BAFin haftet nicht gegen­über Wire­card-Anle­gern

Guido Kluck, LL.M. | 17. Februar 2023

Für Wirecard-Anleger ist es eine schlechte Nachricht: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BAFin) haftet Anlegern nicht auf Schadensersatz wegen unzureichender Aufsichtswahrnehmung, weil die Aufgaben allein im Öffentlichen Interesse wahrgenommen werden. Ein Schadensersatzanspruch einzelner Anleger besteht daher nicht. 

Wir fassen für Sie das Wichtigste zu diesem Thema zusammen!

Worum geht es im Fall Wirecard? 

Kurz zusammengefasst: Wirecard geriet als Zahlungsdienstleistungsunternehmen bereits 2019 in die Kritik, weil es mit Vorwürfen über falsch ausgewiesenen Kredite, Kreislaufbuchungen (sog. Round-Tripping) und überhöhte Kaufpreise von Gesellschaften zur wissenschaftlichen Berechnung von Managern. Am 18. Juni 2020 dann der Schock: Statt einer Veröffentlichung des Jahresabschlusses gestehen Wirecard und EY, dass 1,9 Milliarden Euro und damit etwa ein Viertel der Konzernbilanzsumme spurlos verschwunden sind bzw. wohl nie existiert haben. Der mutmaßliche Betrug war offenbar über Jahre weder Wirtschaftsprüfern noch der Finanzaufsicht aufgefallen. Der BaFin wird deshalb vorgeworfen, sie habe im Fall Wirecard versagt.

Was ist die BAFin? 

Die BaFin übt als zuständige Verwaltungsbehörde gemäß § 6 Abs. 1 KWG die Aufsicht über die Institute nach Maßgabe des KWG aus. § 7 Abs. 1 KWG regelt die Zusammenarbeit zwischen der BaFin und der Deutschen Bundesbank bei der laufenden Überwachung der Institute durch die Deutsche Bundesbank.

Rechtsstreit mit der BAFin 

Der Kläger, ein Anleger bei Wirecard, nahm die BAFin wegen behaupteter Aufsichts- und Informationsversäumnisse sowie Amtsmissbrauch auf Schadensersatz für die erlittenen Kursverluste von 2019 und 2020 gekauften Wirecard-Aktien in Anspruch. Das jedoch ohne Erfolg. 

OLG Frankfurt a.M. (Beschl. v. 06.02.2023, Az. 1 U 173/22

Das OLG Frankfurt a.M. hat die Klageabweisung der Vorinstanz bestätigt. Die BAFin habe nicht gegen die ihr obliegenden Amtspflichten bei der Bilanzkontrolle verstoßen. 

Bilanzkontrolle durch Zweistufensystem

Nach damaliger Rechtslage erfolgte die Bilanzkontrolle in einem zweistufigen System, wonach zunächst durch eine private Prüfstelle und danach durch eine staatliche Instanz (die BAFin) eine Prüfung erfolgte. Da die Beklagte dieses System eingehalten und im Februar 2019 eine Sonderprüfung durch eine private Prüfstelle veranlasste, bestehen keine Pflichtverletzungen. Ferner trug der Kläger auch für die Annahme etwaige Fehler im Rahmen der Bilanzkontrolle keine greifbaren Anhaltspunkte vor. 

Kein Amtsmissbrauch 

Darüber hinaus besteht auch kein Anspruch auf Schadensersatz aufgrund von Amtsmissbrauch der Beklagten, da schon allein kein amtsmissbräuchliches Verhalten feststellbar war.

Fazit 

Anleger, die im Zuge der Wirecard-Insolvenz Verluste erlitten haben, haben keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung der BAFin. Die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Der Kläger könnte eine Nichtzulassungsbeschwerde einreichen, mit der er die Zulassung der Revision begeht. Erlittene Kursverluste können also nicht eingeklagt werden. 

Das Thema Wirecard wird die deutsche Justiz noch Jahre beschäftigten. Natürlich ist eine bessere Kontrolle von Finanzinstituten geplant. Im Gefolge des gesamten Skandals sind die deutschen Behörden in die Kritik geraten, Finanzminister Olaf Scholz und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) präsentierten bereits ihre Pläne zur Verbesserung der Kontrolle. Beim Verdacht falscher Bilanzierung soll die Finanzaufsicht Bafin künftig unmittelbar einschreiten können.

Neben Straf- und Insolvenzverfahren sind auch eine Vielzahl von Zivilklagen rechtshängig. Die meisten richten sich gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die die mutmaßlich gefälschten Bilanzen testierte. Am Stuttgarter Landgericht sind mehr als 70 Klagen gegen EY eingegangen, am Münchner Landgericht mehr als 20. 

Sie haben Fragen zum Thema Bank- und Kapitalmarktrecht? Melden Sie sich bei uns! Unser spezialisiertes Team berät Sie gerne. Wir prüfen für Sie, welche Ansprüche auf Schadensersatz Sie geltend machen können. 

Jetzt teilen:

Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

ÜBER DIESEN AUTOR ARTIKEL VON DIESEM AUTOR

Das könnte Sie auch interessieren

Holen Sie sich Unterstützung

SIE HABEN NOCH FRAGEN?

Online Termin vereinbaren

Buchen Sie direkt online Ihren Termin für eine kostenlose Erstberatung. Der für Sie zuständige Rechtsanwalt wird Sie dann zu dem von Ihnen ausgewählten Termin anrufen.

Antworten per WhatsApp

LEGAL SMART beantwortet rechtliche Fragen auch per WhatsApp. Schreiben Sie uns einfach an und stellen Sie Ihre Frage. Antworten gibt es anschließend direkt auf Ihr Handy.

LEGAL SMART Anwaltshotline

Viele Fragen lassen sich mit einem Profi in einem kurzen Gespräch rechtssicher klären. Mit der LEGAL SMART Anwaltshotline steht Ihnen unser Anwaltsteam für Ihre Fragen zur Verfügung. Bundesweite Beratung über die kostenlose Anwaltshotline unter 030 - 62 93 77 980.

LEGAL SMART RECHTSPRODUKTE

ANWALTLICHE LEISTUNG ZUM FESTPREIS

LEGAL SMART Rechtsprodukt Patientenverfügung
99,00 €

Patientenverfügung

Überlassen Sie Ihre Behandlung im Ernstfall nicht dem Zufall. Bestimmen Sie mit einer Patientenverfügung selbst, welche Behandlung Sie wünschen und welche nicht.

LEGAL SMART Rechtsprodukt Markenanmeldung DE
299,00 €

Markenanmeldung DE

Schützen Sie Ihren Namen oder Ihr Produkt oder Dienstleistung durch eine Eintragung im Markenregister mit Ihrer eigenen Marke

LEGAL SMART Rechtsprodukt Markenanmeldung DE+
499,00 €

Markenanmeldung DE+

Mit einer alle Bereiche berücksichtigenden Prüfung erhalten Sie den besten Schutz für Ihre Marke und können Ihre eigene Marke in jeder Hinsicht einsetzen

MEHR PRODUKTE Anwaltliche Leistung zum Festpreis

LEGAL SMART Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

LEGAL SMART ist die Legal Tech Kanzlei für wirtschaftsrechtliche Themen. Durch konsequente Prozessoptimierung interner und externer Prozesse bieten wir neue Lösungen für verschiedene Fragestellungen. So ist das Recht für jeden zugänglich; schnell, digital und trotzdem mit der Expertise und Kompetenz einer erfahrenen Wirtschaftsrechtskanzlei. Denn Legal Tech ist mehr als nur der Einsatz von Technologie. Legal Tech ist die Bereitstellung juristischer Kompetenz.