Bund haftet bei über­langer War­te­zeit am Flug­hafen

Guido Kluck, LL.M. | 11. März 2022

Nicht nur am BER passiert es immer mal wieder, auch an anderen Flughäfen gibt es zu lange Wartezeiten bei der Abfertigung vor der Sicherheitskontrolle. Das OLG Frankfurt a.M. entschied mit Urteil vom 27.01.2022 (Az. 1 U 220/20), dass ein Fluggast bei überlanger Wartezeit am Flughafen an der Sicherheitskontrolle eine Entschädigung für die Kosten eines Ersatzfluges geltend machen kann, wenn er sich gemäß den Empfehlungen des Flughafens rechtzeitig beim Check-In eingefunden und von dort ohne erhebliche Verzögerungen die Sicherheitskontrolle aufgesucht hat.

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Sachverhalt 

Die Beklagte ist in diesem Fall die Bundesrepublik Deutschland. Sie organisiert die Sicherheitskontrolle am Frankfurter Flughafen. Die Kläger sind Fluggäste und wollten vom Flughafen und Frankfurt in die Dominikanische Republik fliegen. Die Abflugzeit war 11:50 Uhr, das Boarding begann um 10:50 Uhr, das Gate schloss bereits um 11.30 Uhr. 

Nachdem die Kläger die Sicherheitskontrolle durchlaufen und den Flugsteig erreicht hatten, war das Boarding jedoch bereits abgeschlossen. 

Daher verlangten sie eine Entschädigung für die entstandenen Kosten der Ersatztickets sowie der zusätzlichen Übernachtung. Nach Auffassung der Kläger war die Sicherheitskontrolle nicht ausreichend organisiert und es kam zu unzumutbaren Wartezeiten. Das Landgericht hatte die BRD zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt, wogegen sie Berufung einlegte.

OLG bestätigt Entschädigungsanspruch 

Das Oberlandesgericht bestätigt in der Berufung den Entschädigungsanspruch der Kläger, da die BRD, die die Sicherheitskontrolle organisiert den Schaden zu vertreten hatte. Jedoch folgt der Anspruch nicht aus der Verletzung von Amtshandlungspflichten, sondern aus den Grundsätzen der Aufopferung und wegen enteignenden Eingriffs. 

Wenn eine eigentlich rechtmäßige Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsposition des Eigentümers einwirke und zu einem Sonderopfer führe, das die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreite, könne ein solcher Anspruch entstehen. Hier habe die Wartezeit zur Gepäck- und Personenkontrolle dazu geführt, dass die Kläger ihren Flug verpasst haben. Die Kläger müssten sich zwar grundsätzlich auf die Kontrolle und deren Dauer, die erhebliche Zeit in Anspruch nehmen könne, von vornherein einstellen.

Dürfen Fluggäste auf die zeitliche Empfehlung des Flughafens vertrauen?

Flughäfen und Fluggesellschaften geben immer eine Art Richtlinie an, wie rechtzeitig sich Reisende am Flughafen zur Abfertigung einfinden sollten. Darauf dürfen Fluggäste nach Auffassung des OLG auch vertrauen. Sie müssen sich nicht auf beliebige Änderungen der Dauer der Abfertigung einstellen. 

Fazit

Wenn Reisende rechtzeitig am Flughafen erscheinen, haben sie alles in ihrer Macht stehende getan, um für einen reibungslosen Ablauf bei der Abfertigung und bei der Durchführung der Sicherheitskontrolle zu sorgen. Im vorliegenden Fall konnte den Reisenden auch kein Verschulden vorgeworfen werden, dass sie Zeit „vertrödelt“ hätten. Vielmehr hat die Reisegesellschaft auch dazu beigetragen, dass sich die Ankunft am Gate verzögerte, da auf den Bordkarten kein Gate aufgedruckt war und an den Anzeigetafeln auch nicht rechtzeitig ein Gate bekannt gegeben war.

Rechtstipp: Sollte es dazu kommen, dass ein Flug aufgrund eines Streiks annulliert wurde oder sich verspätet hat, sollten Betroffene auf jeden Fall Entschädigung verlangen. Weist die Airline den Anspruch zurück, muss notfalls gerichtlich gegen dieses vorgegangen werden. Ob dies erfolgversprechend ist, sollte mit einem erfahrenen Anwalt besprochen werden. Dieser entwickelt einzelfallabhängig eine geeignete Strategie zur Durchsetzung des Anspruchs.

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Haben Sie auch schon vom neuen Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin gehört, wonach Reisende die Corona-Rückflugskosten zum Teil selbst tragen müssen? Wenn Sie das Thema interessiert, lesen Sie gerne unseren Beitrag „Reisende müssen Corona-Rückflüge zum Teil zahlen

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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