Werden Werke zukünftig schneller durch das Urheberrecht geschützt?

Guido Kluck, LL.M. | 7. Oktober 2009

Damit ein Werk urheberrechtlichen Schutz genießen kann muss es sich um ein geschütztes Werk im Sinne von §2 UrhG handeln. Dabei werden vom deutschen Urhebergesetz verschiedene Anforderungen gestellt damit einem Werk auch die notwendige Werksqualität zugesprochen wird.

Zu diesen Voraussetzungen gehören im Sinne des § 2 Abs.2 UrhG

  1. Ergebnis eines Schaffensprozesses
  2. Wahrnehmbare Form
  3. Individualität des Werkes
  4. Gestaltungshöhe

Nach deutschem Recht muss ein urheberrechtlich geschütztes Werk eine gewisse Gestaltungshöhe besitzen. Das Merkmal der Gestaltungshöhe bezieht sich auf den Grad der Individualität, den ein geistiges Erzeugnis besitzen muss, um eine persönliche geistige Schöpfung nach § 2 Abs.2 UrhG zu sein. Hierbei handelt es sich um den quantitativen Gesichtspunkt der Individualität des Werkes.

Da das Merkmal der Individualität allerdings im ersten Schritt nicht mehr besagt, als das ein Produkt überhaupt Individalität aufweist bedarf es des weiteren Kriteriums der Gestaltungshöhe, um einen bestimmten Mindestgrad an Individualität als Voraussetzung für den Urheberrechtsschutz festzulegen. Sie sind für den Urheberrechtsschutz bestimmend, da es um die Feststellung geht, welche schöpferische Leistung in den Urheberrechtsschutz mit einbezogen werden und welche nicht.

Dabei sind im deutschen Recht die Anforderungen an das Maß der Gestaltungshöhe umstritten. Würde man die Schutzhöhe sehr niedrig ansetzen bedeutete dies eine Ausuferung der Anzahl der urheberrechtlich geschützten Werke. Hierdurch wird eine Schwächung des Urheberrechtsschutzes befürchtet. Die Rechtsprechung argumentiert dahingehend, dass aufgrund der langen Schutzdauer im deutschen Urheberrecht ein nicht zu geringer Grad von der Gestaltungshöhe zu verlangen ist. Das urheberrechtlich geschützte Werk muss daher eine erheblich individuelle Prägung besitzen ohne dass hiervon nur herausragende Werke durch das Urheberrecht geschützt werden.

Dieser relativ hohe deutsche Standard könnte nun durch den EuGH aufgeweicht worden sein. Denn der Europäische Gerichtshof hat in seiner Infopaq-Entscheidung (Az.: C-5/08 – Infopaq) einen einheitlichen (niedrigeren) Schutzstandard postuliert. Gegenstand dieser Entscheidung war die Datenerfassung durch das Einscannen von Zeitungsartikeln, welche anschließend automatisiert nach bestimmten Wörtern durchsucht werden. Wird ein solcher definierter Begriff gefunden werden die fünf Wörter vor und die fünf Wörter nach diesem Begriff im Kontext herausgefiltert und ausgedruckt.

Der EuGH hat hierzu nun entschieden, dass eine Handlung, die im Laufe eines Datenerfassungsverfahrens vorgenommen wird, und die darin besteht, einen aus elf Wörtern bestehenden Auszug eines geschützten Werkes zu speichern und auszudrucken, unter den Begriff der teilweisen Vervielfältigung im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft fallen kann, wenn die so wiedergegebenen Bestandteile – was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist – die eigene geistige Schöpfung durch den Urheber zum Ausdruck bringen. Denn nach Ansicht des EuGH muss der Schutz im Sinne des Art. 2 der Richtlinie 2001/29 weitreichend sein.

Der EuGH hat darüber hinaus angenommen, dass Infopaq mit der letzten Vervielfältigungshandlung in Form des Ausdruckens des Datenerfassungsverfahrens eine Vervielfältigung außerhalb des Informatikbereichs vorgenommen hat. Das Ausdrucken eines aus elf Wörtern bestehenden Auszugs, der im Laufe eines Datenerfassungsverfahrens wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen erfolgt, erfüllt nach Ansicht des EuGH jedoch nicht die Voraussetzung der Flüchtigkeit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29, und daher darf dieses Verfahren nicht ohne die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte durchgeführt werden.

Der Europäische Gerichtshof legt somit, anders als die deutsche Rechtsprechung, wesentlich weniger Anforderungen an die Gestaltungshöhe. Das Gericht folgert diese Entscheidung aus Art. 2 Buchstabe a) der Richtlinie 2001/29. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 bestimmt unter Buchstabe a), dass die Mitgliedstaaten für Urheber in Bezug auf ihre Werke das ausschließliche Recht haben, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten.

Unter diesen Umständen kann das Urheberrecht im Sinne des Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 nur in Bezug auf ein Schutzobjekt angewandt werden, bei dem es sich um ein Original in dem Sinne handelt, dass es eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt.

Nichts in der Richtlinie 2001/29, so die Ansicht des EuGH, oder in einer anderen maßgeblichen Richtlinie deutet darauf hin, dass die Teile eines Werkes einer anderen Regelung unterliegen als das Gesamtwerk. Folglich sind sie urheberrechtlich geschützt, da sie als solche an der Originalität des Gesamtwerks teilhaben. Daher  sind die verschiedenen Teile eines Werkes unter der Voraussetzung, dass sie bestimmte Elemente enthalten, die die eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers zum Ausdruck bringen, nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 geschützt.

In Bezug auf den Umfang eines solchen Schutzes des Werkes geht aus den Erwägungsgründen 9 bis 11 der Richtlinie 2001/29 hervor, dass das Hauptziel der Richtlinie darin besteht, ein hohes Schutzniveau u. a. zugunsten der Urheber sicherzustellen und diesen eine angemessene Vergütung für die Nutzung einschließlich der Vervielfältigung ihrer Werke zu ermöglichen, damit sie weiterhin schöpferisch und kreativ tätig sein können.

Für den Urheberrechtsschutz nach deutschem Recht könnte sich hieraus nun ergeben, dass auch in Deutschland ein Urheberrechtsschutz schon dann besteht, wenn für den Teil eines Werkes nach bisheriger Ansicht die Schöpfungshöhe noch nicht überschritten ist. Der Grund liegt darin, dass auch Deutschland die Artikel 1 bis 21 der Berner Übereinkunft (1971) und den Anhang dazu genehmigt hat.

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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