David vs. Goliath oder: Der Wirt vs. Google

Guido Kluck, LL.M. | 28. August 2019

„Das Internet ist für uns alle Neuland …“ hatte Angela Merkel im Jahr 2013 in einer Pressekonferenz gesagt und heimste damit medial diverse Lacher ein. Nunja …. in der Rechtsprechung scheint dieses Zitat dann doch immer wieder zu stimmen, weil sich das Internet auch ständig weiterentwickelt und viele Fragen aus rechtlicher Sicht bisher ungeklärt sind. 

Eine solche Frage kann heute das Landgericht München I heute klären und zwar in einem Fall, wie ihn Menschen lieben. David gegen Goliath heißt es heute vor dem Landgericht, wenn der Wirt Peter Hubert gegen Google antritt. 

Was war passiert?

Google betreibt unter anderem den Dienst Google Maps und bietet für Restaurants, Bars, Museen und viele weitere öffentliche und private Stellen im Rahmen des Google Maps Angebotes auch eine Angabe zu den Wartezeiten an. 

Der Wirt Peter Hubert, der am Tegernsee das Herzogliche Bräustüberl betreibt, wurde im Jahr 2017 von Gästen darauf aufmerksam gemacht, dass für sein Restaurant bei Google Maps eine Wartezeit in Stoßzeiten von 15 bis 90 Minuten, angegeben seien.

Menschen informieren sich heute vor einem Besuch eines Museums oder einem Restaurant online. Und das alles läuft regelmäßig über Google. Und es dürfte verständlich sein, dass der Wirt davon ausgehen muss, dass Besucher sich von Wartezeiten von bis zu 90 Minuten für einen Tisch oder eine Bestellung abschrecken lassen und sein Restaurant erst gar nicht besuchen. 

Kundenorientierte Problemlösung: Fehlanzeige

Peter Hubert wandte sich, nach Angaben von Spiegel Online und golem.de zunächst an Google, um den Eintrag löschen zu lassen, weil die dortigen Angaben nicht zutreffen würden. Er verwies insoweit auf die Google Rezensionen, in welchen u.a. die „schnelle Bedienung“ gelobt wurde.

Und der Internetriese ging in seiner gewohnten Art und Weise vor. Die geschätzten Wartezeiten basieren auf anonymen Daten von Personen, die in der Vergangenheit das betreffende Restaurant besucht haben, ähnlich wie bei den Funktionen „Stoßzeiten“ und „Besuchsdauer“. Google verwies auf einen Link, unter dem Unternehmen eine Rückmeldung übermitteln könnten. Dauer der Bearbeitung und nachhaltige Beendigung des Problems, ungewiss. Ferner wird Peter Huber insoweit zitiert, dass ein Google-Mitarbeiter auf einen Algorithmus verwiesen, der weltweit gleich sei.

Rechtsfragen für das Gericht

Aus rechtlicher Sicht dürfte dieser Fall besonders in einem Punkt spannend sein. Denn die Klage richtet sich gegen die deutsche Niederlassung von Google Germany aus Hamburg, welche die wirksame Zustellung der Klage bestreite. Google verweist in solchen und ähnlich gelagerten Fällen stets auf seinen Sitz in den USA, der auch in allen Google Nutzungsbedingungen als Gerichtsstand angegeben wird. Nach Ansicht von Google Germany hätte die Klage dort zugestellt werden müssen. 

Zustellungen von Klagen im Ausland sind regelmäßig sehr schwierig und teuer und verzögern die oftmals sehr langen Prozesslaufzeiten noch erheblich. Aus diesem Grunde nehmen viele hiervon Abstand und sehen sich dann dem „Treiben“ des Internetriesen mehr oder minder hilflos ausgeliefert. 

Das Landgericht München I muss nun klären, ob die Klage auch wirksam an Google Germany werden konnte. Die Problematik in solchen Fällen ist nicht trivial, weshalb diesbezügliche Rechtsfragen von Gerichten bisher auch nicht abschließend geklärt werden konnten. Denn regelmäßig werden die Daten von Google in den USA gespeichert, so dass Google Germany auch stets darauf verweist, dass sie nicht „Herrin der Daten“ seien und auch schon tatsächlich nicht eingreifen könnten. Legt man zu Grunde, dass die Daten durch die Google Inc. in den USA gespeichert werden und das Angebot bei Google Maps und anderen Diensten ausschließlich aus diesen Daten ergibt, dann wäre der Klagegegner in diesem Fall die Google Inc. und gerade nicht die Google Germany GmbH aus Hamburg. Das Ganze ist natürlich dann anders zu bewerten, wenn man die Google Germany GmbH als Tochtergesellschaft bewertet.

Denn in einem sehr ähnlich gelagerten Fall hatte das OLG München bereits am 02.03.2017 (Az.: 6 U 2940/16) entschieden, dass eine Zustellung der Klage bei der Microsoft Deutschland GmbH wirksam war. Das Gericht hatte sich jedoch 2017 darauf berufen, dass die deutsche Tochtergesellschaft von Microsoft als „Niederlassung“ beworben hatte. In dem damaligen Urteil des OLG München heißt es dazu:

„Die am 23.12.2015 an „c/o Microsoft Deutschland GmbH …“ erfolgte Zustellung der Klageschrift ist nämlich in rechtlicher Hinsicht vor dem Hintergrund, dass eine Partei auf Beklagtenseite nicht nur an ihrem Hauptsitz, sondern auch an jedem Ort ihrer Niederlassung verklagt werden kann, als an die Beklagte selbst bewirkt anzusehen.

(…)

Diese Beurteilung stützt sich darauf, dass die Beklagte in ihrer eigenen Internetwerbung (Anl. K 10, K 11, zu ersehen aus der Kopfzeile „Microsoft Corporation … www.microsoft.com…) die Nebenintervenientin als ihre zweitgrößte Tochtergesellschaft – eine von weltweit 119 Niederlassungen – vorstellt (Anl. K 10), die in ihrem Aufgabengebiet in der Abteilung Marketing & Operations (M&O) „sämtliche Marketingaktivitäten, Kampagnen und Produkteinführungen“ des Microsoft-Konzerns in Deutschland „steuert“, als Consumer Channels Group (CCG) den „Vertrieb und die Vermarktung aller Produkte – von Office über Phones bis hin zur Xbox – an Privatkunden“ steuert und in ihrer Abteilung Law & Corporate Affairs (LCA) für „alle juristischen Aspekte und Politikthemen zuständig“ ist. „Dazu gehören etwa vertrags- und urheberrechtliche Fragen, aber auch im Bereich Software-Piraterie“ (vgl. Anl. K 11). Angesichts der Fülle der von der Beklagten als Muttergesellschaft der Nebenintervenientin für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugewiesenen Aufgaben innerhalb des Microsoft-Konzerns sowohl im Bereich der Vertriebs und der Vermarktung aller Produkte, von dessen Einführung bis hin zu Marketingaktivitäten und der Durchführung von Kampagnen, als auch in Bezug auf die Zuweisung juristischer Fragenkomplexe, von denen Vertrags- und urheberrechtliche Themen nur beispielhaft aufgeführt werden, nicht abschließend, wie der Hinweis auf „alle juristischen Aspekte“ (abweichend vom Vortrag der Nebenintervenientin bezieht sich diese Aussage in Anl. K 11 nicht auf die Microsoft Deutschland GmbH, sondern auf die Microsoft Corporation) belegt, wird der von der Werbung der Beklagten angesprochene Interessent davon ausgehen, dass es konzernintern zum Aufgabengebiet der vor Ort ansässigen Nebenintervenientin zählt, sich der Frage der Unlauterkeit des im Streitfall vom Kläger als wettbewerbswidrig angesehenen Vorgehens der Beklagten zu stellen. Dieser äußere Anschein, den die Beklagte durch ihren Internetauftritt gesetzt hat, rechtfertigt aus den vorgenannten Gründen die Beurteilung, dass es sich bei der Nebenintervenientin um eine Niederlassung der Beklagten handelt, an deren Sitz letztere verklagt werden kann.“

Das OLG München hat sich folglich also darauf gestützt, dass die Muttergesellschaft die Tochtergesellschaft in der eigenen Bewerbung der Tochtergesellschaft mit diversen Kompetenzen ausgestattet hat, welche diese für das Gebiet Deutschland „erledigen“ würde. Aufgrund dieses Umstandes, so das OLG München, sei die Klage dann auch wirksam bei der Tochtergesellschaft zustellbar gewesen.

Chance zur Klärung durch das Gericht

Das Landgericht München I hat im Rahmen dieses Falles die große Chance für betroffene Unternehmen in Deutschland Rechtssicherheit und auch ein wenig „Chancengleichheit“ zu schaffen. Denn wenn Klagen zukünftig auch an die deutschen Tochtergesellschaften zustellbar sind, dann würden betroffene Unternehmen nicht mehr davon abgehalten werden ihre Rechte gegenüber großen Internetkonzernen geltend zu machen und durchzusetzen. Hierdurch könnten viele Unternehmen, deren Rechte verletzt worden sind, letztlich zur Wehr setzen, ohne den aufgebauten formalen Hürden der Klagezustellung in den USA und weiterer erschwerender Umstände fast chancenlos gegenüber zu stehen.

Es bleibt daher zu hoffen, dass das Landgericht München I diese Chance erkennt und wahrnimmt und hier für Unternehmen Klarheit schafft, die dann durch höhere Instanzen überprüft werden könnte. 

Unternehmen, die in gleicher oder ähnlicher Weise betroffen sind stehen wir jederzeit für die Geltendmachung und Durchsetzung ihrer Ansprüche zur Seite. Hoffentlich natürlich dann im Rahmen unserer Rechtsordnung vor einem deutschen Gericht und mit der Zustellmöglichkeit an eine deutsche Niederlassung. 

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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