BGH: Grundsätze zur Selbständigkeit in der Treuhandphase

Wolfgang N. Sokoll | 7. März 2013

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

IX ZB 98/11

 vom 17. Januar 2013

im Restschuldbefreiungsverfahren

Leitsätze:

InsO § 296 Abs. 1 Satz 3, § 295 Abs. 2

Zur Glaubhaftmachung des fiktiven monatlichen Nettoeinkommens eines abhängig Beschäftigten im Versagungsantrag genügt es, wenn der Gläubiger sich insoweit auf die eigenen Angaben des selbständig tätigen Schuldners stützt.

InsO § 295 Abs. 2

Maßgebend ist ein hypothetisches Einkommen aus einem angemessenen, nicht notwendigerweise der selbständigen Tätigkeit entsprechenden Dienstverhältnis.

InsO § 296 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, § 295 Abs. 2

Der Schuldner ist nicht dadurch entlastet, dass ihn weder das Insolvenzgericht noch der Treuhänder in der Wohlverhaltensphase darauf hingewiesen hat, die an den Treuhänder abgeführten Beträge entsprächen nicht dem Pfändungsbetrag eines vergleichbar abhängig Beschäftigten.

 

Tenor:

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring am 17. Januar 2013 beschlossen:

Dem Schuldner wird Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren ohne Eigenbeitrag bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt Dr. P. beigeordnet.

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom 8. Februar 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Berlin zurückverwiesen

Der Beschwerdewert wird auf 5.000 € festgesetzt.

 

Gründe:

 I.

 Über das Vermögen des Schuldners wurde auf seinen Antrag am 7. Juli 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 15. April 2005 wurde ihm antragsgemäß die Restschuldbefreiung angekündigt und der weitere Beteiligte zu 2 als Treuhänder bestellt, am 30. Juni 2005 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben. Von Juli 2005 bis Juni 2009 leistete der Schuldner, der während der ganzen Wohlverhaltensphase selbständig tätig war, unregelmäßig Zahlungen an den Treuhänder in Höhe von insgesamt 1.890 €. In seinen jährlichen Ausschüttungsberichten errechnete dieser unter Zugrundelegung eines fiktiven monatlichen Nettoeinkommens in Höhe von 1.427,64 € für den oben angegebenen Zeitraum einen Fehlbetrag von 12.721,20 €. Ein Gläubiger, der weitere Beteiligte zu 1, beantragte unter Hinweis auf § 295 Abs. 2 InsO und die Ausschüttungsberichte des Treuhänders, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Daraufhin zahlte der Schuldner an den Treuhänder noch weitere 598 €. Die Zahlungen des Schuldners entsprechen einem monatlichen Betrag von 49 € während der gesamten Treuhandperiode.

Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner die Restschuldbefreiung erteilt. Auf die Beschwerde des Gläubigers hat das Beschwerdegericht diese Entscheidung aufgehoben und dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt.

Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

 

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 7 aF, §§ 6, 300 Abs. 3 InsO, Art. 103f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2, § 575 Abs. 1 und 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dem Schuldner sei die Restschuldbefreiung gemäß § 296 Abs. 1, § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu versagen, denn er habe die pfändbaren Beträge nicht in der jeweils geschuldeten Höhe an den Treuhänder abgeführt. Ihm sei es nicht gestattet gewesen, die Höhe der abzuführenden, pfändbaren Beträge anhand eines fiktiv bestimmten Durchschnittsgehalts zu berechnen.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Das Beschwerdegericht hätte die Tatbestandsvoraussetzungen des von ihm angenommenen Versagungsgrundes des § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht bejahen dürfen. Weder hat der Schuldner einen Wohnsitz- oder Arbeitswechsel nicht mitgeteilt, noch von der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO erfasste Bezüge oder von § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfasstes Vermögen verheimlicht oder erbetene Auskünfte über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen nicht erteilt. In Betracht kommt allenfalls das Verheimlichen von Bezügen. Dabei hat das Beschwerdegericht übersehen, dass Einnahmen eines selbständig tätigen Schuldners grundsätzlich nicht unter die Abtretungserklärung des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO fallen und § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO daher insoweit nicht anzuwenden ist (BGH, Beschluss vom 22. September 2011 – IX ZB 133/08, ZInsO 2011, 2101 Rn. 9; Urteil vom 15. Oktober 2009 – IX ZR 234/08, ZInsO 2010, 59). Einnahmen, die der Schuldner aufgrund einer wirtschaftlich selbständigen Tätigkeit erzielt, müssen ihm uneingeschränkt zur Verfügung stehen, damit er seiner Abführungspflicht aus § 295 Abs. 2 InsO gerecht werden kann. Sie können deshalb – ungeachtet der Tatsache, dass auch der selbständig tätige Schuldner seinem Antrag eine Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO beizufügen hat – in aller Regel auch nicht als pfändbares Einkommen im Sinne des § 850 Abs. 2 ZPO angesehen werden (BGH, Beschluss vom 22. September 2011, aaO; Urteil vom 15. Oktober 2009, aaO Rn. 8 ff).

b) Weiter hat das Beschwerdegericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass sich das Einkommen des Schuldners in der Wohlverhaltensphase tatsächlich erhöht habe. Zur Begründung hat es auf die Ausschüttungsberichte des Treuhänders verwiesen, die diese Feststellung nicht tragen. Dort hat der Treuhänder zu den von ihm berücksichtigten monatlichen Nettoeinkommen des Schuldners nur ausgeführt, dass es sich hierbei um ein fiktives Einkommen nach Angaben des Schuldners handele. Mithin ist der Treuhänder – das ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Berichte – von einem fiktiven Nettoeinkommen aus einem angemessenen Dienstverhältnis gemäß § 295 Abs. 2 InsO ausgegangen, wobei ihm die Zahlen vom Schuldner selbst mitgeteilt worden sind, der sie seinerseits telefonisch von dem Berliner Tarifregister erfahren hat. Auf die tatsächlichen Einkünfte des Schuldners, der während der gesamten Wohlverhaltensphase selbständig tätig war, kommt es für den nach dem Gläubigervorbringen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2010 – IX ZB 67/09, ZInsO 2010, 391 Rn. 11) allein einschlägigen Versagungstatbestand des § 295 Abs. 2 InsO auch nicht an. Ob der Schuldner als selbständig Tätiger einen Gewinn erzielt hat oder ob er einen höheren Gewinn hätte erwirtschaften können, ist unerheblich. Nach § 295 Abs. 2 InsO obliegt es dem selbständig tätigen Schuldner, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Die Vorschrift löst die zu berücksichtigenden Erträge vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg der selbständigen Tätigkeit des Schuldners. Das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ist dabei aus einem angemessenen Dienstverhältnis zu berechnen. Angemessen ist nur eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 – IX ZB 224/09, NZI 2011, 596 Rn. 6; vom 5. April 2006 – IX ZB 50/05, NZI 2006, 413 Rn. 13). Mithin war entgegen den Ausführungen des Beschwerdegerichts von Bedeutung, wie viel der Schuldner aus einem angemessenen Dienstverhältnis hätte verdienen können. Hätte er so viel verdienen können, dass der Pfändungsfreibetrag überstiegen wäre, hätte er den Differenzbetrag an den Treuhänder abführen müssen. Lag dieser Betrag höher als der tatsächlich abgeführte Betrag, stellt die Nichtabführung in Höhe der Differenz die Obliegenheitsverletzung dar.

c) Die angefochtene Entscheidung stellt sich noch aus einem anderen Gesichtspunkt als nicht zutreffend dar. Durch Bezugnahme auf das Schreiben des Treuhänders vom 7. Oktober 2009 berücksichtigt das Landgericht bei der Annahme der Obliegenheitsverletzung den Zeitraum von Juli 2003 bis Juni 2009. Hierbei hat es übersehen, dass die Obliegenheiten des § 295 InsO den Schuldner erst von der Aufhebung des Insolvenzverfahrens an treffen (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 – IX ZB 78/09, ZInsO 2010, 345 Rn. 9). Aufgehoben wurde das Insolvenzverfahren jedoch erst durch Beschluss vom 30. Juni 2005. Vor Juli 2005 konnte somit die Wohlverhaltensphase nicht beginnen und konnten die den Schuldner aus § 295 Abs. 2 InsO treffenden Obliegenheiten nicht entstehen. Schließlich hat das Beschwerdegericht übersehen, dass ab dem 1. Juli 2005 höhere Pfändungsfreigrenzen galten, die bis zum 30. Juni 2011 wirksam waren. Der vom Treuhänder im Schreiben vom 7. Oktober 2009 zugrunde gelegte Nettolohn von 1.004,68 € führte ab dem 1. Juli 2005 zu einem pfändbaren Betrag von lediglich 10,40 € gegenüber den vom Treuhänder berechneten 49 €. Danach hätte der Schuldner in der Wohlverhaltensphase, wenn dieser Betrag als hypothetisches Nettoeinkommen aus angemessenem Dienstverhältnis zugrunde gelegt wird, einen deutlich niedrigeren Betrag zahlen müssen als vom Schuldner selbst errechnet.

3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist auch nicht aus anderen Gründen richtig (§ 577 Abs. 3 ZPO). Die vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen erlauben nicht die abschließende Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 295 Abs. 2, § 296 Abs. 1 InsO vorliegen. Insbesondere ergibt sich aus den Feststellungen des Landgerichts nicht, welches Dienstverhältnis der Schuldner hätte eingehen können und was er hätte dort verdienen können. Festgestellt ist lediglich, dass in Berlin in der fraglichen Zeit ein Geschäftsführer eines Lebensmittelgeschäfts mit bis zu fünf Angestellten einen Tariflohn von monatlich netto 1.427,64 € hätte verdienen können. Nicht festgestellt ist jedoch, dass dem Schuldner nach seiner Ausbildung und seinem beruflichen Werdegang diese Tätigkeit möglich gewesen wäre.

 

III.

Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben. Da der Senat zu einer eigenen Sachentscheidung nicht in der Lage ist, ist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

Für den weiteren Verfahrensgang weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Der Gläubiger hat entgegen den Ausführungen der Rechtsbeschwerdebegründung einen zulässigen Versagungsantrag gestellt.

a) Er hat sowohl die Obliegenheitsverletzung wie auch die Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung glaubhaft gemacht. Ein Gläubiger genügt im Fall des § 295 Abs. 2 InsO seiner Pflicht zur Glaubhaftmachung der Obliegenheitsverletzung des Schuldners und der Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§ 300 Abs. 2, § 296 Abs. 1 InsO), wenn er darlegt, dass der Schuldner an den Treuhänder nicht den Betrag abgeführt hat, den er bei Ausübung einer vergleichbaren abhängigen Tätigkeit nach dem üblichen Lohnniveau hätte abführen müssen (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 – IX ZB 224/09, NZI 2011, 596 Rn. 7).

Durch die Bezugnahme auf die Ausschüttungsberichte des Treuhänders hat der Gläubiger ausreichend glaubhaft gemacht, der Schuldner habe in einem fiktiven angemessenen Dienstverhältnis so viel verdienen können, dass er von Juli 2005 bis Juni 2009 monatlich 304,40 €, insgesamt 14.611,20 € hätte abführen müssen. Tatsächlich aber habe der Schuldner bis zur Stellung des Versagungsantrags nur 1.890 € abgeführt. Nach der Rechtsprechung des Senats

kann der erforderliche Sachvortrag des Gläubigers und die erforderliche Glaubhaftmachung mittels einer konkreten Bezugnahme auf einen Bericht des Treuhänders erfolgen, wenn der Bericht des Treuhänders seinerseits den Anforderungen genügt (BGH, Beschluss vom 21. Januar 2010 – IX ZB 67/09, ZInsO 2010, 391 Rn. 10). Dies ist vorliegend der Fall. Aus den Ausschüttungsberichten ergeben sich das fiktive Nettoeinkommen aus einem angemessenen

Dienstverhältnis, der daraus zu errechnende pfändbare Betrag und die wegen der Nichtabführung dieses Betrages sich ergebende Gläubigerbeeinträchtigung. Zur Glaubhaftmachung des fiktiven monatlichen Nettoeinkommens genügt es jedenfalls, wenn der Gläubiger sich insoweit auf die eigenen Angaben des Schuldners stützt.

b) Allerdings hat der Gläubiger weder dargetan noch glaubhaft gemacht, ab wann er Kenntnis von der Obliegenheitsverletzung des Schuldners hatte (§ 300 Abs. 2, § 296 Abs. 1 Satz 2 und 3 InsO). Dennoch ist sein Versagungsantrag zulässig. Für die Verletzung der den Schuldner aus § 295 Abs. 2 InsO treffenden Obliegenheit beginnt die Frist grundsätzlich erst mit Abschluss der Treuhandperiode (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 – IX ZB 224/09, NZI 2011, 596 Rn. 12 f). Zwar hat der Senat zwischenzeitlich entschieden, dass der selbständig Tätige die Zahlung nicht erst am Ende der Wohlverhaltensphase zu erbringen hat (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 – IX ZB 188/09, NZI 2012, 718 Rn. 8). Dennoch kann oft erst am Ende dieser Periode sicher festgestellt werden, ob ein Obliegenheitsverstoß vorliegt. Deswegen sind die Gläubiger regelmäßig berechtigt, den Versagungsantrag unabhängig von einer vorherigen Kenntnis von der Nichtabführung einzelner Beträge erst am Ende der Treuhandphase zu stellen (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011, aaO Rn. 13). Der im August 2009 beim Insolvenzgericht eingegangene Versagungsantrag war demnach gemäß § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO rechtzeitig.

2. Das Landgericht wird zu prüfen haben, ob dem Schuldner eine Tätigkeit als angestellter Geschäftsführer im Lebensmitteleinzelhandel aufgrund seiner Ausbildung und seines beruflichen Werdegangs möglich gewesen wäre und er den von ihm ermittelten Tariflohn hätte verdienen können. Unerheblich ist allerdings, ob das selbständig betriebene Geschäft des Schuldners mit den in den Tarifverträgen beschriebenen Geschäften in allen Punkten vergleichbar war. Auf die Vergleichbarkeit kommt es nicht an. Maßgebend ist das hypothetische Einkommen aus einem angemessenen, nicht notwendigerweise der selbständigen Tätigkeit entsprechenden Dienstverhältnis (MünchKomm-InsO/Ehricke, 2. Aufl., § 295 Rn. 107).

3. Stellt das Landgericht fest, dass der Schuldner aus einem angemessenen Dienstverhältnis einen höheren Abführungsbetrag hätte erwirtschaften können, muss sich der Schuldner von dem Vorwurf entlasten, seine Obliegenheiten schuldhaft verletzt zu haben (§ 296 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 InsO). Es entschuldigt ihn nicht, wenn er mit seinem Geschäft nicht so viel erwirtschaftet haben sollte, dass er monatlich den ermittelten zusätzlichen Betrag an den Treuhänder hätte abführen können. Erkennt ein Schuldner in der Wohlverhaltensphase, dass er mit der von ihm ausgeübten selbständigen Tätigkeit nicht genug erwirtschaftet, um seine Gläubiger so zu stellen, als übe er eine entsprechende abhängige Tätigkeit aus, braucht er seine selbständige Tätigkeit zwar zunächst nicht aufzugeben. Er muss sich dann aber – ebenso wie ein beschäftigungsloser Schuldner – gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachweisbar um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühen, um den Verschuldensvorwurf zu entkräften (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 – IX ZB 224/09, NZI 2011, 596 Rn. 7). Ebenso wenig ist der Schuldner deswegen entlastet, weil ihn weder der Treuhänder noch das Insolvenzgericht darauf hingewiesen haben, dass er höhere Beträge an den Treuhänder abführen müsse, wenn er die Restschuldbefreiung erreichen wolle. Die Aufgabe des Treuhänders beschränkt sich gemäß § 292 InsO im Wesentlichen darauf, die Abführungsbeträge entgegenzunehmen und zu verteilen. Ihn trifft nicht die Pflicht, die Beträge festzusetzen, die der Schuldner abzuführen hat, und den Schuldner oder seine selbständige Tätigkeit zu kontrollieren (vgl. Grote, ZInsO 2004, 1105, 1109). Entsprechendes gilt für das Insolvenzgericht. Die nsolvenzordnung kennt kein eigenständiges Verfahren zur Feststellung der durch den selbständig tätigen Schuldner zu leistenden Zahlungen. Das Insolvenzgericht hat weder die Verpflichtung noch die Möglichkeit, den nach § 295 Abs. 2 InsO zu erbringenden Betrag zu Beginn der Treuhandphase festzustellen, um damit die Höhe des vom Schuldner abzuführenden Betrages dem künftigen Streit über die Versagung der Restschuldbefreiung zu entziehen. Der Gesetzgeber hat den Streit über die Höhe des abzuführenden Betrages in die Hand der Gläubiger gelegt und damit die Bezifferung der abzuführenden Beträge in das Versagungsverfahren nach § 295 Abs. 2, § 296 Abs. 1 InsO verlagert. Für die Abführung der Beträge in der richtigen Höhe war somit allein der Schuldner verantwortlich (vgl. Grote, ZInsO 2004, 1105, 1108 f).

4. Dem Gläubiger ist es auch nicht nach § 242 BGB verwehrt, den Versagungsantrag zu stellen. Der Schuldner ist ausreichend dadurch geschützt, dass ein Gläubiger nach § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO innerhalb eines Jahres nach Kenntniserlangung von der Obliegenheitsverletzung des Schuldners den Versagungsantrag stellen muss. Ein Gläubiger handelt nicht treuwidrig, wenn er erst am Ende der Wohlverhaltensphase nach Mitteilung des Insolvenzgerichts, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung erteilt werden soll, prüft, ob der Schuldner den ihn treffenden Obliegenheiten nachgekommen ist.

 Kayser             Raebel             Pape                Grupp              Möhring

 

Vorinstanzen:

AG Berlin-Spandau, Entscheidung vom 17.11.2009 – 38 IK 32/03

LG Berlin, Entscheidung vom 08.02.2011 – 85 T 284/09

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Wolfgang N. Sokoll

Rechtsanwalt und Mediator Wolfgang N. Sokoll war bis Ende November 2016 bei WK LEGAL Ihr Ansprechpartner für das Arbeitsrecht, das Insolvenzrecht, das Versicherungsrecht, das Forderungsmanagement, die Zwangsvollstreckung und die außergerichtliche Streitbeilegung insbesondere im Wege der Mediation. Seit dem erreichen Sie ihn in seiner Anwaltskanzlei in Berlin Charlottenburg in der Hardenbergstraße 12 telefonisch unter 030 120857200, per Fax unter 030 120857209 und per E-Mail unter info@mediation-recht.net.

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