„Kommen Sie wieder arbeiten, oder kündigen Sie!

Stefan Weste (M.B.L.) | 4. Juni 2014

Am 6. Mai 2014 veröffentlichte das Bundesarbeitsgericht folgende Pressemitteilung Nr. 22/14:

„Gesetzlicher Urlaubsanspruch nach unbezahltem Sonderurlaub“

„Nach § 1 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Diese Vorschrift ist nach § 13 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BUrlG unabdingbar. Die Entstehung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs erfordert nur den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses und die einmalige Erfüllung der Wartezeit. Das BUrlG bindet den Urlaubsanspruch damit weder an die Erfüllung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis noch ordnet es die Kürzung des Urlaubsanspruchs für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses an. Allerdings sehen spezialgesetzliche Regelungen für den Arbeitgeber die Möglichkeit der Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG) oder Wehrdienst (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ArbPlSchG) vor. Eine Kürzungsregelung beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses während einer Pflegezeit (§§ 3, 4 PflegeZG) findet sich dagegen nicht. Kommt es zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, hindert dies grundsätzlich weder das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs noch ist der Arbeitgeber zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs berechtigt.

Die Klägerin war bei der beklagten Universitätsklinik seit August 2002 als Krankenschwester beschäftigt. Vom 1. Januar 2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. September 2011 hatte sie unbezahlten Sonderurlaub und verlangte danach erfolglos von der Beklagten die Abgeltung von 15 Urlaubstagen aus dem Jahr 2011. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Der von den Parteien vereinbarte Sonderurlaub stand dem Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs zu Beginn des Kalenderjahres 2011 nicht entgegen. Er berechtigte die Beklagte auch nicht zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. Mai 2014 – 9 AZR 678/12

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Mai 2012 – 3 Sa 230/12 – „

Eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen, wie man der Überschrift entnehme kann. Denn bereits wenige Tage nach Veröffentlichung rief eine Arbeitnehmerin bei uns an, weil deren Arbeitgeber den derzeit gewährten unbezahlten Sonderurlaub nicht über den ursprünglich vereinbarten Zeitraum hinaus verlängern möchte. Der Arbeitgeber begründet die Ablehnung mit der vorzitierten Entscheidung. Durch diese Rechtsprechung komme es zu einer Anhäufung von Urlaubsansprüchen, die ihm finanziell nicht zumutbar seien.

Doch ist das wirklich so?

Das Bundesurlaubsgesetz sieht zunächst vor, dass Urlaub in dem laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Im Normalfall erlischt der Urlaubsanspruch folglich mit Ablauf des 31. Dezember.

Des Weiteren sieht das Bundesurlaubsgesetz vor, dass eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur statthaft ist, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden.

Eine Übertragung aufgrund dringender betrieblicher Gründe dürfte meines Erachtens im Falle von unbezahltem Sonderurlaub regelmäßig nicht in Betracht kommen, so dass der Urlaub mit dem Ende Kalenderjahres erlöschen würde und das Risiko einer Anhäufung von Urlaubsansprüchen bei länger andauerndem unbezahltem Sonderurlaub für den Arbeitgeber keine ernsthafte Rolle spielen dürfte.

Ob es sich bei unbezahltem Sonderurlaub um einen in der Person des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin liegenden dringenden Grund handelt, musste das Bundesarbeitsgericht im vorliegenden Fall hingegen nicht entscheiden, da es sich ausschließlich um Urlaubsansprüche aus einem Kalenderjahr (2011) handelte. Da unbezahlter Sonderurlaub jedoch in der Regel durch den Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erbeten wird, spricht meiner Ansicht nach vieles dafür, dass eine Übertragung aus diesem Grund ebenfalls nicht in Frage kommen dürfte, denn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin verzichtet freiwillig auf den Vollzug des Arbeitsverhältnisses, innerhalb dessen die Gewährung von Erholungsurlaub möglich gewesen wäre.

Sollte es dennoch zu einer Übertragung des Urlaubsanspruchs auf das Folgejahr kommen, z. B. weil der Arbeitsvertrag eine solche Klausel enthält, würde der Urlaubsanspruch spätestens mit Ablauf des 31. März des Folgejahres erlöschen. Da es sich bei unbezahltem Sonderurlaub üblicherweise um eine vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer/-in handelt, wäre es dann jedoch Aufgabe des Arbeitgebers auszuhandeln, dass der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erst nach Ablauf des 31. März ihre Tätigkeit wieder aufnimmt.

Dieser Fall ist meines Erachtens auch nicht mit dem einer Langzeiterkrankung vergleichbar, wo es dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin unverschuldet nicht möglich ist den Erholungsurlaub im Entstehungsjahr, bzw. während des Übertragungszeitraums, in Anspruch zu nehmen und der Europäische Gerichtshof aus diesem Grund entschieden hat, dass der Erholungsurlaub weder mit Ende des Kalenderjahres noch mit Ablauf des Übertragungszeitraums, sondern frühestens 15 Monate nach Ende des Kalenderjahres für welches der Urlaubsanspruch entstanden ist, erlöschen darf.

Fazit

Wenngleich abzuwarten bleibt, wie sich das Bundesarbeitsgericht und/oder der Europäische Gerichtshof zur Frage der Verfallfristen des Urlaubsanspruchs im Falle des unbezahlten Sonderurlaubs positionieren werden, halte ich das Risiko einer unkontrollierten Anhäufung von Urlaubsansprüchen bei länger andauerndem unbezahltem Erholungsurlaub derzeit für so gering, dass es sich hierbei wohl um ein vorgeschobenes Argument der Arbeitgeber handeln dürfte, um Druck auf diejenigen Arbeitnehmer/-innen auszuüben, die sich in unbezahltem Sonderurlaub befinden und diesen gerne verlängern möchten.

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Stefan Weste (M.B.L.)

Rechtsanwalt Stefan Weste (M.B.L.) war bis zum 31.08.2018 Partner der Kanzlei WK LEGAL am Standort Berlin. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehörten die Bereiche Arbeitsrecht, Mergers & Acquisitions, Intellectual property sowie das Vertragsrecht.

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