BGH-Entscheidung zum Facebook-Leak: Was Betroffene über ihren Schadensersatzanspruch wissen müssen

Guido Kluck, LL.M. | 27. November 2024

Ein bahnbrechendes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) könnte wegweisend für den Datenschutz in Deutschland sein. Es geht um Millionen von Facebook-Nutzern, deren personenbezogene Daten durch ein sogenanntes Scraping-Tool kompromittiert wurden. Der BGH hat entschieden, dass den Betroffenen ein Schadensersatzanspruch zusteht.

In diesem Blogartikel erklären wir den zugrunde liegenden Sachverhalt, die Entscheidung des Gerichts und deren Auswirkungen auf die Praxis. Dabei beleuchten wir, wie Unternehmen und Verbraucher sich zukünftig vor ähnlichen Vorfällen schützen können.


Der Sachverhalt: Facebook-Datenleck und Scraping

Im Jahr 2019 wurden die persönlichen Daten von etwa 533 Millionen Facebook-Nutzern durch ein massives Datenleck öffentlich zugänglich gemacht. Diese Daten wurden nicht durch einen klassischen Hackerangriff gestohlen, sondern mittels Scraping erfasst. Scraping beschreibt die automatisierte Sammlung von öffentlich zugänglichen Informationen – in diesem Fall wurden Daten wie Namen, Telefonnummern und Geburtsdaten über Schwachstellen in der Plattform abgegriffen.

Facebook behauptete, die Sicherheitslücken umgehend geschlossen zu haben. Dennoch wurden die kompromittierten Informationen später in einschlägigen Internetforen gefunden. Betroffene Nutzer klagten, da ihre Privatsphäre massiv verletzt wurde und sie potenziellen Risiken wie Identitätsdiebstahl ausgesetzt waren.

Die rechtliche Ausgangslage

Das Verfahren erreichte den Bundesgerichtshof (BGH) im Rahmen eines sogenannten Leitentscheidungsverfahrens (Az. VI ZR 1024/23). Solche Verfahren sollen für Klarheit bei grundsätzlichen rechtlichen Fragen sorgen. Im Kern ging es um die Anwendung des Art. 82 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), der einen Schadensersatzanspruch bei Datenschutzverletzungen regelt.

Ein zentraler Streitpunkt war die Frage, ob bereits der bloße Verlust personenbezogener Daten einen Schadensersatzanspruch begründet – oder ob Betroffene konkrete Nachteile wie finanzielle Verluste nachweisen müssen.


Die Entscheidung des BGH

Der BGH urteilte, dass ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO nicht zwingend den Nachweis eines konkreten Schadens voraussetzt. Bereits die Tatsache, dass personenbezogene Daten unrechtmäßig verarbeitet oder offengelegt wurden, begründet eine immaterielle Beeinträchtigung. Diese Beeinträchtigung reicht aus, um einen Ersatzanspruch zu rechtfertigen.

Das Gericht stellte außerdem fest, dass Facebook seiner Verantwortung als Plattformbetreiber nicht gerecht wurde. Die Nutzung der bekannten Scraping-Technologie hätte durch geeignete Sicherheitsvorkehrungen verhindert werden können. Zudem betonte der BGH die besondere Schutzbedürftigkeit der Nutzer, da diese oftmals keine Kontrolle über die Verarbeitung ihrer Daten haben.


Die Folgen der Entscheidung für Betroffene

Das Urteil erleichtert es Betroffenen von Datenschutzverletzungen, Schadensersatz geltend zu machen. Es ist nicht mehr erforderlich, einen konkreten materiellen Schaden wie finanzielle Verluste oder Betrugsfälle nachzuweisen. Stattdessen wird der Fokus auf die immaterielle Belastung gelegt, die durch den Verlust der Datenhoheit entsteht.

Bereits nach dem Urteil haben Verbraucherorganisationen reagiert und Musterschreiben für Schadensersatzforderungen veröffentlicht. Betroffene sollten folgende Schritte beachten:

  1. Prüfen, ob die eigenen Daten betroffen sind: Online-Tools und Verbraucherzentralen bieten Möglichkeiten, dies zu überprüfen.
  2. Schadensersatzforderung stellen: Ein gut formuliertes Schreiben an Facebook kann den Anspruch geltend machen. Dabei sollten Betroffene auf das BGH-Urteil und Art. 82 DSGVO verweisen.
  3. Juristische Beratung einholen: Bei Ablehnung der Forderung oder komplexeren Fällen können Rechtsanwälte Unterstützung bieten.

Konsequenzen für Unternehmen

Die Entscheidung hat auch erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen. Plattformbetreiber und andere datenverarbeitende Unternehmen müssen ihre Sicherheitsstandards überprüfen und anpassen. Folgende Aspekte sind besonders relevant:

  • Technische und organisatorische Maßnahmen: Systeme müssen vor Scraping und anderen Angriffsmethoden geschützt werden. Dies umfasst unter anderem Captcha-Systeme, IP-Blockaden und automatisierte Erkennung von verdächtigem Verhalten.
  • Datenschutz-Compliance: Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie die Vorgaben der DSGVO in vollem Umfang erfüllen. Hierzu gehört auch die proaktive Information von Nutzern über Datenschutzvorfälle.
  • Haftungsrisiko minimieren: Der Fall zeigt, dass Gerichte Unternehmen in die Pflicht nehmen, angemessene Schutzmaßnahmen umzusetzen. Die Nichtbeachtung kann zu erheblichen Schadensersatzforderungen führen.

Fazit

Die Entscheidung des BGH im Fall des Facebook-Datenlecks ist ein Meilenstein im deutschen Datenschutzrecht. Sie stärkt die Rechte von Betroffenen und setzt klare Maßstäbe für den Umgang mit personenbezogenen Daten. Für Verbraucher bedeutet dies einen verbesserten Schutz und einfacheren Zugang zu Schadensersatz. Unternehmen hingegen stehen vor der Aufgabe, ihre Datenschutzstandards nachhaltig zu verbessern.

Mit dem Urteil wird deutlich, dass Datenschutz kein Nebenschauplatz, sondern ein zentrales Thema moderner Unternehmensführung ist. Wer den Schutz personenbezogener Daten vernachlässigt, riskiert nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern auch den Verlust von Vertrauen und Reputation.

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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