BER-Mitarbeiter bekommen Stromschläge

Guido Kluck, LL.M. | 12. Februar 2021

Anfang Januar kam die Nachricht, dass es bei den Gepäckkontrollen am Flughafen BER zu mehreren elektrostatischen Entladungen gekommen sei, wodurch mehrere Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mussten. Ob die Mitarbeiter des Flughafenpersonals einen Schmerzensgeldanspruch haben, erfahren Sie in diesem Artikel!

Sachverhalt 

Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsunternehmens haben beim Durchleuchten von Taschen Stromschläge durch ein Gepäckband bekommen. Die Betroffenen mussten ärztlich behandelt werden und klagten über starke Schmerzen, Taubheitsgefühle und Benommenheit.

Zuständig für die Geräte ist die Bundespolizei, die auch von den technischen Problemen wusste. Sie händigte den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma dafür auch extra Antistatik-Schlüsselanhänger aus, womit der Arbeitgeber der Sicherheitsmitarbeiter anscheinend keine Probleme hatte. Der Arbeitgeber ließ seine Sicherheitsmitarbeiter unter diesen Umständen an den Geräten weiterarbeiten.

Wann liegt ein Arbeitsunfall vor?

Von einem Arbeitsunfall spricht man, wenn es eine kausale Verknüpfung des Unfalls mit der betrieblichen Sphäre gibt. Es müsste also eine rechtliche Zurechnung für besonders bezeichnete Risiken der Arbeitswelt vorliegen. Die Frage nach diesem Zurechnungszusammenhang stellt sich übrigens auf drei Ebenen, nämlich als Unfallkausalität zwischen ausgeübter Tätigkeit und Unfallereignis, als haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden und als haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheitsschaden und den (nicht zwangsweise länger andauernden) Unfallfolgen (BSG Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R). Diese dürfte in diesem Fall auch auf allen Ebenen gegeben sein.

Schutzpflichten des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber hat weitreichende Schutzpflichten gegenüber seinen Arbeitnehmern. Sie bilden sozusagen das Gegenstück zur Treuepflicht des Arbeitnehmers. Die Schutzpflichten ergeben sich dabei grundsätzlich aus dem Arbeitsvertrag nach §§ 611 i.V.m. 241 Abs. 2, 242 BGB. Darüber hinaus begründen besondere Arbeitsschutzgesetze auch öffentlich-rechtliche Schutzpflichten des Arbeitgebers.

Rechtstipp: Genügt der Arbeitgeber den Schutzpflichten nicht, kommt immer ein Schadensersatzanspruch in Betracht!

Gem. §§ 617 ff. BGB konkretisiert der Gesetzgeber die arbeitsvertraglichen Pflichten zum Schutz von Leben und Gesundheit, indem er die Gestaltung von Arbeitsplatz, -ablauf,  und -umgebung näher regelt.

Im konkreten Fall ist die Bundespolizei für die Geräte zuständig, jedoch betreibt das Land Brandenburg diesen Flughafen. Es kommt bei der Verletzung von Schutzpflichten am Arbeitsplatz aber immer auf den Arbeitgeber an und nicht, wer für die Geräte zuständig ist. Verlangt der Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz mit bestimmten Geräten arbeiten soll, muss er auch für deren Sicherheit einstehen! Ob der Arbeitgeber die Bundespolizei in Regress nehmen kann, ist dabei eine andere Frage. 

Der Arbeitgeber der Sicherheitsmitarbeiter hätte die Arbeit mit den fehlerhaften Geräten unverzüglich unterbinden sollen, um dem Schutz der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Das war dem Arbeitgeber auch, in Anbetracht der Gefährlichkeit der Geräte, zumutbar. Dass er die Geräte nicht selbstständig entfernen oder austauschen kann, wenn die Bundespolizei für sie zuständig ist, hat dabei keinen Einfluss auf die Schutzpflichten des Arbeitgebers.

Schmerzensgeldanspruch

Verletzt der Arbeitgeber seine Schutzpflichten gegenüber dem Arbeitnehmer, so wie in diesem Fall, wo Arbeitsschutzregeln offensichtlich nicht eingehalten wurden, ist er dem Arbeitnehmer gegenüber gem. § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig. Darüber hinaus kommt ein Schmerzensgeldanspruch wegen unerlaubter Handlung gem. § 823 Abs.1 BGB in Betracht. 

Rechtstipp: Die Haftung des Arbeitgebers ist übrigens nicht auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit beschränkt! 

Fazit

Seit der Eröffnung des BER kam es, nach Angaben der Gewerkschaft, zu mehr als 60 Unfällen! Das Verhalten der Bundespolizei und des Unternehmens ist generell als grob fahrlässig einzuschätzen. 

Mitarbeiter können selbstverständlich verlangen während der Arbeit keiner Gefahr ausgesetzt zu werden. Trotzdem musste das Flughafenpersonal an den Geräten arbeiten, obwohl der Arbeitgeber und die Bundespolizei über deren Fehlerhaftigkeit wusste. Das Aushändigen von Antistatik-Schlüsselanhängern dürfte keine angemessene Maßnahme zur Einhaltung arbeitsschutzrechtlicher Pflichten darstellen.

Viele arbeitsrechtliche Urteile zeigen deutlich auf, dass die Darlegung der Kausalität zwischen Arbeitsunfall und Körper- und Gesundheitsverletzung nicht zu Lasten des Arbeitnehmers geht. Es reicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die Körper- und Gesundheitsverletzung auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist. Das wäre in diesem Sachverhalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu bejahen!

Die Krankenversicherungen könnten am Ende zusätzlich einen Anspruch gegen die Verantwortlichen als Gesamtschuldner haben. Das müsste im konkreten Fall aber geprüft werden.

Sie haben Fragen zum Thema Arbeitsrecht oder haben einen Arbeitsunfall erlitten und möchten Ihren Anspruch auf Schmerzensgeld gegen Ihren Arbeitgeber durchsetzen? Melden Sie sich bei uns! Unser im Arbeitsrecht spezialisiertes Team steht Ihnen gerne schnell und unkompliziert zur Seite und berät Sie gern.

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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