BAG-Urteil: Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO bei verweigerter Auskunft – Grenzen und Möglichkeiten

Guido Kluck, LL.M. | 13. November 2024

Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Juni 2024 entschieden hat, können Arbeitnehmer nicht allein aufgrund von Befürchtungen oder Spannungen einen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO geltend machen. Diese Entscheidung wirft ein neues Licht auf den Missbrauch von Auskunftsansprüchen als Druckmittel und gibt Arbeitgebern wichtige Argumentationshilfen.

In diesem Artikel erklären wir den zugrunde liegenden Sachverhalt, die wesentlichen Punkte des Urteils und dessen Auswirkungen auf die Praxis.


Der Ausgangspunkt: Die Rolle des Art. 15 DSGVO

Art. 15 DSGVO gibt Betroffenen das Recht, Auskunft über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu verlangen. Dieses Recht dient der Transparenz und soll Betroffenen die Kontrolle über ihre Daten erleichtern. In der arbeitsrechtlichen Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass dieser Auskunftsanspruch zunehmend als Druckmittel in anderen Streitigkeiten genutzt wird.

Im konkreten Fall (Az. 8 AZR 124/23) hatte ein Arbeitnehmer von seinem ehemaligen Arbeitgeber umfassende Auskunft über gespeicherte personenbezogene Daten verlangt. Als dieser der Aufforderung nicht im geforderten Umfang nachkam, forderte der Arbeitnehmer Schadensersatz wegen immaterieller Beeinträchtigung nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO.


Die Entscheidung des BAG

Das BAG urteilte, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Schadensersatz hat. Dabei stellte das Gericht mehrere wichtige Grundsätze klar:

  1. Keine pauschalen Ansprüche: Ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO setzt voraus, dass ein konkreter Schaden nachweisbar ist. Das bloße Gefühl von Unsicherheit oder Unzufriedenheit aufgrund verweigerter Auskünfte reicht nicht aus.
  2. Erfordernis eines nachweisbaren Schadens: Immaterielle Schäden müssen nachvollziehbar und objektiv darstellbar sein. Subjektive Empfindungen wie „Befürchtungen“ oder „Spannungen“ stellen keinen ersatzfähigen Schaden dar.
  3. Relevanz der Verhältnismäßigkeit: Die DSGVO zielt darauf ab, einen Ausgleich bei tatsächlichen Datenschutzverletzungen zu schaffen. Die Bagatellisierung von Schadensersatzansprüchen widerspricht diesem Grundgedanken.

Das Gericht betonte zudem, dass der Arbeitgeber nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt habe. Die Abwägung führte zu dem Ergebnis, dass kein ersatzfähiger Schaden vorlag.


Auswirkungen auf die arbeitsrechtliche Praxis

Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Während es einerseits den Missbrauch von Auskunftsansprüchen eindämmt, schafft es andererseits Rechtssicherheit für Unternehmen:

  • Grenzen für immateriellen Schadensersatz: Arbeitnehmer müssen nachweisen, dass eine Datenschutzverletzung tatsächlich zu einem immateriellen Schaden geführt hat. Arbeitgeber können sich auf diesen Nachweis berufen, um unberechtigte Forderungen abzuwehren.
  • Compliance-Maßnahmen bleiben entscheidend: Auch wenn das Urteil den Missbrauch von Auskunftsansprüchen einschränkt, bleiben Unternehmen verpflichtet, datenschutzrechtliche Vorschriften strikt einzuhalten. Unvollständige oder fehlerhafte Antworten können nach wie vor rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
  • Abwägung zwischen Anspruch und Zumutbarkeit: Arbeitgeber sollten interne Prozesse schaffen, um berechtigte Auskunftsansprüche effizient und vollständig zu bearbeiten. Gleichzeitig sollten sie sich gegen unverhältnismäßige Forderungen schützen.

Was bedeutet das Urteil für Arbeitnehmer?

Für Arbeitnehmer ist die Entscheidung ein Signal, Auskunftsansprüche verantwortungsvoll zu nutzen. Das Recht auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO bleibt ein wichtiges Instrument, um Transparenz einzufordern. Die Schwelle für einen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO wurde jedoch höher gesetzt. Arbeitnehmer sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie konkrete Nachweise für immaterielle Schäden erbringen müssen.


Fazit

Das Urteil des BAG vom 20. Juni 2024 ist ein Meilenstein für das datenschutzrechtliche Schadensersatzrecht im Arbeitsverhältnis. Es schafft Klarheit darüber, dass immaterielle Schadensersatzansprüche nicht auf vagen Befürchtungen oder Spannungen beruhen können. Für Arbeitgeber bedeutet dies mehr Rechtssicherheit, während Arbeitnehmer weiterhin die Möglichkeit haben, bei nachweisbaren Datenschutzverletzungen Ansprüche geltend zu machen.

Die Entscheidung zeigt, dass ein ausgewogener Umgang mit Auskunftsansprüchen und Schadensersatzforderungen im Rahmen der DSGVO unerlässlich ist. Transparenz, Sorgfalt und eine professionelle Kommunikation zwischen den Parteien bleiben die Schlüssel für eine rechtssichere Zusammenarbeit.

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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