Gericht erlaubt ständige Mitarbeiterkontrolle bei Amazon

Guido Kluck, LL.M. | 20. März 2023

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf urteilte am 09.02.2023 (Az. 10 A 6199/20), dass der Einsatz von Handscannern zulässig ist, wenn bestimmte Arbeitsschritte innerhalb der jeweiligen Prozesspfade von Warenein- bis Warenausgang erfasst werden. Das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten überwiege hier nicht gegenüber den unternehmerischen Interessen von Amazon Logistik Winsen GmbH.

Alles was Sie zu diesem Thema wissen müssen, erfahren Sie in diesem Beitrag!

Was wird mit den Handscannern erfasst? 

Der Zweck dieser Handscanner liegt in der Steuerung der logistischen Abläufe. Es werden keine persönlichen Eigenschaften überwacht. Daher sprach die Vorsitzende Richterin von einer schwierigen Aufgabe des Abwägens. „Wir hätten uns gewünscht, dass der Gesetzgeber tätig geworden wäre oder noch wird“, sagte sie und verwies damit auf fehlende rechtliche Regelungen.

Erhebung von Leistungsdaten der Beschäftigten 

In der ununterbrochenen Erhebung von Leistungsdaten der Beschäftigten liegt kein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen vor. In Deutschland gibt es (noch) kein Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes, sodass sich der Beschäftigtendatenschutz weiterhin nach § 26 Bundesdatenschutzgesetz richtet. Danach dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigtenverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Durchführung des Beschäftigtenverhältnisses oder die Beendigung erforderlich ist.

Ständige Mitarbeiterkontrollle? 

Amazon rechtfertigt die Kontrolle der Mitarbeiter für die Kammer überzeugend. Bei einer Werksbegehung nahm das Gericht die Abfertigung von Aufträgen in Augenschein, dabei stand das ständige Einscannen von Waren und damit die Erhebung der Mitarbeiterdaten im Fokus. „Elementare Prozesse müssen aufeinander abgestimmt sein“, sagte der Amazon-Standortleiter. 

Anzahl abgefertigten Pakete einsehbar 

Amazon und damit der jeweilige Vorgesetzte kann bei jedem Mitarbeiter genau sehen, wie viele Pakete abgefertigt werden. Ein Betriebsratsvertreter erklärte, dass die zu erfüllende Rate wie ein zeitlicher Countdown wirke. „Wenn ich unter Schnitt liege, zeigt es mir an, Gas zu geben“, sagte er. Das soll arbeitsrechtskonform sein? 

Kritiker sprechen von ständigen Überwachungsdruck 

Die Kammer gelangte zu der Überzeugung, dass diese Überwachungsmechanismen für die Logistik notwenig sei. Jedoch sprechen Kritiker und Datenschützer von ununterbrochener Erhebung und Verwendung der Beschäftigtendaten. Die Funktion sei nicht allen Mitarbeitern bewusst und daher auch nicht transparent, was Vertreter der Datenschutzbehörde kritisierten. Es sei eine Totalüberwachung, von der ein Überwachungsdruck ausgehe. 

Steuerung der Logistikprozesse und keine Mitarbeiterüberwachung? 

Amazon argumentierte, dass minutengenaue individuelle Leistungswerte würden bei der Steuerung der Logistikprozesse notwendig seien, um auf „Schwankungen in einzelnen Prozesspfaden durch Verschiebungen“ reagieren zu können. Anhand dieser aktuellen Leistungswerte der Mitarbeiter lasse sich erkennen, ob diese an einem bestimmten Tag besonders schnell oder besonders langsam arbeiteten und darauf mit Umverteilung reagieren.

VG Hannover: „Der durch die Überwachung der Beschäftigten bedingte Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten steht nicht außer Verhältnis zu den schützenswerten Interessen der Klägerin, so dass der Eingriff auch angemessen ist.

Fazit 

Hier haben wir einen Fall, wo das unternehmerische Interesse an einer Funktionstüchtigkeit von Arbeitsabläufen dem Interesse der Mitarbeiter am Daten- und Persönlichkeitschutz überwiegt. Amazon kann sich über den Sieg vor dem VG Hannover freuen. Allerdings können noch Rechtsmittel eingelegt werden. 

Das Gericht hat bei der Urteilsfindung u.a. berücksichtigt, dass keine heimliche Datenerhebung erfolgt, die Beschäftigten die Datenerhebung vielmehr vorhersehen können und wissen, dass Amazon die Daten für die logistischen Prozesse benötigt. Zudem findet keine Verhaltenskontrolle statt, die Kommunikation und physische Bewegungen werden nicht erfasst; vielmehr findet „nur“ eine Leistungskontrolle statt. Die Privatsphäre sei nicht betroffen. 

Außerdem sei der Hauptzweck der Datenerhebung nicht die Überwachung und Kontrolle der Beschäftigten, sondern die Steuerung der Logistikabläufe. Schließlich wird die Möglichkeit objektiven Feedbacks und fairer Personalentscheidungen von vielen Beschäftigten als positive Wirkung der Überwachung gewertet. 

Ob andere Gerichte das auch in Zukunft ähnlich sehen werden, bleibt abzuwarten. Fakt ist, dass Punkte wie Transparenz und Mitarbeiterkontrolle zwei Bereiche im Arbeitnehmerschutz sind, die sich nicht pauschal beantworten lassen. Ähnlich Fälle wie dieser Rechtsstreit sind uns aktuell nicht bekannt. Wir berichten über weitere Urteile in diesem Bereich wie gewohnt auf unserem Blog!

Sie haben Fragen zum Thema Arbeitsschutz? Sie möchten im Arbeitsrecht beraten werden? Melden Sie sich bei uns! Unser spezialisiertes Team steht Ihnen gerne schnell und unkompliziert zur Seite und berät Sie gern. 

Jetzt teilen:

Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

ÜBER DIESEN AUTOR ARTIKEL VON DIESEM AUTOR

Das könnte Sie auch interessieren

Holen Sie sich Unterstützung

SIE HABEN NOCH FRAGEN?

Online Termin vereinbaren

Buchen Sie direkt online Ihren Termin für eine kostenlose Erstberatung. Der für Sie zuständige Rechtsanwalt wird Sie dann zu dem von Ihnen ausgewählten Termin anrufen.

Antworten per WhatsApp

LEGAL SMART beantwortet rechtliche Fragen auch per WhatsApp. Schreiben Sie uns einfach an und stellen Sie Ihre Frage. Antworten gibt es anschließend direkt auf Ihr Handy.

LEGAL SMART Anwaltshotline

Viele Fragen lassen sich mit einem Profi in einem kurzen Gespräch rechtssicher klären. Mit der LEGAL SMART Anwaltshotline steht Ihnen unser Anwaltsteam für Ihre Fragen zur Verfügung. Bundesweite Beratung über die kostenlose Anwaltshotline unter 030 - 62 93 77 980.

LEGAL SMART RECHTSPRODUKTE

ANWALTLICHE LEISTUNG ZUM FESTPREIS

LEGAL SMART Rechtsprodukt Vorsorgevollmacht
99,00 €

Vorsorgevollmacht

Bestimmen Sie selbst, wer Sie vertreten soll, wenn Sie Ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie hierzu alles selbst bestimmen.

LEGAL SMART Rechtsprodukt Patientenverfügung
99,00 €

Patientenverfügung

Überlassen Sie Ihre Behandlung im Ernstfall nicht dem Zufall. Bestimmen Sie mit einer Patientenverfügung selbst, welche Behandlung Sie wünschen und welche nicht.

LEGAL SMART Rechtsprodukt Markenanmeldung DE
299,00 €

Markenanmeldung DE

Schützen Sie Ihren Namen oder Ihr Produkt oder Dienstleistung durch eine Eintragung im Markenregister mit Ihrer eigenen Marke

MEHR PRODUKTE Anwaltliche Leistung zum Festpreis

LEGAL SMART Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

LEGAL SMART ist die Legal Tech Kanzlei für wirtschaftsrechtliche Themen. Durch konsequente Prozessoptimierung interner und externer Prozesse bieten wir neue Lösungen für verschiedene Fragestellungen. So ist das Recht für jeden zugänglich; schnell, digital und trotzdem mit der Expertise und Kompetenz einer erfahrenen Wirtschaftsrechtskanzlei. Denn Legal Tech ist mehr als nur der Einsatz von Technologie. Legal Tech ist die Bereitstellung juristischer Kompetenz.