Nun doch? VW will 50.000 Einzelkläger mit Einmalzahlungen entschädigen

Guido Kluck, LL.M. | 2. Oktober 2020

Nachdem die jüngsten BGH-Urteile grundsätzlich zugunsten der geschädigten Käufer ausfielen, hat bei VW scheinbar ein Umdenken hinsichtlich der Entschädigungszahlungen stattgefunden. Der Konzern kündigte nunmehr nämlich an, sich mit ca. 50.000 Einzelklägern zu vergleichen. Davon sind in etwa 7000 Fällen die Verhandlungen bereits erfolgreich beendet.

VW rechnet mit einer Annahmequote von 75%

Der Konzern plant so die hohe Anzahl der noch anhängigen Einzelklagen abzugelten, so wie es bereits mit knapp einer Viertelmillion Geschädigter über die Musterfeststellungsklage geschah. VW rechnet hierbei mit einer Annahmequote von 75% der aus Konzernsicht anspruchsberechtigten Kläger. Sollte die Rechnung aufgehen, hätte VW sich mit dem Gros seiner geschädigten Kunden gütlich geeinigt. Die Berechnung des Schadensersatzes bei den Einzelklägern unterscheidet sich jedoch von der Berechnung, die bei der Musterfeststellungsklage angewandt worden ist.

Individuelle Berechnung der Einzelklagen

Eine pauschal zu berechnende Entschädigungssumme, nach starren Wertbildungsfaktoren des Fahrzeugs wird es bei den Einzelklagen nicht geben. Eine solche „Auszahlungsmatrix“ wurde nämlich bei den Entschädigten der Musterfeststellungsklage angewandt. Bei den Einzelklägern sei dies jedoch aufgrund der „Vielfalt der Konstellationen“ nicht möglich, wie die dpa in Erfahrung bringen konnte. Es wird daher in jeder Einzelklage zu einer individuellen Berechnung der Entschädigung kommen. Im Prinzip liegen aber, wie bei der Musterfeststellungsklage, die Nutzungsdauer und das Alter des Fahrzeugs zugrunde. Online-Schadensersatzrechner zur Berechnung welche Entschädigungssumme einen erwarten könnte, wird es also wohl nicht geben können.

Was geschah bei der Musterfeststellungsklage?

Bis zu 265.000 Geschädigte wählten den Weg der Entschädigung über die damals neu eingeführte Musterfeststellungsklage. Hierbei kam es im April 2020, also kurz vor den ersten BGH-Leitentscheidungen zum Dieselskandal im Mai und Juli 2020, zu einem Vergleich zwischen VW und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV). Für diejenigen, die sich der Musterfeststellungsklage anschlossen gab es 15% des Kaufpreises zurück, was zu Entschädigungssummen zwischen 1350 Euro bis 6257 Euro führte. Entscheidend hierfür war, dass man ein mit der illegalen Abschalteinrichtung versehenes Fahrzeug des Konzerns vor Ablauf des Jahres 2015 gekauft haben musste. Insgesamt führten die Entschädigungssummen zu einem Gesamtvolumen von 620 Millionen Euro.

Einzelkläger haben zwei Möglichkeiten zur Auswahl

Die Einzelkläger hingegen haben stand jetzt zwei Möglichkeiten. Eine Möglichkeit ist, dass sie ihr Verfahren abwarten und das Gericht entscheiden lassen, ob es überhaupt zu einer Schadensersatzzahlung kommt und wie diese aussieht. Die Gerichte dürften sich hierbei aller Voraussicht nach an den bereits erwähnten BGH-Entscheidungen orientieren. Die andere Möglichkeit wäre, auf das Angebot von VW einzugehen und einer gerichtlichen Entscheidung somit zuvor zu kommen.

Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man aus Sicht des Konzerns auch als anspruchsberechtigt eingestuft worden ist und dementsprechend überhaupt ein Angebot unterbreitet bekommt. Als großer Vorteil dieser zweiten Option, ließe sich schon mal festhalten, dass die Geschädigten ihr Fahrzeug behalten können. Die Entschädigungszahlung käme „on top“ hinzu. Würde man sich hingegen für die erste Option entscheiden, könnte man unter Umständen den vollständigen Kaufpreis zurückerhalten. Eine Rückgabe des Fahrzeugs ist dann aber unerlässlich. Welche Option die Richtige ist lässt sich folglich nicht sagen und ist abhängig, woran die eigenen Interessen liegen, beziehungsweise was sich letzten Endes mehr lohnt.

Fazit

Es scheint als würde VW seinen Dieselskandal sobald als möglich vom Tisch haben wollen. Auch wenn dieser Imageschaden wohl auf ewig bestehen wird, versucht der Konzern zumindest seine verärgerten und geschädigten Kunden mit den individuellen Angeboten zufrieden zu stellen. Eine andere Wahl bleibt dem Konzern angesichts der sommerlichen BGH-Entscheidungen auch nicht. Die Urteile fallen wahrscheinlich noch ungünstiger für beide Parteien aus. VW müsste alte Fahrzeuge zurücknehmen und wäre zudem noch in etlichen Fällen „verurteilt“ worden. Die Käufer müssten ihr Fahrzeug zurückgeben, welches sie vielleicht doch lieber behalten hätten und sich stattdessen mit einer Entschädigung zufrieden gegeben hätten. So bleibt es den Käufern überlassen, welchen Weg sie gehen wollen.

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 Lesen Sie auch unseren Artikel zum Thema „BGH 4x zum Dieselskandal – ein Überblick

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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