Google muss Links zu Falschinformationen auch ohne Urteil löschen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass der Suchmaschinenbetreiber Google Links […]
Lange war es ruhig geworden um den Widerrufsjoker, nach den letzten Entscheidungen deutscher Gerichte. Nun bringt der EuGH wieder Bewegung in das Thema. Grundsätzlich müssen Unternehmen ihre Kunden detailliert und genau über das Widerrufsrecht belehren, Andernfalls beginnt Frist nicht zu laufen.
Der EuGH entschied darüber in einem Urteil über die saarländische Sparkasse.
Grundsätzlich müssen Darlehensverträge klare und insbesondere für Verbraucher verständliche Hinweise auf den Beginn von Widerrufsfristen enthalten, so der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Entscheidung vom zu einem Fall aus Deutschland (Urt. v. 26.03.2020, Az. C-66/19).
Vorausgegangen war der Entscheidung des EuGH ein Rechtsstreit der Kreissparkasse Saarlouis mit einem Kunden, welcher durch das Landgericht (LG) Saarbrücken zu entscheiden ist.
Konkret ging es darum, dass ein Sparkassenkunde, der dort 2012 einen grundpfandrechtlich gesicherten Kredit über 100.000 Euro zu 3,61 Prozent Zinsen aufgenommen hatte, den Vertrag widerrufen wollte, obwohl eine Widerrufsfrist von 14 Tagen angegeben war. Die Frist war laut Sparkasse jedoch bereits abgelaufen. Der Sparkassenkunde monierte nachträglich die Vertragsklausel zum Widerrufsrecht und hielt diese für nicht wirksam.
Laut Vertrag sollte die Widerspruchsfrist anfangen zu laufen, sobald der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) erhalten habe. Dazu gehören Angaben zur Art des Darlehens, zum Nettodarlehensvertrag und zur Vertragslaufzeit. Die Angaben fehlten jedoch im Vertrag gänzlich. § 492 Abs. 2 BGB verweist auf weitere Rechtsvorschriften, wie etwa auf das Einführungsgesetz zum BGB.
Anfang 2016 erklärte der Darlehensnehmer den Widerruf seiner Willenserklärung gegenüber der Kreissparkasse, um sich vom Vertrag zu lösen. Die Kreissparkasse war der Ansicht, dass sie den Verbraucher ausreichend und ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt habe, sodass die Frist für die Ausübung des Widerrufs bereits abgelaufen ist.
Der EuGH entschied auf ein Vorabentscheidungsersuchen des LG Saarbrücken über die Auslegung der Richtlinie über Verbraucherkreditverträge dahingehend, dass eine Belehrung auf diese Art nicht ausreiche, um die Widerrufsfrist in Gang zu setzen.
Zwar betreffe die Richtlinie keine grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensverträge. Ein solcher war Gegenstand des Rechtsstreits. Der deutsche Gesetzgeber hat jedoch die Wahl getroffen, die Regelungen der Richtlinie auch auf derartige Verträge anzuwenden.
Der Verbraucher kann in Fällen wie diesem den sogenannten Widerrufsjoker einsetzen. Das führt dazu, dass der Widerruf auch lange nach der ursprünglich festgelegten Frist erklären kann, da die Widerrufsfrist nicht begonnen habe zu laufen.
Die EU-Richtlinie über Verbraucherkreditverträge hat den Zweck, Kunden ein hohes Maß an Schutz zu bieten, sodass Kreditverträge klar und deutlich zu formulieren sind und gerade die Bedingungen für die Widerrufsfrist eindeutig darlegen müssen.
Eine einfache Verweisung, oder laut dem EuGH „Kaskadenverweisung“, auf verschiedene gesetzliche Regelungen aus dem nationalen Recht können diese Klarheit nicht gewährleisten, sodass die hier streitige Klausel nicht den Erfordernissen entspricht. Die Verweisung soll des dem Darlehensnehmer ermöglichen, zu prüfen, welche Pflichtangaben im Darlehensvertrag erforderlich sind.
Damit widerspricht der EuGH der Auslegung der Deutschen Gerichte, insbesondere des BGH. Dieser mutete es dem Verbraucher zu, sich mit den Gesetztestexten auseinanderzusetzen und zu befassen, zumal diese frei zugänglich seien.
Für Verbraucher bedeutet die Entscheidung des EuGH, dass sämtliche Kreditverträge widerrufbar sind, ganz gleich ob es sich um einen Immobilienkredit, Autokredit oder ein Kredit für Laptop und TV handelt. Der Widerrufsjoker ist also wieder da!
Die durch den EuGH monierte Widerrufsformulierung findet sich in den allermeisten Verbraucherverträgen, die ab dem 11. Juni 2010 geschlossen wurden. Verbraucher, die sich von ihren Verträgen lösen wollen, können dies nunmehr fristgemäß tun, da die Frist aufgrund der Fehlerhaftigkeit noch nicht begonnen hat, zu laufen.
Insgesamt sind damit fast 20 Millionen Autokredit- und Leasingverträge von dem Widerrufsjoker betroffen, die ein Gesamtvolumen von rund 340 Milliarden Euro ausmachen.
Die Kaskadenverweisung zeigt dem Verbraucher weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung noch kann er überprüfen, ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle erforderlichen Angaben enthält. Zusätzlich erschwerend kommt hinzu, dass es ihm nicht zuzumuten ist, nachzuvollziehen, ob die Widerrufsfrist, über die er verfügen kann, begonnen hat zu laufen.
Der EuGH stellte demnach fest, dass der im streitigen Vertrag gemachte Beweis auf deutsche Rechtsvorschriften nicht dem Anforderungen an eine klare und deutliche Widerrufsbelehrung genügt.
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Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).
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