Wie müssen Arbeitgeber sich in Zeiten von Corona verhalten?
Immer mehr Arbeitgeber fragen sich, was zu tun ist, wenn es […]
An sich müsste man meinen, dass lange Kündigungsfristen sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber von Vorteil sind. Der Arbeitgeber kann langfristig mit seinem Personal planen und auch der Arbeitnehmer hat Sicherheit und muss nicht mit einem kurzfristigen Verlust der Stelle rechnen. Doch zu lange Kündigungsfristen können auch problematisch sein, wie ein Urteil vom Bundesarbeitsgericht aus dem Oktober 2017 zeigt (BAG, Urteil vom 26.10.2017, Az. 6 AZR 158/16).
In dem Fall ging es um einen Speditionskaufmann, der seit 2009 bei dem klagenden Arbeitgeber beschäftigt war. 2012 trafen die Parteien eine Zusatzvereinbarung, die unter anderem eine deutliche Gehaltserhöhung von 1.400 € auf 2.400 € vorsah, aber auch die Verlängerung der Kündigungsfrist auf drei Jahre, die für beide Seiten galt. Der Arbeitnehmer kündigte 2014 ohne diese vertragliche Frist einzuhalten. Dies hielt der Arbeitgeber nicht für rechtens und wollte vom Gericht feststellen lassen, dass die Kündigung aufgrund der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist unwirksam war.
Doch das BAG gab dem Arbeitnehmer Recht und stellte in seinem Urteil fest, dass die Vereinbarung der dreijährigen Kündigungsfrist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Beklagten unangemessen nach § 307 Abs. 1 Nr.1 BGB benachteilige und somit unwirksam sei. Eine Kündigungsfrist dieser Länge stelle insbesondere eine nicht hinnehmbare Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers dar. Dabei sei auch die Gehaltserhöhung nicht dazu geeignet diesen Nachteil auszugleichen.
Eine Kündigungsfrist kann also im Einzelfall durchaus zu lang und somit unwirksam sein, doch was gilt im Allgemeinen und wie wirkt sich das Urteil aus?
Zunächst einmal ist zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung zu unterscheiden. Letztere verlangt zwar das Vorliegen eines wichtigen Grundes, dafür aber grundsätzlich nicht die Einhaltung einer Frist. Solche wichtigen Gründe können zum Beispiel Arbeitsverweigerung, Mobbing oder unentschuldigtes Fehlen sein. Bei der ordentlichen Kündigung ist jedoch stets eine Kündigungsfrist einzuhalten. Die Frist beginnt mit dem Zugang der Kündigungserklärung zu laufen. Wie dieser Zeitpunkt genau zu bestimmen ist, ist hoch umstritten und könnte problemlos einen eigenen Blogbeitrag füllen. Doch grundsätzlich gilt, dass der Zugang in dem Zeitpunkt erfolgt, in dem die Kündigung in den „Machtbereich“ des Empfängers gelangt ist und in dem unter gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme gerechnet werden konnte. Die Läng der Kündigungsfrist kann sich aus den gesetzlichen Regelungen, dem Arbeitsvertrag oder aus einem Tarifvertrag ergeben.
Die grundlegende gesetzliche Regelung zu Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen ist § 622 BGB. In § 622 Abs. 1 BGB ist vorgeschrieben, dass die Kündigungsfrist mindestens vier Wochen beträgt. Dies gilt sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber. Gekündigt werden kann zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats.
Für den Arbeitgeber verlängert sich diese Frist jedoch, mit fortschreitender Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers. So beträgt die Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 BGB beispielsweise nach fünf Jahren bereits zwei Monate und nach 15 Jahren Betriebszugehörigkeit sechs Monate. Für eine Kündigung durch den Arbeitnehmer existiert demgegenüber keine entsprechende Regelung.
Eine Abweichung von der Mindestdauer von vier Wochen gilt für die Probezeit. In dieser beträgt die Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 3 BGB lediglich zwei Wochen. Sonderregeln gelten zudem für Schwerbehinderte und im Insolvenzverfahren. Für Schwerbehinderte gilt in jedem Falle eine vierwöchige Kündigungsfrist nach § 169 SGB IX, auch während der Probezeit. Im Insolvenzverfahren ist die Kündigungsfrist hingegen auf längstens drei Monate beschränkt nach § 113 S. 2 InsO. Es entsteht aber gegebenenfalls ein Schadensersatzanspruch des gekündigten Arbeitnehmers.
Es ist durchaus möglich und üblich, dass durch den Arbeitsvertrag von den gesetzlichen Regelungen zur Kündigungsfrist abgewichen wird und individuelle Vereinbarungen getroffen werden. Jedoch darf dem Arbeitnehmer dabei nach § 622 Abs. 6 BGB keine längere Frist auferlegt werden als dem Arbeitgeber. In den meisten Fällen wird für beide Seiten aber ohnehin dieselbe Frist bestimmt. Zudem darf durch die vertraglichen Vereinbarungen nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers von den gesetzlichen Vorschriften abgewichen werden. Ausnahmen zu dieser Regel existieren jedoch für Aushilfen und Kleinbetriebe nach § 622 Abs. 5 BGB.
Doch existiert eine allgemeine Höchstgrenze für die Länge einer Kündigungsfrist?
Eine ausdrückliche Regelung zu dieser Frage existiert zwar nicht, aber indirekt geht aus § 15 Abs. 4 TzBfG hervor, dass keine längere Kündigungsfrist als fünfeinhalb Jahre vereinbart werden kann. Doch das oben erläuterte Urteil zeigt, dass auch eine Kündigungsfrist unterhalb dieser Grenze unwirksam sein kann, wenn sie eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Freiheit des Arbeitnehmers darstellt.
Da die meisten Arbeitgeber nicht jahrelang auf einen Arbeitnehmer warten werden, müsste der Arbeitnehmer „auf gut Glück“ kündigen und dann hoffen zum maßgeblichen Zeitpunkt eine neue Stelle zu finden. Ein Jobwechsel würde somit erheblich erschwert. Doch die Berufsfreiheit ist sogar in Art. 12 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich garantiert und genießt somit besonderen Schutz. Dieser umfasst nicht nur die Berufswahlfreiheit, sondern auch die Berufsausübungsfreiheit und somit auch das Recht sich zumindest in gewissen Grenzen seinen Arbeitsplatz und auch seinen Arbeitgeber frei auszusuchen. Das Recht der Berufsausübungsfreiheit wird durch die Vereinbarung einer ungewöhnlich langen Kündigungsfrist erheblich eingeschränkt. Auch dieser Gesichtspunkt ist somit bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer langen Kündigungsfrist zu beachten.
Eine außergewöhnlich lange Kündigungsfrist ist für den Arbeitnehmer also regelmäßig nachteilig, dieser Nachteil kann jedoch unter Umständen durch die Vereinbarung von Vorteilen im Gegenzug ausgeglichen werden. Diese Vorteile müssen aber erheblich sein, wie das oben zitierte Urteil zeigt. Dort wurde ein Ausgleich durch eine Gehaltserhöhung um 1.000 € abgelehnt, aber vor allem auch aus dem Grund, dass durch die getroffene Zusatzvereinbarung das Vergütungsniveau langfristig eingefroren wurde.
Auch in einem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag können Kündigungsfristen enthalten sein. Durch den Tarifvertrag können die gesetzlichen Kündigungsfristen sowohl verlängert als auch verkürzt werden. Auch Kündigungstermine, die Dauer der Betriebszugehörigkeit und deren Auswirkung auf die Frist können durch den Tarifvertrag abweichend bestimmt werden.
Widersprechen sich aber Arbeitsvertrag und Tarifvertrag, so gilt nach § 4 Abs. 3 TVG die für den Arbeitnehmer günstigere Regelung.
Die Regelungen bezüglich der Kündigungsfrist erscheinen auf den ersten Blick etwas unübersichtlich. Doch hat man das System erst einmal durchdrungen und sich dementsprechend klargemacht welche Vorschriften für den vorliegenden Fall zu beachten sind, so ist die Bestimmung der richtigen Frist nicht mehr kompliziert. Zudem zeigt das besprochene Urteil, dass bei der vertraglichen Vereinbarung von besonders langen Kündigungsfristen, vor allem im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, eine Unwirksamkeit der Absprache wahrscheinlich ist, solange der dem Arbeitnehmer entstehende Nachteil nicht in erforderlichem Maße kompensiert wird.
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Rechtsanwalt Stefan Weste (M.B.L.) war bis zum 31.08.2018 Partner der Kanzlei WK LEGAL am Standort Berlin. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehörten die Bereiche Arbeitsrecht, Mergers & Acquisitions, Intellectual property sowie das Vertragsrecht.
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