.eu-Domains und der Brexit
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Seit einiger Zeit mehren sich die Diskussionen über die Quellensteuer auf Online-Werbung oder auch „Digitalsteuer“ in den Medien. Schaut man sich in der Online-Welt dazu um, findet man eine Vielzahl von Informationen – aber leider auch viele Fehlinformationen. Spricht man mit Unternehmern, so herrscht durch diese Diskussion wieder einmal Verunsicherung über den konkreten Inhalt der Diskussion und auch darüber, ob Unternehmer jetzt schon handeln müssen.
Um die Medienberichte hinsichtlich der „Digitalsteuer“ nachvollziehen zu können, bedarf es zunächst einer Erfassung der beteiligten Parteien. Aus diesem Grunde wird zunächst die aktuelle Situation dargestellt.
Google Ads, bis Juni 2018 “Google AdWords”, ist Googles SEA-System, mit dem der Konzern den Großteil seines Umsatzes erwirtschaftet. Unternehmer zahlen Geld dafür, dass ihre Werbeanzeigen bei Google erscheinen. Seine europäische Firmenzentrale hat Google in Irland, genauer gesagt in Dublin. „Google Ireland Ltd.“ heißt der Vertragspartner, wenn man auf und über Google werben will. Wenn Unternehmer ihre Werbung auf Google platzieren, erbringen sie mit der Werbekampagne eine sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 UStG) gegenüber Google Ireland Ltd., die aber nicht im Inland über § 1 Abs. 1 UStG der Umsatzsteuer unterfällt, sondern gemäß § 3a Abs. 2 UStG am Ort des Leistungsempfängers zu versteuern ist. Das nennt sich „Reverse-Change-Verfahren“, auf Deutsch: Steuerumkehrschuld und ist in § 13b UStG geregelt. Die Versteuerung erfolgt nicht wie sonst üblich durch den leistenden Unternehmer (Google), sondern am Standort des Leistungsempfängers also des Kunden in Deutschland. Diese Regelung gilt nur für Unternehmer. Allerdings erlaubt Google gar keine andere Form als ein Geschäftskonto für Werbekampagnen. Damit das Reverse-Change-Verfahren zur Anwendung kommen kann, muss im Google Ads-Konto eine Umsatzsteuer-ID hinterlegt werden. Sonst muss die irische Umsatzsteuer gezahlt und sich auch dort wiedergeholt werden. Sie kann im Gegensatz zur deutschen Umsatzsteuer, die an das Finanzamt abgeführt werden muss, auch nicht als Vorsteuer geltend gemacht werden. Google stellt seine Rechnungen ohne die Angabe von Steuern aus. Vielmehr verweist der Konzern auf das Reverse-Change-Verfahren und teilt mit, dass der Empfänger der Leistung gemäß Art. 196 der EU-Richtlinie 2006/112/EC dafür aufkommen muss. Diese wird nach § 13b UStG beim Leistungsempfänger als Steuerschuldner fällig und ist gemäß § 15 Abs. 1 UStG als Vorsteuer abzugsfähig.
Bei Google AdSense bekommen Unternehmer Geld dafür, dass sie Werbung auf ihren Webseiten schalten. Die Werbetreibenden zahlen dafür Geld an die Webseitentreiber. Die Abrechnung der Werbung übernimmt Google und behält einen Teil des Geldes ein. Die Einnahmen, die Unternehmer damit erwirtschaften, müssen versteuert werden. Dazu zählen die Einkommens- und Gewerbesteuer. Bei der Umsatzteuer ist es wieder etwas komplizierter. Auch hier ist zu beachten, dass Google in Irland sitzt. Dieses Mal erbringen aber die Unternehmer die „sonstige Leistung“ (Werbekampagne) an Google. Google muss im Rahmen des Reverse-Change-Verfahren als Leistungsempfänger am Ort der Leistung – also Irland – Umsatzsteuer zahlen. Trotzdem müssen deutsche Unternehmer ihre Einnahmen gemäß § 18 UStG deklarieren und dem Finanzamt mit der Umsatzsteuervoranmeldung (§ 18b S. 1 Nr. 2, § 18a Abs. 7 Nr. 3 UStG) und der Zusammenfassenden Meldung (§ 18a Abs. 7 Nr. 3 UStG) mitteilen.
Google hat seinen Sitz in Irland nicht zufällig gewählt. Damit sollen Steuern gespart werden. Die Tochterfirma in Irland muss nämlich hohe Lizenzgebühren an die „Google Irelands Holding“ zahlen, die natürlich in einem Land sitzt, wo kaum Steuern zu zahlen sind. Durch die hohen Lizenzgebühren in Milliardenhöhe erzielt die irische Tochter nur einen sehr geringen Reingewinn und muss entsprechend wenig Steuern in Europa zahlen. Um das Ganze auf die Spitze zu treiben, gehen die Lizenzgebühren jedoch nicht direkt an die Google Irelands Holding, sondern erst an die Google Netherlands Holdings B.V., weil so auch die Quellensteuer für Auslandsüberweisungen vermieden werden kann, die in den Niederlanden nicht gezahlt werden muss. Dieses System wird aber nicht mehr lange funktionieren. Da viele ausländische Großkonzerne das sogenannte „Double Irish, Dutch Sandwich“ praktizieren, geht Europa eine Menge Steuergeld verloren. Daher hat Irland reagiert und es seit 2015 untersagt, eine Firma in Irland zu registrieren, die dort aber nicht ihren Unternehmenssitz hat. Dies galt bisher nur für neugegründete Firmen. Ab 2020 aber müssen auch bestehende Firmen umgezogen sein. Was sich die Juristen der Großkonzerne bis dahin überlegt haben, bleibt abzuwarten.
Anfang letzten Jahres wurde von der EU-Kommission ein Vorschlag für eine Digitalsteuer in der EU abgegeben, um einen Ausgleich zwischen traditionellen und digitalen Unternehmen zu schaffen, welche sich in der Regel einen Ort mit geringer steuerlicher Belastung aussuchen und so weniger Geld dafür zahlen. Der Sinn des Gesetzes sind also gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen. Dabei wird explizit darauf eingegangen, dass digitale Geschäftsmodelle ohne physischen oder steuerpflichtigen Präsenz im jeweiligen Land ihre Tätigkeiten ausüben können und einen effektiven Steuersatz von 9,5 % statt 23,2 % bei traditionellen Unternehmen zahlen.
Dafür ist die Einführung einer virtuellen bzw. digitalen Betriebsstätte geplant. Um es ausländischen Firmen schwerer zu machen, sollen nicht erst die Gewinne, sondern schon die Umsätze besteuert werden. Und zwar gezielt solche Umsätze, die aus dem Verkauf von Online-Werbung generiert wird. Auch das wurde aber von vielen EU-Mitgliedsstaaten kritisiert. Und es geht wohlgemerkt nur um eine (Übergangs-) Steuer von 3 %. Darüber hinaus sollen auch die Steuervorschriften angepasst werden und so z.B. eine gemeinsame Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage gefunden werden.
Auch in Deutschland gibt es in der Politik eine Debatte darüber. Die Einführung einer Digitalsteuer gefällt nicht jedem. Bundesfinanzminister Olaf Scholz zum Beispiel hofft auf eine Lösung im Rahmen der OECD, in der auch die USA vertreten sind, aus der die betroffenen Unternehmen stammen. Aber wohl genau deswegen wird eine Einigung der OECD-Mitgliedstaaten wohl nur äußerst schwierig zu erreichen sein. Da Deutschland und auch andere EU-Mitgliedsstaaten sich gegen den Vorschlag der EU-Kommission wehren, hilft auch die Zustimmung des EU-Parlaments von Dezember 2018 nicht, da dieses im Bereich der Besteuerung nur eine beratende Funktion hat und vielmehr der Rat der EU und die Mitgliedsstaaten überzeugt werden müssen. Warum diese so zurückhaltend sind, erklärt sich aus dem Umstand, dass auch sie selbst bzw. genauer gesagt die ansässigen Unternehmen von der Steuer betroffen sind und so Deutschland als großer Exporteuer einen Schaden an der eigenen Wirtschaft fürchtet.
Für den Fall, dass sich die EU-Mitgliedstaaten nicht bis zum 31.12.2020 umfassend einig geworden sind, kündigt die Kommission schon jetzt an, einen Vorschlag auf der Grundlage von Art. 116 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorzulegen, sodass das Europäische Parlament und der Rat durch ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren tätig werden. Deutschland und Frankreich einigten sich im Dezember letzten Jahres darauf, dass sie einem Inkrafttreten der Digitalsteuer am 1.1.2021 zustimmen, sofern es bis 2020 keine Einigung auf OECD-Ebene gibt.
Ganz aktuell gibt es Berichte darüber, dass verschiedene Finanzämter in Deutschland eine Quellensteuer in Höhe von 15 % von Kunden (Unternehmern) in Deutschland verlangen – und das rückwirkend für bis zu sieben Jahre. Diese Steuer sollen sich die Kunden dann bei Google und Co. zurückholen, die die eigentlich Steuerpflichtigen sind, auf die Deutschland aber nicht so einfach zurückgreifen kann. Als rechtliche Grundlage wird § 50a EStG genannt. Die Kosten für Online-Werbung seien keine Betriebsausgaben, sondern ein Entgelt für die Nutzung der Google Algorithmen. Damit sollen nicht die deutschen Unternehmen bestraft werden, sondern Google über die Hintertür zu Steuerzahlungen aufgefordert. Das sorgt für große Verunsicherung bei den süddeutschen Unternehmen, die nun Steuern in großen Summen nachzahlen müssen und nicht wissen, ob sie ihr Geld von dem Internetgiganten zurückbekommen. Ob dieses Vorgehen der Finanzämter rechtmäßig ist, müssen die deutschen Gerichte entscheiden. Die betroffenen Unternehmen müssen Einspruch gegen den Bescheid einlegen und notfalls Klage bei den zuständigen Finanzgerichten einreichen. Wie die entscheiden, ist aber offen. Zu diesem Thema finden aktuell Gespräche zwischen Bund und Ländern statt. Eine Einigung ist aber noch nicht in Sicht.
Auf eine Einigung zur Besteuerung von Online-Werbung innerhalb Deutschlands und der EU muss also gewartet werden. Sie ist derzeit noch nicht ersichtlich. Eine europäische Digitalsteuer ist aber wohl erst ab frühestens 2021 zu erwarten.
Aus diesem Grunde bedarf es aktuell keiner Handlungen durch Unternehmen. Denn die derzeit geführte Diskussion wird ausschließlich auf politischer und damit gesetzgebender Ebene geführt. Ob das Gesetz in der aktuell diskutierten Fassung überhaupt umgesetzt wird oder welche Variante letztlich in Kraft tritt, muss abgewartet werden. Aktionismus oder gar Panik durch Unternehmen ist daher nicht angesagt. Wer dennoch „etwas unternehmen möchte“, der sollte sich an der politischen Diskussion beteiligen, um auf diesem Wege eine auch für Unternehmer interessengerechte Regelung zu finden.
Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).
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