Der Wind dreht sich bei Filesharing-Abmahnungen
Es zeichnet sich bereits seit einigen Wochen und Monaten ab, dass […]
Am vergangenen Montag berichtete das Magazin „Akte 2011“ über das Thema „IP-Fälschungen im Bereich des Filesharings“. In diesem Artikel wurden verschiedene Betroffene von Filesharing-Abmahnungen vorgestellt – teilweise in sehr plakativen Beispielen. Welche der dort genannten Probleme für eine mögliche Abwehr einer Filesharing-Abmahnung erheblich sein könnten, soll nachfolgend nochmals beleuchtet werden.
Zunächst wurde über eine Familie berichtet, welche sich nach eigenen Aussagen der erteilten Abmahnung geschlagen gegeben und einen Vergleichsbetrag in Höhe von EUR 5.001,00 gezahlt habe. Sollte es sich bei diesem Betrag tatsächlich um einen Vergleichsbetrag in Bezug auf die in Ansatz gebrachten Kosten der Rechtsverfolgung gehandelt haben, dann dürften diese wohl erheblich überhöht gewesen sein. Selbst wenn man, wie in diesem Beispiel genannt, insgesamt 5 verschiedene Musikwerke abgemahnt hätte, würde sich hieraus kein Streitwert von ca. EUR 600.000,00 oder mehr ergeben, der jedoch erforderlich wäre, um nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) Gebühren im Bereich von 5.001,00 EUR und mehr zu begründen. Wahrscheinlicher ist, dass es sich bei diesem Betrag um die in der von dem Anschlussinhaber abgegebenen Unterlassungserklärung angedrohte Vertragsstrafe gehandelt hat. Eine solche Vertragsstrafe muss ein Betroffener jedoch erst dann zahlen, wenn er nach Abgabe der strafbewehrten Verpflichtungs- und Unterlassungserklärung einen erneuten Verstoß gegen das bereits abgemahnte und zur Unterlassung verpflichtete Urheberrecht des Rechteinhabers begeht.
Im nächsten Beispiel wurde eine Familie vorgestellt, welche eine Vielzahl an Abmahnungen erhalten habe. Die betroffene Familie hält die Abmahnungen insbesondere aus zwei Gründen für fehlerhaft. Zum einen sei sie zu den relevanten Zeitpunkten teilweise gar nicht zu Hause gewesen und zum anderen sei der Upload der in Rede stehenden urheberrechtlich geschützten Werke aufgrund der nicht sehr umfangreichen Bandbreite des vorgehaltenen DSL-Anschlusses überhaupt nicht möglich. Beides spreche nach Ansicht der betroffenen Familie gegen die Berechtigung der Abmahnung. Das Argument, wonach über eine so geringe Bandbreite die betroffenen urheberrechtlich geschützten Werke gar nicht getauscht worden sein könnten, wurde in der Sendung durch den von der Familie beauftragten Kollegen nochmals ausdrücklich bekräftigt. Dies sei ein Indiz dafür, dass bei der Rückverfolgung Fehler unterlaufen wären.
Ob mit dem Argument der geringen Bandbreite einer Abmahnung erfolgreich entgegen getreten werden kann, dürfte eher fraglich sein. Rein technisch gesehen werden die gewünschten Dateien beim Filesharing üblicherweise parallel von einer Vielzahl unterschiedlicher Rechner geladen, was zu einer Reduzierung der mit den jeweiligen Anbietern getauschten Datenmengen führt. Nur in den wenigstens Fällen wird eine Datei bzw. das urheberrechtlich geschützte Werk vollständig mit nur einem Anbieter getauscht oder von nur einem Rechner geladen. Die anteiligen Datenmengen können hingegen auch über einen Internetanschluss mit nur geringer Bandbreite über das Internet getauscht werden.
Man könnte mit diesem Argument nur dann erfolgreich gegen eine Abmahnung vorgehen, wenn diese nur dann berechtigt wäre, wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk vollständig von einem einzelnen anbietenden Internetanschluss heruntergeladen werden müsste. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall. Aus juristischer Sicht kommt es im Rahmen der Verletzung des Urheberrechts in Form des öffentlichen Zugänglichmachens von fremden Werken nicht einmal darauf an, dass das Werk überhaupt getauscht worden ist.
Regelmäßige Rechtsgrundlage von Abmahnungen im Bereich Filesharing ist § 19a UrhG. Dort heißt es:
„Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.“
Gegenstand des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung ist folglich das Bereitstellen von Werken zum interaktiven Abruf. Dabei ist die maßgebliche Verwertungshandlung das Zugänglichmachen des Werkes für den interaktiven Abruf. Auf den tatsächlichen Abruf des Werkes kommt es nicht an, ebenso wenig auf die tatsächliche Vervielfältigungshandlung, wie bspw. das Herunterladen und Abspeichern des Werkes auf der Festplatte. Es bedarf aus diesem Grunde keines Nachweises, dass die im Internet vom Verletzer bereitgehaltenen Werke tatsächlich von Nutzern abgerufen und gespeichert wurden. Ausreichend ist, dass der Urheber nachweisen kann, dass das Werk von dem Verletzer für die Öffentlichkeit bereitgehalten und damit zugänglich gemacht wurde (LG Hamburg CR 2005, 136).
Hieran zeigt sich, dass eine geringe Bandbreite eines DSL-Anschlusses kein überzeugendes Indiz dafür sein kann, dass das Anbieten und öffentlich Zugänglichmachen einer Vielzahl unterschiedlicher urheberrechtlich geschützter Werke technisch nicht möglich sei. Für den Verstoß gegen § 19 a UrhG ist es ausreichend, dass die Werke überhaupt öffentlich zugänglich gemacht werden, was auch mittels eines Rechners mit nur einer geringen Bandbreite erfolgen kann. Einer Abmahnung mit dem Argument einer zu geringen Bandbreite entgegen zu treten, dürfte aus den vorgenannten Gründen wenig erfolgsversprechend sein.
Hilfreicher bei der Abwehr von Filesharing-Abmahnungen könnte jedoch der Hinweis auf die technische Möglichkeit der Manipulation mittels des sog. „Man-in-the-middle“ sein. Hierbei wird die IP-Adresse eines Anschlussinhabers ausgelesen und für den Up- und Download via Filesharing verwendet, ohne dass der betroffene Anschlussinhaber hiervon Kenntnis erlangt.
Der Hinweis auf diese technische Möglichkeit ist deshalb für die Abwehr einer Abmahnung relevant, weil bei der Ermittlung der IP-Adresse nicht gewährleistet wird, dass der Verstoß tatsächlich über den ermittelten Anschluss erfolgt ist. Die Technik des sog. „Man-in-the-Middle“ zeigt vielmehr eine Schwäche der Ermittlungen von IP-Adressen für die Filesharing-Abmahnungen.
Die finale Stellungnahme des in der Sendung befragten Kollegen, wonach zu bezweifeln sein dürfte, dass Gerichte nun unmittelbar die bisherige Rechtsprechung ändern werden, ist in jedem Fall zu unterstreichen. Die Gerichte sollten sich jedoch die Frage stellen, ob einzig und allein der Ausdruck einer IP-Adresse als gerichtsfester Beweis ausreichend sein sollte, obwohl Möglichkeiten der Manipulation bestehen. Eine Gerichtsfestigkeit des ermittelten Anschlusses könnte dann hergestellt werden, wenn man, wie dies im Anschluss an den Beitrag richtig angemerkt wurde, neben der IP-Adresse auch die MAC-Adresse des verursachenden Rechners oder auch Routers feststellen würde und diese Feststellung auch von den Gerichten verlangt werden würde. Die MAC-Adresse ist eindeutig und – soweit diesseits bekannt – nicht so leicht manipulierbar, so dass über diese Daten eine gerichtsfeste Identifizierung ermöglicht werden könnte.
Eine weitere Schwäche der meisten Abmahnungen im Bereich Filesharing wurde jedoch in dem Beitrag nicht erwähnt, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll. Regelmäßig wird in den Abmahnung als „Beweis“ dafür, dass es sich bei der Datei tatsächlich um das urheberrechtlich geschützte Werk handelt, der sog. Hashwert der in Rede stehenden Dateien angeführt. Auch hinsichtlich des Hash-Wertes wird aktuell von der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass durch ihn der Beweis erbracht werde, dass es sich um das in Rede stehende urheberrechtlich geschützte Werk handele. Dabei wird jedoch regelmäßig von den Gerichten verkannt, dass auch diese Daten leicht manipulierbar sind.
Das jeweilige urheberrechtlich geschützte Werk befindet sich regelmäßig in einer Archivdatei (z.B. .zip oder .rar), in der neben dieser Datei weitere Dateien enthalten sind. Bei der erstmaligen Erstellung dieses Archivs erhält die Datei dann ihren eindeutigen Hash-Wert. Soweit diesseits bekannt, wird der Hash-Wert jedoch anschließend nicht mehr verändert und das selbst dann, wenn man die in dem Archiv enthaltenen Dateien verändern bzw. gegen andere Dateien austauschen würde. Dies könnte beispielsweise derart erfolgen, dass die .zip Datei geöffnet wird und die enthaltenen Dateien gelöscht werden. Anschließend könnte man andere Dateien in das Archiv (.zip Datei) speichern, ohne dass der Hash-Wert geändert werden würde. Das bedeutet, dass durch den Hash-Wert gerade nicht rechtssicher festgestellt werden kann, dass das urheberrechtlich geschützte Werk auch in der von dem jeweiligen Anschlussinhaber angebotenen Datei enthalten gewesen sein soll.
Hieran zeigt sich ein besonderes Problem bei der Ermittlung eines Anschlussinhabers, der urheberrechtlich geschützte Werke öffentlich zugänglich gemacht haben soll, wenn dafür der „Beweis“ mittels Hash-Wert erbracht werden soll. Eine rechtssichere Feststellung der Urheberrechtsverletzung könnte nämlich über den Hash-Wert nur unter zwei Bedingungen erfüllt werden.
Entweder würde man die jeweils gesamte Datei von dem Rechner des Anschlussinhabers laden und könnte damit nachweisen, dass das urheberrechtlich geschützte Werk öffentlich zugänglich gemacht worden ist. Oder man würde die jeweiligen Teile, der öffentlich zugänglich gemachten Datei, dahingehend überprüfen, ob diese durch die P2P-Software dazu verwendet wurde, die Datei insgesamt zusammen zu setzen, in welcher sich das urheberrechtlich geschützte Werk befindet. Wie bereits erwähnt, werden verschiedene Teile der Archivdatei von unterschiedlichen Rechnern geladen. Die zusammengehörenden Dateiteile werden dabei automatisch durch die Software wieder zusammengesetzt. Heruntergeladene Pakete, die nicht zu der herunterzuladenden Datei gehören, werden durch die Software verworfen. Die Ermittlungen des Anschlussinhabers zeigen nicht, ob die von dem jeweiligen Anschlussinhaber öffentlich zugänglich gemachten Archivanteile auch Anteile der zusammengesetzten Datei mit urheberrechtlich geschütztem Werk sind.
Hieran zeigt sich, dass durch die Benennung des Hash-Wertes nicht gerichtsfest bewiesen werden kann, dass das angeblich urheberrechtlich geschützte Werk tatsächlich öffentlich zugänglich gemacht wurde.
Zusammenfassend bleibt daher festzuhalten, dass der Beitrag einen Teil der Schwächen der Filesharing-Abmahnungen angesprochen hat. Jedoch dürfte auch zukünftig fraglich sein, ob die Gerichte diese Problematiken erkennen und den Abmahnern strengere Beweispflichten auferlegen, um den angeblichen Urheberrechtsverstoß und die Zuordnung zu einem konkreten Anschlussinhaber zu beweisen.
WK LEGAL ist eine auf den Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrecht spezialisierte Wirtschaftsrechtskanzlei und berät eine Vielzahl von Betroffenen in Fällen von Abmahnungen. Gerne stehen wir auch Ihnen für Ihre unverbindlichen Fragen zur Verfügung. Sprechen Sie uns einfach an!
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Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).
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