Wann arbeiten wir eigentlich?

Guido Kluck, LL.M. | 28. Juni 2023

Die Frage stellt sich vor allem für Remote-Worker und in Bezug auf die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung – wann arbeiten wir eigentlich? Auf unserem Blog erfahren Sie, wann „arbeiten“ rechtlich beginnt und wo der Gesetzgeber nachbessern muss! 

Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG)

Im Jahr 2019 leitete der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner CCOO-Entscheidung eine Pflicht zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit aus der Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) her. Zunächst sahen sich die deutschen Arbeitgeber nicht angesprochen. Das änderte sich jedoch schnell, als das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Beschluss vom 13.9.2022 (Az. 1 ABR 22/21) die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung (sog. „Stechuhr“-Entscheidung) gerichtlich feststellte. 

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Arbeitszeiterfassung ist Pflicht

Die Richter urteilten, die Unternehmen müssen die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch erfassen. Nach Auffassung des BAG, können auch die Beschäftigten ein ­Interesse an der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung und von „mehr Kontrolle“ haben, gerade wenn es um die genaue Dokumentation von Arbeitszeit und Überstunden gehe. Demnach kann Gefahren in der Praxis wie unbezahlten Überstunden, Verletzung von Ruhepausen oder Kappung von Arbeitszeitguthaben nur entgegen­gewirkt werden, wenn ein objektives System zum Einsatz kommt. Daher ist es grundsätzlich positiv für Arbeitnehmer zu werten und soll ausschließlich dem Schutz der Beschäftigten dienen. Lesen Sie hier mehr zu diesem Thema.

Der juristische Begriff „arbeiten“

Ein Blick in § 2 ArbZG definiert die Arbeitszeit als “Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen”. Nach Art.  2 Abs. 1 Arbeitszeitrichtlinie ist Arbeit jede Zeitspanne, in der ein Arbeitnehmer arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Soviel also zur Legaldefinition des Gesetzgebers, doch wann arbeiten wir nun eigentlich? 

Subjektivität von Arbeit – von Büroarbeit bis Geschäftsessen

Arbeiten kann jedoch sehr subjektiv empfunden werden. Natürlich würde jeder im Büro, oder im Krankenhaus sagen, dass er arbeitet, wenn er sich in Ausübung seines Berufes am Arbeitsplatz aufhält. Jedoch können auch Geschäftsessen und das Akquirieren von Kunden „Arbeit“ sein. Ebenso steht es um Telefonate, die man in Bezug auf seine Arbeitstätigkeit ausführt.


Rufbereitschaft – Freizeit gestaltbar?

Auch in Bezug auf Rufbereitschaft gibt es Uneinigkeiten. Der EuGH nimmt in neueren Entscheidungen, hier insbesondere zum Thema Rufbereitschaft eine Einzelfallbetrachtung vor und fragt untersucht immer, ob in der jeweiligen Zeitpanne die Freizeit nach den eigenen Wünschen gestaltet werden kann (EuGH, 9.3.2021 – C-344/19).

Klare Abgrenzungskriterien fehlen 

Leider ist auch in Anbetracht der vielen Gerichtsentscheidungen, auf deutscher aber auch europäischer Ebene, weiterhin zu viel Spielraum, wenn es um die Abgrenzung von Arbeit und Freizeit geht. Hier muss der Gesetzgeber zeitnah nachbessern, da sich die Arbeitswelt immer flexibler gestaltet. Das bringt viele Vorteile, aber eben auch Nachteile, die vor allem der Arbeitnehmer trägt. 

Bußgeldrisiken für Arbeitgeber 

Bei Verstößen gegen die Arbeitszeiterfassung droht aktuell keine unmittelbare Geldbuße an den Arbeitgeber. Das kann anders sein, wenn eine konkrete Anordnung der Behörde vorliegt (vgl. § 22 III ArbSchG). Da der Gesetzgeber bis jetzt noch keine Sanktion in das Arbeitsschutzgesetz eingebracht hat, müssen Arbeitgeber noch keine Geldbußen befürchten. Das kann sich aber in Zukunft ändern. 

Fazit 

Die Richter legten § 3 Abs. 3 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz europakonform aus, wonach ein Arbeitgeber ohnehin verpflichtet ist, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen. 

Der EuGH definiert den Zweck der Arbeitszeitrichtlinie so, wie es dem § 1 Nr. 1 ArbZG auch entspricht, als Mindestvorschrift zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer. Die Arbeitszeit ist demnach auch jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Bei der unionsrechtlichen maßgeblichen Arbeitszeit, geht es bei der Abgrenzung zur Ruhezeit um die objektive Unmöglichkeit eines Arbeitnehmers, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen. Dies ist vollumfänglich schützenswert.

Rechtstipp: Wenn keine Arbeitszeit i.S.d Arbeitszeitrichtlinie vorliegt, handelt es sich stets um eine Ruhezeit, die ihrerseits allerdings dem Schutz der ArbSchRL unterliegt.

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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