Behörden dürfen US-Dienste mit Server in Deutschland einbinden

Guido Kluck, LL.M. | 10. Oktober 2022

Das OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe Beschl. v. 7.9.2022 – 15 Verg 8/22) hat im Beschlusswege entschieden, dass eine Anbieterin eines digitalen Entlassmanagements für Patienten nicht allein deswegen aus einem kommunalen Vergabeverfahren auszuschließen ist, weil sie die luxemburgische Tochtergesellschaft eines US-amerikanischen Unternehmens als Hosting-Dienstleisterin einbinden will. 

Vielmehr dürfen sich die Auftraggeber auf die Zusagen der Anbieterin verlassen, dass die Daten ausschließlich in Deutschland verarbeitet und in kein Drittland übermittelt würden.

Alles was Sie zu diesem Beschluss wissen müssen, fassen wir für Sie auf unserem Blog zusammen!

Sachverhalt

In dem Vergabeverfahren zweier kommunaler Krankenhausgesellschaften war vorausgesetzt, dass die Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung und des Bundesdatenschutzgesetzes hinsichtlich der personenbezogenen Daten der zur Entlassung anstehenden Patientinnen und Patienten erfüllt sein müssen. 

Eine der Anbieterinnen sicherte in ihren Angebotsunterlagen zu, das von ihr als Hosting-Dienstleisterin eingebundene luxemburgische Tochterunternehmen eines US-amerikanischen Konzerns werde den Auftrag ausschließlich bearbeiten und die Daten würden ausnahmslos auf einem in Frankfurt am Main stehenden Server einer deutschen GmbH verarbeitet. 

Die Krankenhausgesellschaften kündigten im Vergabeverfahren an, dieser Anbieterin den Zuschlag erteilen zu wollen, weil sie ihr Angebot als das wirtschaftlichste ansähen.

Das Problem: Vergabekammer befürchtet unzulässige Datenübermittlung in die USA

Die Vergabekammer Baden-Württemberg entschied später jedoch, dass die ausgewählte Anbieterin aus dem Vergabeverfahren auszuschließen ist, da der Einsatz des luxemburgischen Tochterunternehmens gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoße und daher die Anforderungen der Vergabeunterlagen nicht eingehalten seien. 

Unzulässige Datenerhebung in Drittland?

Die Vergabekammer befürchtete eine Nutzung von Diensten des US-amerikanischen Unternehmens sei eine unzulässige Datenübermittlung in ein Drittland (hier: die USA). 

Sie war der Auffassung, für die Annahme reiche bereits das latente Risiko eines Zugriffs von staatlichen und privaten Stellen außerhalb der EU aus.

Rechtstipp: Eine Änderung an den Vergabeunterlagen liegt immer dann vor, wenn eine unmittelbare Veränderung an dem Inhalt des auftraggeberseitig vorgegebenen Angebotsblanketts einschließlich aller seiner Bestandteile vorgenommen worden ist 

OLG: Von Erfüllbarkeit der vertraglichen Zusagen ist auszugehen

Das sah das OLG Karlsruhe jedoch anders und hob die Entscheidung der Vergabekammer unter Zurückweisung des Nachprüfungsantrags auf. 

Die zuständigen Richter urteilten, dass bei der Nachprüfung einer Vergabeentscheidung grundsätzlich davon auszugehen ist, dass ein Bieter seine vertraglichen Zusagen erfüllen werde. 

Erst wenn sich aufgrund konkreter Anhaltspunkte Zweifel daran ergäben, müsse der öffentliche Auftraggeber ergänzende Informationen einholen und die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens prüfen.

So das Urteil: „Der öffentliche Auftraggeber darf ohne Widerspruch zu § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Bieter seine vertraglichen Zusagen erfüllen wird. Erst wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dies zweifelhaft ist, ist der öffentliche Auftraggeber gehalten, durch Einholung ergänzender Informationen die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens beziehungsweise die hinreichende Leistungsfähigkeit des Bieters zu prüfen.

Fazit

Im vorliegenden Fall hätte die Anbieterin eindeutige Zusicherungen zu dem Inhalt des Vertrags zwischen ihr und der luxemburgischen Holding-Dienstleisterin gemacht. Danach dürften Daten ausschließlich an diese luxemburgische Gesellschaft übermittelt und ausnahmslos von ihr und nur in Deutschland verarbeitet werden. Damit ist grundsätzlich von der Erfüllbarkeit der Aussage auszugehen. Die Krankenhausgesellschaften können auf dieser Grundlage berechtigt darauf vertrauen, dass die Anbieterin diese Vorgaben auch in ihrem Verhältnis zur Hosting-Dienstleisterin vertragsgemäß umsetzen werde. Sie müssten auch nicht damit rechnen, dass die luxemburgische Gesellschaft vertragswidrige und gegen europäisches Recht verstoßende Weisungen befolgen und personenbezogene Daten in die USA übermitteln werde. Mittlerweile ist die Entscheidung des OLG rechtskräftig. 

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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