BAG zum Lohnzuschlag

Guido Kluck, LL.M. | 22. Dezember 2020


Eine Regelung in einem Tarifvertrag, nach der sich der Zuschlag für Nachtarbeit halbiert, wenn sie innerhalb eines Schichtsystems geleistet wird, kann nach einem Urteil des BAG vom 09.12.2020 (Az.10 AZR 334/20, AZ.10 AZR 335/20) gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG verstoßen.

Wir erklären Ihnen in diesem Artikel was dieses Urteil für Sie bedeutet!

Sachverhalt

Die Beklagte betreibt eine Brauerei in Hamburg und der Kläger leistet dort Schichtarbeit. Nach dem Tarifvertrag, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Brauereien und deren Niederlassungen in Hamburg und Schleswig-Holstein, ist für Arbeit in der Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr ein Zuschlag von 25% zum Stundenentgelt zu zahlen. 

Für Nachtarbeit, die in demselben Zeitraum außerhalb eines Schichtsystems zu erbringen ist, sieht der Tarifvertrag einen Zuschlag von 50% vor. 

Der Schichtarbeiter meint, die Halbierung des Zuschlags für Nachtschichtarbeit widerspreche den gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnissen. Danach gehen von regelmäßiger Nachtschichtarbeit erheblich gravierendere Gesundheitsgefahren aus als von gelegentlich geleisteter Nachtarbeit. 

Mit seiner Klage wollte der Kläger festgestellt wissen, dass die Brauerei den Zuschlag von 50 % auch für die Nachtschicht zu zahlen hat, wenn sie innerhalb eines Schichtsystems zu leisten ist. Die Brauereien hingegen hielt die Tarifnorm für wirksam, da der höhere Zuschlag eine besondere Belastung der unvorbereitet zu Nachtarbeit herangezogenen Arbeitnehmer ausgleichen soll.

BAG fragt EuGH zu unterschiedlichen Zuschlägen zu regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit

Das BAG hat nunmehr den Gerichtshof der Europäischen Union um Klärung und Vorabentscheidung unionsrechtlich relevanter Fragen gebeten: 

Führen tarifvertragliche Regelungen die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG im Sinn von Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union durch, wenn sie unterschiedlich hohe Zuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit enthalten? Ist eine tarifvertragliche Regelung gleichbehandlungswidrig nach Art. 20 der Charta, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsieht, wenn damit neben den gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Nachtarbeit auch Belastungen wegen der schlechteren Planbarkeit der Arbeitszeit ausgeglichen werden sollen?

Nacht- und Schichtarbeit sind vergleichbar

Das BAG hat der Revision des Klägers stattgegeben. Bei den Vorinstanzen war die Klage jedoch erfolglos.

Nachtarbeitnehmer und Nachtschichtarbeitnehmer seien, laut zuständigen Richtern, miteinander vergleichbar. Nach dem Tarifvertrag sei bei der Durchführung von Nachtarbeit außerhalb von Schichtsystemen auf private und kulturelle Wünsche der Beschäftigten weitgehend Rücksicht zu nehmen. Der höhere Zuschlag für Nachtarbeitnehmer könne daher nicht den Zweck haben, ihre Freizeit vor Eingriffen durch den Arbeitgeber zu schützen. Andere sachliche Gründe, die die schlechtere Behandlung der Nachtschichtarbeitnehmer rechtfertigen könnten, ließen sich dem Tarifvertrag nicht entnehmen. 

Der Kläger kann den höheren Zuschlag verlangen, um mit den nicht regelmäßig nachts Arbeitenden gleichbehandelt zu werden. Das gleiche hat das Gericht in einem Parallelverfahren entschieden.

Rechtstipp: Nachtarbeitende in der deutschen Lebensmittelindustrie bekommen oft unterschiedliche Zuschläge. Diese Regelungen, wonach sich der Zuschlag halbiert, wenn innerhalb eines Schichtsystem gearbeitet wird, können rechtswidrig seien!

Fazit

Nach § 9 Arbeitszeitgesetz dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden. Der § 10 Arbeitszeitgesetz lässt aber viele Ausnahmen zu.

Nach § 6 V Arbeitszeitgesetz gilt aber immer: „Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.“

Daher ist das neue Urteil des BAG umso wichtiger, denn nur weil Angestellte schichtweise in der Nacht arbeiten, dürfen sie nicht weniger Nachtzuschläge bekommen, als ihre unregelmäßig nachts arbeitenden Kollegen. 

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Lesen Sie auch unseren Artikel zum Thema: „Wer muss Überstunden machen und wie sind Vergütung und Ausgleich geregelt?

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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