BAG: Entscheidungsgründe zur Zeiterfassung

Guido Kluck, LL.M. | 8. Dezember 2022

Mittlerweile liegen die Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeiterfassung vor. Darauf haben Juristen und Arbeitgeber lange gewartet. In unserem Artikel „Ab sofort: Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung“ berichteten wir schon über das Urteil. 

Alles was Sie nun zu den Entscheidungsgründen wissen müssen, erfahren Sie in diesem Artikel!

Wenn trifft die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung und wie muss die Zeit erfasst werden? 

Die Antwort hierauf ist klar: Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung trifft den Arbeitgeber. Er muss die Zeit tatsächlich erfassen, das heißt den Beginn, die Dauer und das Ende der Arbeitszeit. Unser Tipp: Allein die Bereitstellung eines Zeiterfassungssystems genügt dieser Pflicht grundsätzlich nicht. Auch die pauschale Angabe, dass der Beschäftigte acht Stunden gearbeitet und 30 Minuten Pause gemacht hat, reicht nicht.

Ab wann müssen Arbeitgeber handeln?

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bestand schon immer, so das Bundesarbeitsgericht. Es ist vielmehr so, dass Deutschland die europäischen Vorgaben bis jetzt nicht umgesetzt hat. Der Clou: Deswegen bedarf es in Deutschland auch keiner Gesetzesänderung, da die Pflicht unmittelbar aus den Regelungen zum Arbeitsschutz entspringen. 

Arbeitszeiten müssen überprüfbar sein

Die Entscheidungsgründe des BVerwG machen es deutlich: Ein Zeiterfassungssystem muss ein „objektives, verlässliches und zugängliches System“ sein. Es muss also nicht unbedingt ein elektronisches System sein. Natürlich kann das zur Arbeitserleichtung empfehlenswert sein.

Rechtstipp: Die Zeiterfassung muss nicht durch den Arbeitgeber erfolgen. Er kann diese Aufgabe vielmehr an die Arbeitnehmer übertragen, die dann selbstständig ihre Arbeitszeit in einem objektiven, verlässlichen und zugänglichen System erfassen. Der Arbeitgeber muss lediglich überprüfen, ob die Arbeitszeit dokumentiert wird.

Europakonforme Auslegung des Arbeitsschutzgesetzes

Die Richter legten § 3 Abs. 3 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz europakonform aus, wonach ein Arbeitgeber ohnehin verpflichtet ist, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen. 

So der deutsche Wortlaut der Norm: „ (1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben. (2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten 1. für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie 2. Vorkehrungen zu treffen, dass die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.

Bei der Ausgestaltung des Zeiterfassungssystems darf der Betriebsrat mitreden 

Der Betriebsrat hat bezüglich des Zeiterfassungssystems ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Betriebsverfassungsrecht (BetrVG). Da die Zeiterfassung aber eine gesetzliche Pflicht ist, darf er nicht über das „ob“ der Zeiterfassung mitbestimmen. 

Was droht eigentlich bei Verstößen?

Bei Verstößen gegen die Arbeitszeiterfassung droht aktuell keine unmittelbare Geldbuße an den Arbeitgeber. Das kann anders sein, wenn eine konkrete Anordnung der Behörde vorliegt (vgl. § 22 III ArbSchG). Da der Gesetzgeber bis jetzt noch keine Sanktion in das Arbeitsschutzgesetz eingebracht hat, müssen Arbeitgeber noch keine Geldbußen befürchten. Das kann sich aber in Zukunft ändern. 

Fazit 

In einem Urteil des EuGH vom 14.05.20219 (Az. C-55/18) machten die zuständigen Richter schon deutlich, dass der Arbeitsschutz nur gewährleistet ist, wenn die Arbeitgeber die Arbeitszeit erfassen. Deutschland hielt sich bisher hingehen nicht an die Regelung zum Arbeitsschutz. Bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 II Nr. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen.

Rechtstipp: Laut EuGH müssen die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, um die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit zu erfassen.

Für Arbeitnehmer ist die Arbeitszeiterfassung, ein objektives und verlässliches Mittel, um die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit festzuhalten. Dadurch kann man die wöchentliche Höchstarbeitszeit, die Überstunden sowie die täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten besser eingehalten. 

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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