Ein Urteil des BGH vom 24.02.2022 (Az. I ZR 128/21) verändert den Begriff der „Wettbewerbsverhältnisse“. Was das für Auswirkungen hat und was das für Sie bedeutet, erfahren Sie auf unserem Blog!
Das Urteil des BGH
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Wettbewerbsverhältnisse auch zwischen zwei Unternehmen bestehen können, die nicht der selben Branche angehören, aber in tatsächlicher Hinsicht dieselbe Dienstleistung erbringen (oder zumindest damit werben). Das Wettbewerbsverhältnis wird dann dadurch begründet, dass ein Unternehmen in der Werbung vorgibt, die gleiche Leistung wie das andere Unternehmen anzubieten.
Um was ging es im konkreten Fall?
Der BGH hatte folgenden Sachverhalt vorliegen: Eine Rechtsanwaltskanzlei, die zwei Versicherungsnehmer gerichtlich vertreten hatte, klagte gegen ein Unternehmen, dass Versicherungsverträge aufkauft. Dieses Unternehmen warb mit den Worten: „Garantierte Auszahlung bereits nach 18 Tagen, Einfache und schnelle Online-Abwicklung, Prüfung der Rückkaufswerte, Überprüfung der Verträge auf eine Rückabwicklungsmöglichkeit, Verkauf als bessere Alternative zur einfachen Kündigung.“
Irreführung durch Aussagen in der Werbung?
Die Rechtsanwaltskanzlei war der Auffassung, dass die Werbung mit den Worten „Überprüfung der Verträge auf eine Rückabwicklungsmöglichkeit“ irreführend sei. In den Vorinstanzen wurde die Klage mangels Aktivlegitimation abgewiesen, weil kein konkretes Mitbewerberverhältnis bestehen würde. Das sah der BGH jedoch anders!
Neudefinition des Begriffs „Wettbewerbsverhältnis“
Der BGH stellte fest, dass für ein Wettbewerbsverhältnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG nicht erforderlich ist, dass das andere Unternehmen auch tatsächlich die gleiche Leistung erbringt, wenn es jedenfalls damit wirbt.
„Maßgeblich ist insoweit die beanstandete Werbeaussage „Überprüfung der Verträge auf eine Rückabwicklungsmöglichkeit“ als konkrete (und unstreitige) Verletzungshandlung. Da es für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung regelmäßig nur um die konkret beanstandete Wettbewerbshandlung geht, genügt es, dass das Wettbewerbsverhältnis erst durch diese Wettbewerbshandlung begründet worden ist, auch wenn die Parteien unterschiedlichen Branchen angehören.“
Mitbewerberbegriff ist weit zu fassen
Auch nach der Novellierung des UWG ist der Mitbewerberbegriff nach den §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG weit zu fassen. Der BGH wies daraufhin, dass die Aktivlegitimation an Hand des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG n.F. mit den neuen zusätzlichen Voraussetzungen zu überprüfen sind. Danach stünden Ansprüche nicht mehr jedem Mitbewerber zu, sondern nur noch solchen, die Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreiben oder nachfragen. An das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses seien aber im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes grds. keine hohen Anforderungen zu stellen.
Fazit
Auch wenn das beklagte Unternehmen geltend gemacht hat, dass es keine Beratungsleistung erbringt und lediglich Versicherungsverträge aufkauft, hat das OLG zuvor zu Unrecht die Klage abgewiesen. Ob bereits aus der Werbeaussage «Verkauf als bessere Alternative zur einfachen Kündigung» eine im Wettbewerb zur Klägerin stehende Beratungsleistung folge, kann nach Auffassung des BGH offenbleiben, da das beklagte Unternehmen angeboten hat, die „Überprüfung der Verträge auf eine Rückabwicklungsmöglichkeit“ vorzunehmen. Das kann auch nach der Rechtsauffassung des BGH nur so verstanden werden, dass die Beklagte eine entsprechende (außergerichtliche) Überprüfung der Versicherungsverträge im Interesse der Kunden auf die Möglichkeit einer Rückabwicklung – z.B. wegen eines noch bestehenden Widerspruchs- bzw. Widerrufsrechts (vgl. § 5 a VVG a. F. Und §§ 8, 9 VVH) – auch tatsächlich anbietet.
Rechtstipp: Wenn sich, wie in diesem Fall, das Beratungsangebot unmittelbar aus der Werbung eines Unternehmens ergibt, dann besteht ein Wettbewerbsverhältnis.
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