Arbeitsrecht: Der Fingerabdruck geht dann doch zu weit

Guido Kluck, LL.M. | 16. September 2020

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg bestätigte am 25. August 2020 das Urteil vom 4. Juni 2020 (Az. 10 Sa 2130/19), wonach ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist seine Arbeitszeit mittels „Fingerabdurck-Scanner“ nachzuweisen.

Wir erklären Ihnen, was das Urteil für Sie rechtlich bedeutet!

Sachverhalt

Von einem 57-jährigen Arbeitnehmer, der als medizinisch-technischer Radiologie-Assistent (MTRA) arbeitet, verlangt der Arbeitgeber, dass er seine Arbeitszeit per Fingerabdruck bestätigen soll. Grund dafür war, die Neueinführung des Zeiterfassungsmodell „Model ZEUS“, welches auf Fingerabdrücken zur Verifizierung basiert.

Dieses System arbeitet mittels einer Identifikation über einen biometrische Fingerabdruck. Nachdem der Arbeitnehmer diesen Scan verweigerte mahnte der Arbeitgeber ihn ab. Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer erfolgreich vor Gericht.

Das Gericht gab dem Kläger recht und entschied unter anderem, dass ein biometrische Zeiterfassungssystem in aller Regel nicht erforderlich im Sinne von Art. 9 Abs. II b) DSGVO, § 26 Abs. 3 BDSG ist. Eine Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde vom LAG Berlin-Brandenburg nicht zugelassen.

Interessant an dem Fall finden wir, dass das besagte System nicht den Fingerabdruck als Ganzes verarbeitet, sondern nur die Fingerlinienverzweigungen (Minutien). Das war aber für das Gericht wenig ausschlaggebend.

Arbeitnehmer dürfen Zeiterfassung per Fingerabdruck verweigern

Nach diesem Urteil dürfen Arbeitnehmer also die Zeiterfassung mittels Fingerabdruck verweigern. Aus dem Urteil geht hervor, dass das Gericht es kritisch sieht, dass bei diesem Scan biometrische Daten verarbeitet werden. 

Rechtstipp: Sie dürfen also als Arbeitnehmer den Fingerabdruckscan verweigern, ohne eine Abmahnung zu riskieren.

Entfernung der Abmahnung

Das Landesarbeitsgericht entschied, dass der Arbeitnehmer das besagte Zeiterfassungssystem in der Form nicht nutzen muss, auch wenn das System nur die Fingerlinienverzweigungen verarbeitet. Es bleiben biometrische Daten, die der Arbeitnehmer gezwungen wäre preiszugeben.

Gem. Art. 9 Abs. 2 DSGVO wäre die Verarbeitung solcher hochsensiblen Daten nur ausnahmsweise möglich! Unter Absatz 2 wird beispielsweise als Ausnahme aufgeführt, dass die betroffene Person der Verarbeitung der genannten Daten ausdrücklich eingewilligt hat, die Verarbeitung erforderlich ist (sehr hohe Anforderungen), die Verarbeitung zum Schutz lebenswichtiger Interessen des Betroffenen notwendig ist (und daher ohne Einwilligung erfolgen darf) oder die betroffene Person diese Daten selbst öffentlich zugänglich gemacht hat.

Gerade im Bereich des Arbeitsrecht kann nicht ausreichend dargelegt werden, warum die Erfassung ohne Einwilligung des Arbeitnehmers zulässig wäre! Auch die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung ist nur schwer darzulegen.

So sahen es auch die Richter: „Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die derzeitige Technologie die verschiedensten Systeme zur Erfassung der Arbeitszeit ermöglicht (Aufzeichnungen in Papierform, Computerprogramme, elektronische Zeitausweise). In der Gesetzesbegründung zu § 26 BDSG hat der deutsche Gesetzgeber festgehalten, dass im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung (…) die Interessen des Arbeitgebers an der Datenverarbeitung und das Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten zu einem schonenden Ausgleich zu bringen sind, der beiden Interessen gerecht wird.“

Eine Abmahnung muss also wieder aus der Personalakte zurückgenommen werden, da die Verweigerung der Nutzung solcher Systeme keine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers darstellt.

Fazit

Arbeitgeber können also eine Zeiterfassung mittels Fingerabdruckscan auch dann verweigern, wenn der Scanner „nur“ die Fingerlinienverzweigungen verwertet. Eine Abmahnung müsste umgehend aus der Personalakte entfernt werden und ein Drängen zur Benutzung eines solchen Systems wäre selbstverständlich unzulässig! 

Arbeitgeber haben es schwer solche Fingerabdruckscans zur Zeiterfassung in ihr Unternehmen einzuführen, da an die Erforderlichkeit solcher Systeme sehr hohe Anforderungen gesetzt werden, die die Unternehmen nur selten erfüllen.

Für Arbeitnehmer stellt die Verweigerung des Fingerscans daher keine Pflichtverletzung dar, da die Zeiterfassung in Papierform, über Computerprogramme und/ oder elektronische Zeitausweise, möglich ist. Das Argument, dass Arbeitnehmer dann auch durch andere Kollegen ihre „Karte stempeln lassen“ könnten, schlägt nicht durch, da das einen Arbeitszeitbetrug (und somit eine Straftat) darstellen würde. Das darf der Arbeitgeber nicht pauschal unterstellen und ein solches System aus diesem Grund im Unternehmen installieren. 

Daher: haben Sie Fragen zum Thema Arbeitsrecht/ Arbeitszeiterfassung und Umgang mit der DSGVO? Melden Sie sich bei uns! Unserer im Datenschutzrecht, sowie Arbeitsrecht spezialisiertes Team steht Ihnen sehr gerne schnell und unkompliziert zur Seite und berät Sie gern!

Lesen Sie auch unseren Artikel zum Thema: „Worauf Unternehmen bei der Auskunftserteilung achten müssen

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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