshalb nunmehr ein größeres Risiko, da sie unter Umständen auf noch mehr Arbeitnehmer anwendbar sein können. Gleiches gilt allerdings auch für die vorteilhaften Regelungen. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber den anwendbaren Tarifvertrag im Betrieb bekanntmachen (§ 8 TVG).

Fazit
Die Auswirkungen sind ausschließlich im Bereich der Gewerkschaftler und Arbeitgeber zu finden. In einem Betrieb gilt für Gewerkschaftsmitglieder die der gleichen Arbeitnehmergruppe unterfallen der gleiche Tarifvertrag. Für Arbeitnehmer die keine Gewerkschaftsmitglieder sind, gilt weiterhin kein oder der jeweils inbezuggenommene Tarifvertrag. Ob durch die Änderungen allerdings auch Streiks vermieden werden, bleibt abzuwarten. Das Konfliktpotential hat sich jedenfalls nicht reduziert.

Rechtsanwalt Stefan Weste (M.B.L.) von der Kanzlei WK LEGAL berät und vertritt sowohl Arbeitnehmer, Betriebsräte als auch Arbeitgeber in sämtlichen arbeitsrechtlichen Fragestellungen. Wenn sie mehr erfahren wollen, besuchen Sie uns unter http://www.wklegal.de/arbeitsrecht/ oder schreiben Sie uns eine E-Mail an weste@wklegal.de

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Stefan Weste (M.B.L.)

Rechtsanwalt Stefan Weste (M.B.L.) war bis zum 31.08.2018 Partner der Kanzlei WK LEGAL am Standort Berlin. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehörten die Bereiche Arbeitsrecht, Mergers & Acquisitions, Intellectual property sowie das Vertragsrecht.

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