Entschädigung für Betriebsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie

Guido Kluck, LL.M. | 10. Juni 2020

Aufgrund der verheerenden finanziellen Konsequenzen der durch Allgemeinverfügungen angeordneten Betriebsschließungen wegen des Corona-Virus, fragen sich viele Unternehmer, ob sie diese dulden müssen und nicht wenigstens eine Entschädigung verlangen können.

Betriebsschließungen durch das Corona-Virus

Verordnungen mit Titeln wie „Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2“ wurden in allen deutschen Bundesländern erlassen und ähneln sich inhaltlich stark.

Um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen, enthielten sie Paragrafen, die so oder so ähnlich lauten:

Der Betrieb folgender Einrichtungen wird bis zum 10. Mai 2020 für den Publikumsverkehr untersagt“.

Dann folgt eine Aufzählung der betroffenen Betriebe, die sich durch fast alle Branchen zog. Inzwischen sind die Verordnungen etwas gelockert und viele Betriebe dürfen unter Auflagen zumindest teilweise ihren Betrieb wiederaufnehmen.

Entschädigung bei Betriebsschließungen

Für viele Unternehmen sind die monatelangen Schließungen existenzgefährdend. Sie sollten eine Entschädigung für ihre Verluste verlangen. Eine Entschädigung kann sich aus verschiedenen Ansätzen ergeben. Unter anderem in Betracht kommen:

§§ 56 und 65 IfSG

Zunächst kann § 56 IfSG herangezogen werden. Dieser besagt, dass „Ausscheide, Ansteckungsverdächtige, Krankheitsverdächtige und sonstige Träger von Krankheitserregern“, die ihrer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen könne und Verdienstausfälle erleiden, eine Entschädigung in Geld verlangen können. Zu diesem Wortlaut passen die prophylaktischen Betriebsschließungen durch die Corona-Verordnungen zwar nicht, allerdings ist es denkbar, die Norm über ihren Wortlaut hinaus analog auch auf Betriebsschließungen nach § 32 i.V.m. § 28 IfSG anzuwenden, denn diese erfolgten zur Verhinderung der Ausbreitung des Corona-Virus. Die Schließung eines kompletten Betriebes ist immerhin ein deutlich schwerer Eingriff als ein individuelles Tätigkeitsverbot und führt zu weitreichenden wirtschaftlichen Nachteilen.

Daneben sieht § 65 IfSG eine Entschädigung vor, wenn aufgrund „einer Maßnahme nach den §§ 16 und 17 Gegenstände vernichtet, beschädigt oder in sonstiger Weise in ihrem Wert gemindert werden oder ein anderer nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird“. Relevant ist hier vor allem der andere nicht nur unwesentliche Vermögensnachteil, der hier in Form der Nachteile aus den Betriebsschließungen erwachsen sind.

Enteignender und enteignungsgleicher Eingriff, Amtshaftung

Die Betriebsschließungen sorgen dafür, dass die Unternehmer ihren Betrieb nicht nutzen können, was einer Enteignung gleichkommt. Auch aus diesem Ansatz kann ein Entschädigungsanspruch abgeleitet werden. Sofern die Corona-Verordnungen als rechtswidrig anzusehen sind, weil die angeordneten Betriebsschließungen keine gesetzliche Grundlage in den §§ 28-31 IfSG finden, die nach § 32 IfSG hier die Voraussetzungen vorgeben, so kommt eine Entschädigung wegen eines enteignungsgleichen Eingriffs in Betracht. Sofern die Verordnungen als rechtmäßig anzusehen sein sollten, kommt ein Anspruch wegen eines enteignenden Eingriffes in Betracht, da durch die Anordnung der Betriebsschließung in Art. 14 Abs. 1 GG (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) und Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) eingegriffen wird und als Nebenfolge Schäden eingetreten sind. Der massive Eingriff in Art. 12 und 14 GG kann einzelfallbezogen keine hinreichende Grundlage in IfSG finden und dann auch einen Anspruch aus Amtshaftung gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG bewirken.

Zwischenfazit

Es gibt verschiedene Möglichkeiten für Unternehmen, eine Entschädigung für die finanziellen Verluste zu verlangen. Einen Überblick über diese erhalten Sie auch hier. Wenn Sie eine Entschädigung geltend machen wollen, wenden Sie sich gerne an unsere Kanzlei. Wir finden den für Sie am besten geeigneten Weg, Ihre Ansprüche durchzusetzen!

Primärrechtsschutz

Immer wieder liest man im Zusammenhang mit Entschädigungsansprüchen auch vom Vorrang des sogenannten Primärrechtsschutzes. Damit ist gemeint, dass die Unternehmer zuerst gegen die Verordnung bzw. die Maßnahmen selbst vorgehen sollen, statt die Schließung zu dulden und Entschädigung zu verlangen (Sekundärrechtsschutz). Ein solches Vorgehen umfasst verwaltungsgerichtliche Rechtsbehelfe. In Betracht kommt unter anderem eine Normenkontrolle im Eilverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO und ein Hauptsacheverfahren nach § 47 Abs. 1 VwGO, sowie die Anfechtung der Allgemeinverfügung.

Es ist aber keineswegs so, dass diese Vorgehensweise, so wie oftmals dargestellt, zwangsläufig erforderlich ist, sondern von der Ansicht der Gerichte abhängt, die sich in den nächsten Monaten herausstellen wird. Auch die vielzitierte Entscheidung des BGH (Urt. v. 26.01.1984 – III ZR 216/82) bezieht sich lediglich auf rechtwidrige Eingriffe in das Eigentum, mithin enteignungsgleiche Eingriffe. Zudem besagt sie lediglich, dass aus dem Rechtsgedanken von § 254 BGB ein Mitverschulden angenommen werden kann und auch nur, sofern es zumutbare Rechtsbehelfe gibt. Nur weil es denkbare Alternativen zur Geltendmachung von

Erste Entscheidungen von Verwaltungsgerichten

Es gibt bereits erste Entscheidungen von Verwaltungsgerichten zur Rechtmäßigkeit von Betriebsschließungen. Diese fielen unterschiedlich aus. Die aktuelle Situation beschreibt die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg gut, welches in seiner Entscheidung im Eilverfahren die Erfolgsaussichten der Hauptsache als „offen“ bezeichnet.

VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.04.2020 – 1 S 925/20

Es erkennt einerseits die Schwere des Eingriffs der Betriebsschließungen an: „Die Schließung einer Vielzahl von Verkaufsstellen und Dienstleistungsbetrieben durch eine Rechtsverordnung ist jedoch von einer sehr beträchtlichen Eingriffstiefe. Die Intensität des damit verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit ist für jeden einzelnen betroffenen Betrieb, der sich auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen kann, ausgesprochen hoch. Denn der Eingriff führt für sie für einen längeren Zeitraum zu einem weitgehenden oder vollständigen Wegfall jeglichen Umsatzes. […] Die Schließung hat daher für zahlreiche Verkaufsstellen und Dienstleistungsbetriebe außerordentliche, die wirtschaftliche Existenz mindestens infrage stellende Wirkung.

Andererseits aber erklärt es zur Schließung von Fitnessstudios, dass das Corona-Virus nach der Einschätzung von Experten dazu führen kann, die Kapazitäten der Krankenhäuser überstiegen wird und eine Verlangsamung der Ausbreitung und entsprechende Maßnahmen notwendig und verhältnismäßig sind.

OVG Weimar, Beschl. v. 07.04.2020 – 3 EO 236/20

Das OVG Weimar entschied, dass ein Ladenbesitzer in Suhl, der neben alkoholischen Getränken auch Lebensmittel wie Schokolade, Kaffee, Tee und Gebäck verkauft, nicht aufgrund der Allgemeinverfügung der Stadt oder aufgrund der Thüringer Corona-Verordnung seinen Laden schließen muss. Dort war der Lebensmittelhandel von den Betriebsschließungen ausgenommen. Das Gericht erklärt, dass zum Lebensmittelhandel nicht nur Geschäfte zählen, die der Grundversorgung dienen.

Bayerischer VGH, Beschluss vom 27.04.2020 – 20 NE 20.793

Eine weitere Entscheidung erging vom Bayerischen VGH, welcher eine Regelung in Bayern, die eine Wiedereröffnung von Geschäften über 800 qm verbot und eine Reduzierung der Verkaufsfläche bei größeren Geschäfte nicht gestattete, in Hinblick auf die Schwere des Eingriffs in die Berufsfreiheit den allgemeinen Gleichheitssatz keinen Bestand haben kann.

Darüber hinaus erklärt er „Der Senat ist im Rahmen seiner bisherigen Eilentscheidungen vorläufig davon ausgegangen, dass die bislang auf die §§ 32, 28 IfSG gestützten Maßnahmen mit dem Vorbehalt des Gesetzes vereinbar sind. Sollte sich aufgrund der Fortentwicklung der Pandemielage jedoch zeigen, dass die grundrechtsbeeinträchtigenden Maßnahmen nicht mehr nur kurzfristiger Natur sind, sondern längere Zeit fortdauern, erscheint zweifelhaft, ob der Vorbehalt des Gesetzes als wesentlicher Grundsatz einer parlamentarischen Staatsform ohne den Erlass eines Maßnahmegesetzes durch den parlamentarischen Bundesgesetzgeber als Rechtsgrundlage für mittelfristig und langfristig wirkende Maßnahmen gewahrt werden kann.

Was sollten betroffene Unternehmer tun?

Wer von einer Betriebsschließung betroffen ist, sollte unbedingt einen Antrag auf Entschädigung stellen, zu verlieren gibt es nichts. Darüberhinausgehende Maßnahmen müssen im Einzelfall geprüft werden sind von den konkreten Umständen abhängig. Es empfiehlt sich, einen erfahrenden Rechtsanwalt zu kontaktieren, der Ihren Fall prüft und die Erfolgsaussichten des jeweiligen Vorgehens prüft. Unsere Kanzlei betreut zurzeit etliche Entschädigungsforderungen und findet auf für Ihre Situation eine geeignete Vorgehensweise!

Wenden Sie sich einfach an unsere Kanzlei, wir helfen Ihnen!

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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