LG Berlin: Einstweilige Verfügung trotz Einstellung des abgemahnten Verhaltens

Guido Kluck, LL.M. | 30. Dezember 2012

Landgericht Berlin

Beschluss

In dem Rechtsstreit

wird im Wege der einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935 ff., 91 ZPO beschlossen:

1. Es wird festgestellt, dass sich das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erledigt hat.

2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Verfahrenswert wird auf 48.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Nach dem Stand der Darlegung und Glaubhaftmachungen ist von folgendem Sachverhalt auszugehen: Die Antragstellerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an den im Antrag wiedergegebenen 24 Fotografien von Kosmetikartikeln. Der Antragsgegner hat diese Fotografien auf der von ihm betriebenen Internetseite […] wiedergegeben, ohne über die erforderlichen Nutzungsrechte zu verfügen. Der Antragsgegner ist Domaininhaber und Admin-C für diese Internetseite, deren Impressum keine Impressumsangaben enthält.

Die Antragstellerin hat den Antragsgegner am 23. August 2012 mit einer Frist zum 31. August 2012 fruchtlos auf Unterlassung abgemahnt. Sie hat am 18. September 2012 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht mit dem Begehren, es dem Antragsgegner zu untersagen, die 24 im Antrag wiedergegebenen Fotos über das Internet öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen. Der Antragsgegner hat am 5. Oktober 2012 eine Unterlassungserklärung abgegeben. Die Antragstellerin hat daraufhin die Erledigung erklärt und auf den Widerspruch des Antragsgegner beantragt, die Erledigung festzustellen. Es war daher im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens noch zu entscheiden, ob die Erledigung des Erlassantrages festzustellen ist. Das ist der Fall, denn ohne die zwischenzeitliche Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung, die erst die Wiederholungsgefahr hat entfallen lassen, wäre die einstweilige Verfügung antragsgemäß zu erlassen gewesen.

Das beanstandete Verhalten des Antragsgegners löst einen Unterlassungsanspruch aus §§ 97 Abs. 131 i. V. m. 2 Abs. 1 Nr. 572 Abs. 1, 15, 19 a UrhG aus, wobei offen bleiben kann, ob es sich um Lichtbildwerke oder um Lichtbilder handelt. Der Antragsgegner hat die fraglichen Fotos auf der von ihm betriebenen Internetseite öffentlich zugänglich gemacht, ohne hierzu berechtigt zu sein, und damit das ausschließliche Nutzungsrecht der Antragstellerin aus § 19 a UrhG verletzt.

Die für den Unterlassungsanspruch als Voraussetzung erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich aus dem Verletzungsgeschehen. Die Wiederholungsgefahr wurde nicht dadurch ausgeräumt, dass der Antragsgegner seinen Internetauftritt auf einen Wartungshinweis beschränkt, weil dieser Inhalt jederzeit wieder geändert werden kann. Der Antragsgegner kann auch nicht damit gehört werden, er betreibe keinen Internethandel mehr, denn er hat noch bei Abgabe der Unterlassungserklärung erklärt, seine Aufmerksamkeit ungeschmälert seiner geschäftlichen Tätigkeit widmen zu wollen. Erforderlich war eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, die der Antragsgegner erst nach Ablauf der ihm gesetzten Reaktionsfrist und nach Rechtshängigkeit des Erlassantrages abgegeben hat.

Die Entscheidung über den mit dem Antrag verfolgten Unterlassungsanspruch war objektiv dringlich, da die Antragstellerin grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden kann, mit der Sicherung des ihr zustehenden Unterlassungsanspruches bis zur Durchführung eines Hauptsacheverfahrens zuzuwarten, solange mit einer fortdauernden oder wiederholten Rechtsverletzung und damit mit einer Vertiefung des Eingriffs in die ihr zustehende Rechtsposition zu rechnen ist. Davon war hier trotz der Veränderung des Webseiteninhalts zu rechnen. Der Antragsgegner hat auf die Abmahnung nicht geantwortet und insbesondere keine Unterlassungserklärung abgegeben. Dieses Verhalten ließ nicht erkennen, dass er ernsthaft beabsichtigte, die Antragstellerin klaglos zu stellen. Bei dieser Sachlage musste die Antragstellerin ohne weiteres damit rechnen, dass der Antragsgegner die Nutzung der Fotos jederzeit wieder aufnehmen und damit die bereits geschehene Beeinträchtigung ihrer Rechtsposition vertiefen könnte.

Droht dem Urheber- bzw. Nutzungsrechtsinhaber in der Zeit zwischen dem Erlass einer einstweiligen Verfügung und einer Hauptsacheentscheidung, dass sein Urheberrecht erneut verletzt wird, so ist dieser Nachteil für sich genommen irreparabel. Dass durch die später ergehende Hauptsacheentscheidung eine weitere Rechtsverletzung mit Wirkung ex tunc untersagt werden kann, macht nicht ungeschehen, dass in der Zeit bis zu einer solchen Entscheidung ein Verbot der Rechtsverletzung fehlt, und der Verletzte in dieser Zeit daher Rechtsverstößen weiterhin ausgesetzt ist, ohne diese effektiv verfolgen zu können. Ein wirksamer Schutz der ihm zustehenden Rechtsposition ist aus der Sicht des Rechtsinhabers daher regelmäßig nur durch ein kurzfristig erwirktes Unterlassungsgebot zu erreichen. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass ein Verstoß gegen das Urheberrecht möglicherweise nachträglich nach dem Grundsatz »dulde und liquidiere« durch Schadensersatzzahlungen ausgeglichen werden kann. Denn abgesehen davon, dass dem Primärrechtsschutz absolut geschützter Rechtspositionen Vorrang einzuräumen ist, ist auch ein Streit hierüber vorprogrammiert, wenn sich der Anspruchsgegner auf den Standpunkt stellt, dass ihn der Unterlassungsgläubiger zu Unrecht in Anspruch nimmt. Es liefe daher dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes zuwider, den Unterlassungsgläubiger bereits dann auf den Weg der Hauptsacheklage zu verweisen, wenn der Gegner das beanstandete Verhalten zwar eingestellt hat, gleichzeitig aber keine hinreichende Gewähr für die Fortdauer dieses Zustandes bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache besteht.

Durch die nachträgliche Abgabe der Unterlassungserklärung hat sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erledigt. Das Gericht hätte nach dem maßgeblichen Sachstand keine Notwendigkeit gesehen, über den Erlass der einstvveiligen Verfügung mündlich zu verhandeln. Daran ändert sich nichts, nachdem sich der Streit in der Sache erledigt hat und es nur noch um die Kosten geht. Die Erledigung war daher gemäß §§ 936922 Abs. 1 S. 1 Fall 2 ZPO im Beschlusswege festzustellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Der festgesetzte Verfahrenswert entspricht zwei Dritteln des Wertes der Hauptsache (vgl. KG WRP 2005, 368, 369). Die Kammer geht bei der Festsetzung von einem Hauptsache-Verfahrenswert von 3.000,00 € je Foto aus.

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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