Datenschutzrecht bei Bewerbungen
Bei Bewerbungen mal ins entsprechende Facebook-Profil schauen oder den Bewerber nach […]
Zwei Kölner Zahnärzte haben das Bewertungsportal Jameda auf die Löschung ihrer angelegten Profile verklagt – und die Klage gewonnen.
Die ohne Einverständnis der Betroffenen angelegten Bewertungsseiten auf dem Bewertungsportal sind zumindest teilweise in der bisherigen Form unzulässig, entschied das Oberlandesgericht Köln in seiner Entscheidung 14. November 2019 (Az. 15 U 89/19 und 15 U 126/19).
Die Plattform gewähre zahlenden Ärzten „verdeckte Vorteile“ und verlasse die Rolle des „neutralen Informationsmittlers“ zwischen Patienten. Andere gerügte Funktionen seien jedoch zulässig, so das Gericht.
Das Gericht beanstandete insbesondere, dass auf dem ohne Einwilligung eingerichteten Profil des Klägers bzw. der Klägerin (sog. „Basiskunden“) auf eine Liste mit weiteren Ärzten verwiesen wurde, wohingegen auf den Profilen der Ärzte, die Beiträge an das Bewertungsportal bezahlen (sog. „Premium-“ oder „Platinkunden“), ein solcher Hinweis unterblieben ist.
Das Portal verlasse demnach seine Rolle als neutraler Informationsmittler.
Das Landgericht hat in erster Instant die gesamte Ausgestaltung der Plattform als unzulässig angesehen. Dies sah das Oberlandesgericht Köln jedoch anders. Das OLG hat mehrere Funktionen der Website einer Einzelfallbetrachtung unterzogen und anhand dessen sein Urteil gefällt. Insgesamt befand es 4 der geprüften Funktionen als unzulässig.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) ist es entscheidend, ob die Plattform ihre grundsätzlich geschützte Position als „neutrale Informationsmittlerin“ dadurch verlassen habe, dass sie den zahlenden Kunden „verdeckte Vorteile“ zukommen lasse.
Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn die ohne ihre Einwilligung aufgeführten Basiskunden auf dem Portal als „Werbeplattform“ für Premiumkunden benutzt würden und letzteren durch die Darstellung ein Vorteil gewährt werde, der für die Nutzer nicht erkennbar sei.
In diesem Fall dient das Portal nicht mehr allein dem Informationsaustausch zwischen Patienten. Ärzte müssen in diesen Fällen nicht hinnehmen, dass sie ohne Einwilligung als Basiskunden aufgeführt werden.
Konkret unterzog der Senat dabei die verschiedenen Funktionen der Plattform einer Einzelfallbetrachtung und beanstandete insgesamt vier von ihnen.
Der mittlerweile abgeschaffte Button, mit dem auf den Basiskundenprofilen „weitere“ Ärzte in der näheren Umgebung angezeigt worden seien, bei Premiumkunden dagegen nicht, habe den unzutreffenden Eindruck erweckt, dass Premiumkunden keine örtliche Konkurrenz hätten.
Der bei Basiskunden eingeblendete Button sei als „Absprungplattform“ auf die Profile anderer Ärzte zu werten. Für die Nutzer sei nicht deutlich gewesen, aus welchem Grund bei einem Basisprofil ein Verweis auf örtliche Konkurrenz eingeblendet worden sei, nicht jedoch bei einem Premiumprofil. Auch wenn die Plattform den Button zwischenzeitlich abgeschafft habe, bestehe weiterhin Wiederholungsgefahr, die eine Unterlassungsklage rechtfertigen kann.
Auch die unterschiedliche bildliche Darstellung zwischen Basis- und Premiumkunden in den Auflistungen stelle – anders als bei der bildlichen Darstellung auf den einzelnen Profilen – einen verdeckten Vorteil dar. Das Gericht nahm an, dass ein erhebliches „optisches Gefälle“ zwischen Basiskunden und Premiumkunden erzeugt werde, womit die Plattform im Vorfeld der endgültigen Arztwahl richtungsweisend in den Wettbewerb zwischen den örtlichen Konkurrenten eingreife.
Dasselbe gelte für den Verweis auf Fachartikel auf andere Ärzte auf Profilen von nichtzahlenden Ärzten. Dies kann bei Nutzern den Eindruck erwecken, dass Basiskunden keine Fachartikel veröffentlichen wollen oder gar können.
Schließlich sei auch der Hinweis auf dem Profil der Basiskunden auf Ärzte mit speziellen Behandlungsgebieten auf demselben Fachgebiet ein unzulässiger Vorteil. Durch den weiterführenden Link könne beim Nutzer der Eindruck entstehen, dass der Arzt möglicherweise nicht ausreichend qualifiziert sei, weil auf seinem Profil auf weitere Kollegen für das „spezielle“ medizinische Fachgebiet verwiesen werde. Anders ist es bei Premiumkundenprofilen, auf denen kein Verweis zu finden ist.
Rechtlich hat der Senat den Anspruch der Kläger auf Löschung des ohne Einwilligung eingerichteten Profils bzw. auf Unterlassung der konkreten Verletzungsformen jeweils auf §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO gestützt. Er hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass die Bewertungsplattform sich nicht auf das sog. Medienprivileg der Datenschutzgrundverordnung (Art. 85 Abs. 2 DSGVO) stützen kann.
Das Geschäftsmodell der Plattform könne nicht als eigene meinungsbildende Tätigkeit aufgefasst werden, sondern allenfalls als ein Hilfsdienst zur besseren Verbreitung von (Dritt-)Informationen.
Andere Funktionen des Portals, wie etwa die Möglichkeit von Premiumkunden, auf dem Profil in größerem Umfang die angebotenen ärztlichen Leistungen anzugeben als bei Basiskunden, hat der Senat dagegen nicht beanstandet. Insoweit hat das Gericht die Klagen abgewiesen.
Nicht zum ersten Mal ist die Plattform Gegenstand der Gerichte. Bereits 2014 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass Ärzte grundsätzlich keinen allgemeinen Anspruch auf Löschung ihrer Basisdaten und Bewertungen haben. Im Februar 2018 entschied der BGH jedoch, dass das Portal bei der Aufnahme der Bewertungen neutral bleiben muss.
Das OLG hat die Revision in beiden Verfahren zugelassen, da die Frage, in welchen Fällen eine Bewertungsplattform die Rolle als „neutrale Informationsmittlerin“ verlässt, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht vollständig geklärt sei und für eine Vielzahl künftiger Verfahren Bedeutung haben werde.
Gerade die Tatsache. dass eine Vielzahl an Ärzten kein Profil auf Bewertungsportalen haben möchten und dort auch nicht anderweitig aufgelistet werden wollen, führt zu der Annahme, dass sie die Löschung ihres Profils erwirken wollen.
Es ist damit zu rechnen, dass das Urteil sich auch auf Bewertungsportale anderer Branchen wie etwa der Hotel- und Reisebranche oder auch der Restaurantbranche auswirken wird. Die Frage, wer als neutraler Vermittler wirken kann, wird auch Unternehmen dieser Branchen beschäftigen.
Festzuhalten bleibt, dass nur die Plattform als neutraler Informationsvermittler angesehen werden kann, die nicht zwischen zahlenden und nichtzahlenden Mitgliedern unterscheidet. Erst dann kann unterliegt das Unternehmen der Meinungs- und Medienfreiheit und ist nicht als kommerzielle Plattform anzusehen.
Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).
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