Deutsche Wohnen entgeht DSGVO-Bußgeld in Millionenhöhe

Guido Kluck, LL.M. | 15. März 2021

Die Immobiliengesellschaft Deutsche Wohnen SE ist einem DSGVO-Bußgeld i.H.v. 14,5 Millionen Euro knapp entgangen, denn das LG Berlin erklärte den Bußgeldbescheid für unwirksam. Der Bußgeldbescheid der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 30. Oktober 2019 leidet unter derart gravierenden Mangeln, dass er nicht Grundlage des Verfahrens sein kann.

Sachverhalt

Der Vorwurf der BlnBDI an die Deutsche Wohnen SE ist, dass die Immobiliengesellschaft zwischen Mai 2018 und März 2019 zahlreiche personenbezogene Daten von Mietern in ihrem Archivsystem gespeichert habe, aber diese Daten nicht einer Löschungsmöglichkeit unterlagen. Die Daten waren wohl auch noch verfügbar, nachdem die Mietverhältnisse längst beendet waren. Zu den gespeicherten personenbezogenen Daten zählten teilweise mehrere Jahre alte Informationen zu Mietern, darunter Sozial- und Krankenversicherungsdaten, Arbeitsverträge, Steuerdaten sowie Informationen zu finanziellen Verhältnissen.

Bußgeld gegen Deutsche Wohnen SE

Der Bußgeldbescheid wurde gegen die Immobiliengesellschaft erlassen. Diese ist auch eine Europäische Gesellschaft und eine juristische Person des Privatrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit i.S.v. § 1 Abs.1 AktG i.V.m. §§ 1 ff SEAG in Verbindung mit Artikel 1 Abs.3 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft. Die Deutsche Wohnen wurde von der BlnBDI als Betroffene im Sinne des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten behandelt. Ihr wurde im Bußgeldbescheid an zahlreichen Stellen die vorsätzliche Verwirklichung von Ordnungswidrigkeitstatbeständen vorgeworfen. In der Stellungnahme der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 28. Oktober 2020 zur Einspruchsbegründung der Betroffenen hat die Behörde bekräftigt, der Bescheid richte sich allein gegen die Immobiliengesellschaft,vertreten durch ihre Geschäftsführung.

Juristische Person kann nicht Betroffene eines Bußgeldverfahrens sein

Eine juristische Person kann, nach Ansicht der Richter, nicht Betroffene in einem Bußgeldverfahren, auch nicht in einem solchen nach Artikel 83 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung oder DSGVO), sein.

Rechtstipp: Denn eine Ordnungswidrigkeit kann nur eine natürliche Person vorwerfbar begehen. Der juristischen Person kann lediglich ein Handeln ihrer Organmitglieder oder Repräsentanten (der natürlichen Personen) zugerechnet werden. Sie kann deshalb im Bußgeldverfahren nur Nebenbeteiligte sein. 

Die Regelung der Zurechnung der durch natürliche Personen begangenen Verstöße ist erforderlich, da die juristische Person selbst nicht handelt. Jedoch tun es ihre Organe und Vertreter für sie. Gem. § 1 Abs.1 OWiG ist eine Ordnungswidrigkeit aber eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, welches die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.

Insoweit ist die Feststellung eines vorwerfbaren Verhaltens einer natürlichen Person die notwendige Grundvoraussetzung für die Begründung einer Verantwortlichkeit des Rechtsträgers.

Geldbuße gegen juristische Person nach § 30 OWiG

Die Verhängung einer Geldbuße gegen sie ist in § 30 OWiG geregelt, der über § 41 Abs.1 BDSG auch für Verstöße nach Art. 83 Abs.4-6 DSGVO Anwendung findet. Danach kann entweder in einem einheitlichen Verfahren gegen die juristische Person eine Geldbuße festgesetzt werden, wenn wegen der Tat des Organmitgliedes oder Repräsentanten, also der natürlichen Person, gegen diese ein Bußgeldverfahren durchgeführt wird, oder aber nach § 30 Abs.4 OWiG in einem selbständigen Verfahren. Voraussetzung ist dann, dass wegen der Tat des Organmitgliedes oder Repräsentanten der juristischen Person ein Verfahren nicht eingeleitet oder ein solches Verfahren eingestellt wird.

Fazit 

Der verfahrensgegenständliche Bußgeldbescheid vom 30. Oktober 2019 wurde offensichtlich nicht als selbständiger Bescheid gemäß § 30 Abs.4 OWiG erlassen. Die BlnBDI war sich der dargestellten Rechtslage nicht bewusst. Sie vertritt die Auffassung, eine juristische Person könne im Ordnungswidrigkeitenrecht wie eine natürliche Person behandelt werden. Der Bußgeldbescheid erging daher in einem Verfahren, das im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten nicht vorgesehen und daher nicht zulässig ist. Der Bescheid ist deshalb unwirksam und die Deutsche Wohnen ist dem Bußgeld in Millionenhöhe vorerst entgangen. Wie oben aber auch kurz erklärt, ist eine Geldbuße auch gegen eine juristische Person möglich. 

Sie haben Fragen zum Thema DSGVO bezüglich Ihres Unternehmens? Melden Sie sich bei uns! Unser im Datenschutzrecht spezialisiertes Team steht Ihnen gerne schnell und unkompliziert zur Seite und berät Sie gern.

Jetzt teilen:

Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

ÜBER DIESEN AUTOR ARTIKEL VON DIESEM AUTOR

Das könnte Sie auch interessieren

Holen Sie sich Unterstützung

SIE HABEN NOCH FRAGEN?

Online Termin vereinbaren

Buchen Sie direkt online Ihren Termin für eine kostenlose Erstberatung. Der für Sie zuständige Rechtsanwalt wird Sie dann zu dem von Ihnen ausgewählten Termin anrufen.

Antworten per WhatsApp

LEGAL SMART beantwortet rechtliche Fragen auch per WhatsApp. Schreiben Sie uns einfach an und stellen Sie Ihre Frage. Antworten gibt es anschließend direkt auf Ihr Handy.

LEGAL SMART Anwaltshotline

Viele Fragen lassen sich mit einem Profi in einem kurzen Gespräch rechtssicher klären. Mit der LEGAL SMART Anwaltshotline steht Ihnen unser Anwaltsteam für Ihre Fragen zur Verfügung. Bundesweite Beratung über die kostenlose Anwaltshotline unter 030 - 62 93 77 980.

LEGAL SMART RECHTSPRODUKTE

ANWALTLICHE LEISTUNG ZUM FESTPREIS

LEGAL SMART Rechtsprodukt DSGVO Website Update
249,00 €

DSGVO Website Update

Das Update für Ihre Website nach den Anforderungen der DSGVO und haben Sie keine Angst vor Abmahnungen oder Bußgeldern.

LEGAL SMART Rechtsprodukt Markenanmeldung EU
899,00 €

Markenanmeldung EU

Mit der EU Marke ist Ihre Marke europaweit geschützt und sichert Sie und Ihre Marke vor parallelen Marken in anderen europäischen Staaten. Nutzen Sie jetzt Ihre Chance auf Ihre EU Marke

MEHR PRODUKTE Anwaltliche Leistung zum Festpreis

LEGAL SMART Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

LEGAL SMART ist die Legal Tech Kanzlei für wirtschaftsrechtliche Themen. Durch konsequente Prozessoptimierung interner und externer Prozesse bieten wir neue Lösungen für verschiedene Fragestellungen. So ist das Recht für jeden zugänglich; schnell, digital und trotzdem mit der Expertise und Kompetenz einer erfahrenen Wirtschaftsrechtskanzlei. Denn Legal Tech ist mehr als nur der Einsatz von Technologie. Legal Tech ist die Bereitstellung juristischer Kompetenz.