Erstes Gerichtsurteil: Pandemie ist Höhere Gewalt

Guido Kluck, LL.M. | 6. November 2020

Das Corona-Virus hat sich auf der ganzen Welt verbreitet und betrifft Menschen, aber auch die Wirtschaft. Unternehmen müssen aufgrund von Corona-Eindämmungsmaßnahmen starke wirtschaftliche Einschnitte verkraften. Anfangs wurde die Pandemie, zum Unverständnis der Betroffenen, nicht als „höhere Gewalt“ qualifiziert. Das scheint sich nun aber zu ändern!

Das Landgericht Paderborn hat das erste Urteil zum Thema gefällt, wann in der Corona-Pandemie höhere Gewalt zu bejahen ist.

Dieser Artikel soll Ihnen aufzeigen, wann laut Paderborner Richter höhere Gewalt gegeben ist!

Wann spricht man von höherer Gewalt/ Act of God/ Force Majeur?

Von höherer Gewalt spricht man, wenn ein schadensverursachendes Ereignis von außen einwirkt, welches seinen Grund nicht in der der Natur der gefährdeten Sache hat und das Ereignis auch durch die äußerst zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch unschädlich gemacht werden kann. 

Es müsste also ein durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen Dritter ein Ereignis herbeigeführt worden sein, dass nach menschlicher Einsciht und Erfahrung unvorhersehbar war und durch wirtschaftlich erträglichen Mitteln, auch durch äußerste Sorgfalt, nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden konnte und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist (BGH NJW, 1990,1167).

Nach dem Bundesgerichtshof handelt es sich bei höherer Gewalt um ein von außen kommendes, keinen betrieblichen oder persönlichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis.

Danach ergeben sich folgende Voraussetzungen für das Vorliegen höherer Gewalt

(1.) Es muss sich um ein von außen kommendes, betriebsfremdes und somit außerhalb des Einflussbereiches der Vertragsparteien liegendes Ereignis handeln

(2.) dieses Ereignis darf auch bei Anwendung äußerst vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt, und somit aufgrund Unvorhersehbarkeit nicht abwendbar sein.

LG Paderborn, Urteil vom 25.09.2020 – 3 O 261/20

Sachverhalt

Abiturienten verlangen von einer Agentur, die zur Durchführung der Veranstaltung beauftragt wurde, die Erstattung einer Anzahlung von 10.000,00 €, die sie für eine – aufgrund der Corona-Pandemie – nicht durchgeführte Veranstaltung leisteten.

Zum Inhalt der Entscheidung

Die Richter am Landgericht Paderborn bestätigten, dass Epidemien grundsätzlich als Ereignis höher Gewalt anerkannt werden mit einem Verweis auf verschiedene Urteile (Bad Homburg zum Ausbruch der Choleraepidemie, Urt. v. 02.09.1992 – Az. 2 C 1451/92-18; AG Augsburg zum Ausbruch des SARS-Virus, Urt. v. 09.11.2004 -Az.14 C 4608/03.

Sie weisen auch darauf hin, dass bei der Einordnung unter anderem den Erklärungen des Auswärtigen Amtes und den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation Indizwirkung zukommen.

Das LG Paderborn weist auch darauf hin, dass die Ausbreitung des COVID-19-Virus sogar als Pandemie eingestuft wird und Warnungen und Empfehlungen des Auswärtigen Amtes vorliegen.

Die Corona-Pandemie und ihre Folgen stellen, nach laut Richter am LG Paderborn, daher ein von außen kommendes, betriebsfremdes Ereignis dar. Weil es eine Pandemie solchen Ausmaßes noch nie gegeben hat, war diese für den Einzelnen auch unvorhersehbar. Selbst bei Anwendung äußerst vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt war sie für den Einzelnen nicht abwendbar. Das neuartige Corona-Virus stellt also ein Ereignis dar, das unter den Begriff der höheren Gewalt fällt. 

Rechtlich interessant: in den Entscheidungsgründen des Urteils stellt das LG klar, dass es nicht auf die Frage ankommt, ob die Feier zum fraglichen Zeitpunkt verboten war, sondern nur auf den Bestand der Pandemiesituation. Es schränkte seine Aussage aber wieder ein, da es anerkannte, dass die Feier an dem bestimmten Tag mit der Anzahl der Leute ohnehin untersagt gewesen war.

Fazit 

Was bedeutet das für Sie? Dieses Urteil ist relativ wichtig, auch wenn es nur von einem Landgericht stammt. Andere Gerichte könnten ihre Entscheidungsgründe überdenken und in ähnlichen Sachverhalten genauso entscheiden!

Es gibt unglaublich viele Fälle, z.B. von Hochzeitsplanern, Agenturen etc., die im Zusammenhang mit abgesagten Events keine Rückzahlungen erhalten haben. Es stehen noch in tausenden Fällen möglicherweise Zahlungen aus!

Daher können wir zusammenfassend sagen, dass wenn eine Veranstaltung nicht so wie geplant stattfinden konnte, höhere Gewalt vorliegt und Sie als Veranstaltung eine Terminverschiebung/- verlegung nicht hinnehmen müssen!

Sie haben Fragen zum Thema Rückzahlungen aufgrund von abgesagten Veranstaltungen wegen der Pandemielage? Melden Sie sich bei uns! Wir helfen Ihnen gern bei der Geltendmachung Ihrer Rückzahlungsansprüche und stehen Ihnen schnell und unkompliziert zur Seite! 

Lesen Sie auch unseren Artikel zum Thema: „Entschädigungen für Betriebsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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