DSGVO-Verstöße und Wettbewerbsrecht
Wann DSGVO-Verstöße wettbewerbsrechtlich relevant und verfolgbar sind, ist nach wie vor […]
Die Immobiliengesellschaft Deutsche Wohnen SE ist einem DSGVO-Bußgeld i.H.v. 14,5 Millionen Euro knapp entgangen, denn das LG Berlin erklärte den Bußgeldbescheid für unwirksam. Der Bußgeldbescheid der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 30. Oktober 2019 leidet unter derart gravierenden Mangeln, dass er nicht Grundlage des Verfahrens sein kann.
Der Vorwurf der BlnBDI an die Deutsche Wohnen SE ist, dass die Immobiliengesellschaft zwischen Mai 2018 und März 2019 zahlreiche personenbezogene Daten von Mietern in ihrem Archivsystem gespeichert habe, aber diese Daten nicht einer Löschungsmöglichkeit unterlagen. Die Daten waren wohl auch noch verfügbar, nachdem die Mietverhältnisse längst beendet waren. Zu den gespeicherten personenbezogenen Daten zählten teilweise mehrere Jahre alte Informationen zu Mietern, darunter Sozial- und Krankenversicherungsdaten, Arbeitsverträge, Steuerdaten sowie Informationen zu finanziellen Verhältnissen.
Der Bußgeldbescheid wurde gegen die Immobiliengesellschaft erlassen. Diese ist auch eine Europäische Gesellschaft und eine juristische Person des Privatrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit i.S.v. § 1 Abs.1 AktG i.V.m. §§ 1 ff SEAG in Verbindung mit Artikel 1 Abs.3 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft. Die Deutsche Wohnen wurde von der BlnBDI als Betroffene im Sinne des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten behandelt. Ihr wurde im Bußgeldbescheid an zahlreichen Stellen die vorsätzliche Verwirklichung von Ordnungswidrigkeitstatbeständen vorgeworfen. In der Stellungnahme der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 28. Oktober 2020 zur Einspruchsbegründung der Betroffenen hat die Behörde bekräftigt, der Bescheid richte sich allein gegen die Immobiliengesellschaft,vertreten durch ihre Geschäftsführung.
Eine juristische Person kann, nach Ansicht der Richter, nicht Betroffene in einem Bußgeldverfahren, auch nicht in einem solchen nach Artikel 83 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung oder DSGVO), sein.
Rechtstipp: Denn eine Ordnungswidrigkeit kann nur eine natürliche Person vorwerfbar begehen. Der juristischen Person kann lediglich ein Handeln ihrer Organmitglieder oder Repräsentanten (der natürlichen Personen) zugerechnet werden. Sie kann deshalb im Bußgeldverfahren nur Nebenbeteiligte sein.
Die Regelung der Zurechnung der durch natürliche Personen begangenen Verstöße ist erforderlich, da die juristische Person selbst nicht handelt. Jedoch tun es ihre Organe und Vertreter für sie. Gem. § 1 Abs.1 OWiG ist eine Ordnungswidrigkeit aber eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, welches die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.
Insoweit ist die Feststellung eines vorwerfbaren Verhaltens einer natürlichen Person die notwendige Grundvoraussetzung für die Begründung einer Verantwortlichkeit des Rechtsträgers.
Die Verhängung einer Geldbuße gegen sie ist in § 30 OWiG geregelt, der über § 41 Abs.1 BDSG auch für Verstöße nach Art. 83 Abs.4-6 DSGVO Anwendung findet. Danach kann entweder in einem einheitlichen Verfahren gegen die juristische Person eine Geldbuße festgesetzt werden, wenn wegen der Tat des Organmitgliedes oder Repräsentanten, also der natürlichen Person, gegen diese ein Bußgeldverfahren durchgeführt wird, oder aber nach § 30 Abs.4 OWiG in einem selbständigen Verfahren. Voraussetzung ist dann, dass wegen der Tat des Organmitgliedes oder Repräsentanten der juristischen Person ein Verfahren nicht eingeleitet oder ein solches Verfahren eingestellt wird.
Der verfahrensgegenständliche Bußgeldbescheid vom 30. Oktober 2019 wurde offensichtlich nicht als selbständiger Bescheid gemäß § 30 Abs.4 OWiG erlassen. Die BlnBDI war sich der dargestellten Rechtslage nicht bewusst. Sie vertritt die Auffassung, eine juristische Person könne im Ordnungswidrigkeitenrecht wie eine natürliche Person behandelt werden. Der Bußgeldbescheid erging daher in einem Verfahren, das im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten nicht vorgesehen und daher nicht zulässig ist. Der Bescheid ist deshalb unwirksam und die Deutsche Wohnen ist dem Bußgeld in Millionenhöhe vorerst entgangen. Wie oben aber auch kurz erklärt, ist eine Geldbuße auch gegen eine juristische Person möglich.
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Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).
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