Quarantäne ist keine Krankheit
Das Arbeitsgericht Neumünster hat mit Urteil vom 03.08.2021 (Az. 3 Ca […]
Die Politik hat geäußert eine gesetzliche Impflicht gegen Covid-19 nicht zu planen und doch liest man immer wieder von Arbeitgebern, die auf eine Impfung bestehen. Der Gesetzgeber hält sich damit auffällig zurück und setzt auf Freiwilligkeit. Für Unternehmer stellt sich daher die Frage, ob sie Mitarbeiter zu Impfungen verpflichten, fehlende Impfungen sanktionieren oder wenigstens Anreize für eine Impfung schaffen dürfen.
In diesem Artikel erfahren Sie, ob eine Impflicht durch den Arbeitgeber kommen könnte.
Impfen bedeutet das Einbringen körperfremder Substanzen und Eiweiße mittels Stichverletzung in gesundes Körpergewebe. Das stellt, unabhängig von Risiken und Nebenwirkungen, einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar.
Gerechtfertigt kann so ein Eingriff in die körperliche Integrität nur durch eine wirksame Einwilligung des Betroffenen sein oder aufgrund einer gesetzlichen Grundlage (vgl. § 20 Abs.6, 7 IfSG).
Es sei hier schon klargestellt, dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer nicht verpflichten können, sich gegen die normale Grippe impfen zu lassen oder Medikamente einzunehmen. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) kann eine Impfanordnung nicht rechtfertigen.
Anders kann es aber aussehen, wenn man sich die Treuepflicht des Arbeitnehmers näher anschaut. Aufgrund der Treuepflicht könnte der Arbeitgeber, im Hinblick auf die Pandemielage, verlangen, dass sich der Arbeitnehmer impfen lässt.
Rechtstipp: Wir sind der Meinung, dass die Vollstreckung so einer Treuepflicht über einen Titel und Zwangsgeld gem § 888 ZPO zwischen Privatpersonen schwierig ist.
Arbeitsvertraglich könnte eine Impflicht vereinbar werden (in bestehende Verträge müsste es nachverhandelt werden). Aber: Eine arbeitsvertragliche Impflicht wäre nur denkbar, wenn es auch eine gesetzliche Impflicht gäbe!
Der Arbeitgeber haftet dem Arbeitnehmer regelmäßig nicht für Schäden oder Schmerzensgeld aufgrund einer vom Betriebsarzt durchgeführten Impfung, da zwischen den Arbeitsvertragsparteien kein Behandlungsvertrag zustande kommt. Daher muss sich der Arbeitgeber auch keine Aufklärungspflicht des Betriebsarztes zurechnen lassen. Wenn sich nun beispielsweise ein Krankenpfleger oder eine Krankenpflegerin auf Empfehlung des Arbeitsgebers eine bestimmte Impfung geben lässt, handelt es sich nicht um einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall i.S.d. § 8 SGB VII.
Arbeitgeber würden von Arbeitnehmern auch verlangen einen Nachweis über eine Impfung vorzulegen. Aus unserer Sicht ist es unproblematisch, wenn der Arbeitgeber eine Impflpficht anordnen dürfte. In anderen Fällen können weitreichende datenschutzrechtliche Konsequenzen drohen. Der Nachweis über den Impfstatus ist, wie alle anderen Daten, eine personenbezogene Information, die bei fehlender vertraglicher Verpflichtung nicht zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist (§ 26 Abs.1 BDSG oder Art.6 Abs.1c) DSGVO). Somit dürfte es schon an den allgemeinen Voraussetzungen für eine Datenverarbeitung fehlen.
Rechtstipp: Auch wenn eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 23a IfSG vorgesehen ist, so beschränkt sie sich nur auf die in § 23 Abs.3 IfSG vorgesehene Fälle!
Wie man sieht, ist das Recht von Mitarbeitern auf körperliche Unversehrtheit nicht absolut und kann in den berechtigten Interessen des Arbeitgebers seine Grenzen finden.
Die Untätigkeit der Politik bedeutet allerdings nicht, dass Private ebenso untätig bleiben müssen.
Wenn Arbeitgeber es gerne sehen würden, dass ihre Mitarbeiter geimpft sind, könnte man auch über eine Art „Motivierung“ nachdenken. Das wäre arbeitsrechtlich zulässig, wenn es keine Umgehung des Direktionsrechts darstellt und kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vorliegt.
Der Konflikt befindet sich auf verfassungsrechtlicher Ebene: die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers (Art. 12, 14 GG), stehen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers (Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), sowieso dem Recht der Körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2, S.1 GG) gegenüber.
Es ist also immer im Einzelfall zu klären, ob der Arbeitgeber mit der Impfung ein berechtigtes Interesse hat, welches den grundrechtlich geschützten Interessen des Arbeitnehmers überwiegt.
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Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).
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