AGB-Recht: Ausschluss der Gewährleistung in AGB „soweit das gesetzlich zulässig ist“?
Die Unwirksamkeit einer AGB-Klausel, die jegliche Gewährleistung in einem Kaufvertrag ausschließt, […]
Bundesgerichtshof
Beschluss
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Dezember 2011 durch … beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des 29. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 18. März 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I. Die Anmelderin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Eintragung der Wortmarke
Link economy
für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 41 begehrt.
Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen eines Freihaltebedürfnisses für folgende Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen:
Klasse 16:
Druckereierzeugnisse, Druckschriften, Zeitschriften, Zeitungen, Bücher; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);
Klasse 35:
Werbung, insbesondere Fernsehwerbung, Onlinewerbung in einem Computernetzwerk, Rundfunkwerbung, Versandwerbung, Plakatanschlagwerbung, Print- und Internetwerbung; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Vermietung von Werbeflächen im Internet; Marketing für Dritte in digitalen Netzen (Webvertising); Marktforschung und -analyse; Werbung im Internet für Dritte; Planung und Gestaltung von Werbemaßnahmen, Marketing; Telemarketing; Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien; Verteilen von Waren zu Werbezwecken; Verkaufsförderung; Öffentlichkeitsarbeit; Durchführung von Werbeveranstaltungen; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken; E-Commerce-Dienstleistungen, nämlich Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung; Durchführung von Auktionen und Versteigerungen auch im Internet; Vermietung von Werbeflächen (Bannerexchange); Vermittlung von Verträgen über den An- und Verkauf von Waren für Dritte; Vermittlung von Verträgen über die Inanspruchnahme von Dienstleistungen für Dritte, soweit in Klasse 35 enthalten; Vorführung von Waren für Werbezwecke; Waren- und Dienstleistungspräsentationen;
Klasse 41:
Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen (ausgenommen für Werbezwecke), insbesondere von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, sowie von Lehr- und Informationsmaterial, jeweils einschließlich gespeicherter Ton- und Bildinformationen, auch in elektronischer Form und auch im Internet; Online-Publikationen, insbesondere von elektronischen Büchern und Zeitschriften (nicht herunterladbar); Durchführung von Schulungsveranstaltungen, Bildungsveranstaltungen, soweit in Klasse 41 enthalten; Organisation und Veranstaltung von Konferenzen, Kongressen und Symposien.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben (BPatG, Beschluss vom 18. März 2009 – 29 W (pat) 72/06, juris).
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren weiter.
II.
Das Bundespatentgericht hat angenommen, der angemeldeten Marke fehle für die genannten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Dazu hat es ausgeführt:
Der Wortkombination „Link economy” sei ein verständlicher Sinngehalt zu entnehmen. „Link” sei das englische Wort für Verbindung oder verbinden. Unter Link werde eine Verknüpfung auf einer Webseite mit einem anderen Dokument verstanden. Das englische Wort „economy” bedeute „Wirtschaft”, „Ökonomie” oder „Wirtschaftlichkeit”. Der Gesamtbegriff „Link economy” könne als Wirtschaftlichkeit einer Verlinkung im Internet gedeutet und als Wert einer Internetseite verstanden werden. Der Sinngehalt werde vom Verkehr erfasst. Bei den in Rede stehenden Waren der Klasse 16 könne die Wortfolge deren Inhalt bezeichnen. Zu den beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 weise sie einen engen Sachbezug auf. Für die Dienstleistungen der Klasse 41 sei die Wortfolge „Link economy” eine thematische Angabe.
III.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Beurteilung des Bundespatentgerichts, die angemeldete Wortfolge „Link economy” sei nicht unterscheidungskräftig, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1.
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und die Waren oder Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – C-398/08, GRUR 2010, 228 Rn. 33 = WRP 2010, 364 – Audi [Vorsprung durch Technik]; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 – I ZB 88/07, GRUR 2010, 138 Rn. 23 = WRP 2010, 260 – ROCHER-Kugel). Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2008 – I ZB 48/08, GRUR 2009, 778 Rn. 11 = WRP 2009, 813 – Willkommen im Leben; Beschluss vom 24. Juni 2010 – I ZB 115/08, GRUR 2010, 1100 Rn. 10 = WRP 2010, 1504 TOOOR!). Die Unterscheidungskraft ist im Hinblick auf jede der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke Schutz beansprucht, gesondert zu beurteilen. Abzustellen ist auf die Anschauung des angesprochenen Verkehrs. Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen (EuGH, Urteil vom 8. Mai 2008 C-304/06, Slg. 2008, I-3297 = GRUR 2008, 608 Rn. 67 – EUROHYPO; BGH, Beschluss vom 15. Januar 2009 I ZB 30/06, GRUR 2009, 411 Rn. 8 = WRP 2009, 439 – STREETBALL).
2.
Das Bundespatentgericht hat angenommen, auch wenn die Wortfolge „Link economy” in allgemeinen und fachspezifischen Lexika der deutschen und englischen Sprache nicht nachweisbar sei, habe sie einen dem Verkehr verständlichen Sinngehalt. Unter „Link economy” sei die Wirtschaftlichkeit einer Verlinkung im Internet und damit der Wert einer Internetseite zu verstehen.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand. Das Bundespatentgericht hat zu hohe Anforderungen an das Vorliegen von Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gestellt.
a)
Kann einem Wortzeichen für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugerechnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH, GRUR 2009, 778 Rn. 11 – Willkommen im Leben; Beschluss vom 14. Januar 2010 – I ZB 32/09, GRUR 2010, 640 Rn. 13 = WRP 2010, 891 – hey!). Dieser großzügige Beurteilungsmaßstab gilt auch für Wortfolgen, an deren Unterscheidungskraft grundsätzlich keine strengeren Anforderungen als an andere Wortmarken zu stellen sind (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 – C-64/02, Slg. 2004, I-10031 = GRUR 2004, 1027 Rn. 32 und 44 – Erpo Möbelwerk [DAS PRINZIP DER BE-QUEMLICHKEIT]; EuGH, GRUR 2010, 228 Rn. 36 – Audi [Vorsprung durch Technik]; BGH, Beschluss vom 17. Mai 2001 – I ZB 60/98, GRUR 2001, 1043, 1044 f. = WRP 2001, 1202 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten; Beschluss vom 13. Juni 2002 – I ZB 1/00, GRUR 2002, 1070, 1071 = WRP 2002, 1281 – Bar jeder Vernunft). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Wortfolge lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen. Grundsätzlich nicht unterscheidungskräftig werden des Weiteren in der Regel längere Wortfolgen sein. Indizien für die Eignung, die Waren oder Dienstleistungen eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden, können dagegen Kürze, eine gewisse Originalität sowie die Prägnanz einer Wortfolge sein. Auch die Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit einer Wortfolge kann einen Anhaltspunkt für eine hinreichende Unterscheidungskraft bieten. Dabei dürfen die Anforderungen an die Eigenart im Rahmen der Bewertung nicht überspannt werden. Auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage kann nicht von vornherein die Eignung zur Produktidentifikation abgesprochen werden (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009 – I ZB 34/08,GRUR 2009, 949 Rn. 12 = WRP 2009, 963 – My World).
b)
Die Wortfolge „Link economy” weist entgegen der Annahme des Bundespatentgerichts für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 41 keine für den inländischen Verkehr auf der Hand liegende Beschreibung des Inhalts dieser Produkte und Dienstleistungen auf. Das Bundespatentgericht ist zu dem gegenteiligen Schluss nur dadurch gelangt, dass es einen denkbaren beschreibenden Gehalt in mehreren gedanklichen Schritten ermittelt hat. Eine derartige analysierende Betrachtungsweise im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens ist unzulässig, weil sich daraus keine in den Vordergrund drängende, für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres ersichtliche Beschreibung des Inhalts von Waren oder Dienstleistungen ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2000 I ZB 22/98, GRUR 2001, 162, 163 = WRP 2001, 35 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
aa)
Maßgeblich für das Verkehrsverständnis ist die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, weil die Waren und Dienstleistungen, die für die Marke hier beansprucht werden, für das allgemeine Publikum bestimmt sind (vgl. EuGH, Urteil vom 16. September 2004 – C-329/02, Slg. 2004, I-8317 = GRUR Int. 2005, 44 Rn. 24 – SAT 2; BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009 I ZB 52/08,GRUR 2009, 952 Rn. 9 = WRP 2009, 960 – DeutschlandCard).
Das Bundespatentgericht hat nicht festgestellt, dass die Bezeichnung „Link economy” eine gebräuchliche Bezeichnung oder Werbeaussage der deutschen oder einer im Inland bekannten Fremdsprache ist. Aus den zwei vom Bundespatentgericht ermittelten deutschsprachigen Internetseiten ist nichts dafür ersichtlich, dass die Wortfolge „Link economy” sich zu einer im Inland gebräuchlichen Bezeichnung entwickelt hat. Die Internetseiten sind auch nicht geeignet, das inländische Verkehrsverständnis zu prägen. Entsprechendes gilt für die vom Bundespatentgericht angeführten vier Internetseiten in englischer Sprache. Mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, dass nichts dafür festgestellt ist, dass sich diese Internetseiten an das deutsche Publikum richten und Einfluss auf das inländische Sprachverständnis haben.
bb)
Die Wortfolge „Link economy” weist auch keine ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfassbare beschreibende Bedeutung für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen auf.
Die englischen Begriffe „Link” für „Verbindung” oder „verbinden” oder als Kurzform für Hyperlink zur Bezeichnung der Verknüpfung auf einer Webseite mit einem anderen Dokument im Internet auf der einen und „economy” für „Wirtschaft”, „Ökonomie” oder „Wirtschaftlichkeit” auf der anderen Seite haben zwar eine je für sich, nicht aber in ihrer Kombination sich aufdrängende ohne weiteres ersichtliche beschreibende Bedeutung. Der vom Berufungsgericht als Grundbedeutung angesehene Sinngehalt von „Link economy” als „Wirtschaftlichkeit einer Verlinkung im Internet” ist nur eine der möglichen Interpretationen. Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass das Deutsche Patent- und Markenamt der Wortfolge andere, ebenfalls mögliche Bedeutungen beigelegt hat. Danach dient die Wortfolge zur Bezeichnung von Tätigkeiten im Internet und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung (Beanstandungsbescheid des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Februar 2006) oder zur Bezeichnung der Ökonomie von Links (Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. April 2006).
Das Bundespatentgericht hat zudem angenommen, der Verkehr werde die Bezeichnung „Link economy” als Wert einer Internetseite verstehen. Es hat dies ausgehend von der von ihm angenommenen Grundbedeutung „Wirtschaftlichkeit einer Verlinkung im Internet” daraus gefolgert, dass unter Berücksichtigung der Entwicklungen in der Werbewirtschaft „Link economy” die von dem Grad ihrer Verlinkung abhängende Wirtschaftlichkeit bezeichne, woraus sich dann die Bedeutung „Wert einer Internetseite” ergebe. Die Ableitung der Bedeutung von „Link economy” als Wert einer Internetseite in diesen gedanklichen Schritten ist keine auf der Hand liegende ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfassbare beschreibende Bedeutung.
3.
Die (konkrete) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG kann bei der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 41 nicht verneint werden. Die Wortfolge „Link economy” ist, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend macht, mehrdeutig und interpretationsbedürftig, ohne dass ein beschreibender Sinngehalt eindeutig im Vordergrund steht. Nach den Feststellungen des Deutschen Patent- und Markenamts und des Bundespatentgerichts kann die Wortfolge „Link economy” Tätigkeiten im Internet und ihre wirtschaftliche Bedeutung oder die Wirtschaftlichkeit von Links bezeichnen. Sie kann auch im Sinn von „Wirtschaftlichkeit einer Verlinkung im Internet” zu verstehen sein, die vom Grad der Verlinkung abhängende Wirtschaftlichkeit beschreiben oder den Wert einer Internetseite benennen. Die Wortfolge ist kurz und prägnant und weist für sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine gewisse Originalität auf. Aufgrund des mehrdeutigen Begriffsinhalts regt sie zum Nachdenken an. Dies führt bezogen auf die hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen dazu, dass nicht jede Unterscheidungskraft verneint werden kann.
IV.
Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG), das die offengebliebene Frage eines eventuellen Freihaltebedürfnisses (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) zu beantworten hat, zu der es bislang keine Feststellungen getroffen hat.
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 18.03.2009, Az. 29 W(pat) 72/06
Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).
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