OLG Köln: WLAN-Sharing ist wettbewerbswidrig

Guido Kluck, LL.M. | 24. Juli 2009

Das Oberlandesgericht Köln hat in seiner Entscheidung vom 5. Juni 2009 (AZ: 6 U 223/08) die Entscheidung der Vorinstanz des LG Köln (AZ: 33 O 210/07) bestätigt, dass das kommerzielle Angebot von WLAN-Sharings gegen die Grundsätze des Wettbewerbsrechts verstößt.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 11.11.2008 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 33 O 210/07 – wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der (Unterlassungs-) Ausspruch zu Nr. I 1 wie folgt lautet:

Die Beklagten werden verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

Internetnutzern im Rahmen der Mitgliedschaft an einer Internetgemeinschaft die Nutzung von Breitband-Internetzugängen Dritter, die ebenfalls als Mitglied an der Internetgemeinschaft beteiligt sind, zu ermöglichen,

soweit die betreffenden Breitband-Internetzugänge von der Klägerin den Dritten als ihren Privatkunden gegen ein vom tatsächlichen Umfang der Nutzung unabhängiges pauschales Entgelt zur Verfügung gestellt werden (Flatrate),

insbesondere wenn die Beklagte von Mitgliedern der Internetgemeinschaft für die Nutzung der Breitband-Internetzugänge Entgelte erhebt und/oder erhält.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können jedoch die Vollstreckung des Unterlassungs- und Auskunftsausspruchs durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich der Unterlassung 200.000 € und hinsichtlich der Auskunft 25.000,00 €. Die Vollstreckung im Übrigen können die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

G r ü n d e

I.

Die Klägerin, ein Internetserviceprovider, bietet ihren Kunden Breitband- (DSL-) Internetzugänge über kabelgebundene Datennetze (z.B. Telefonfestnetz) an, die mit Hilfe eines geeigneten (Funk-) Geräts (WLAN-Router) von den Endgeräten eines kabellosen lokalen Netzwerks (WLAN) aus genutzt werden können. Sie berechnet ihren Kunden, wie in der Branche üblich, für den Internetzugang in der Regel unabhängig vom tatsächlichen Umfang der Nutzung ein pauschales Entgelt (Flatrate); gegen zusätzliche Vergütung kann man bei ihr einen mobilen Dienst buchen, der es den Kunden ermöglicht, das Internet auch unterwegs, außerhalb des eigenen stationären Netzanschlussbereichs zu nutzen. Sie selbst hat (als sogenannter Reseller) ein vom Volumen der Datenübertragung abhängiges Entgelt an den jeweiligen Netzbetreiber zu zahlen.

Die Beklagten (eine weltweit operierende Gesellschaft britischen Rechts und ihre deutsche Tochtergesellschaft) werben dafür, sich als registriertes Mitglied einer Gemeinschaft von Internetnutzern ("G E") anzuschließen und in diesem Rahmen seinen Breitband-Internetzugang mit anderen Mitgliedern zu teilen. Zu diesem Zweck stellen sie Mitgliedern mit eigenem, von der Klägerin oder anderen Providern zur Verfügung gestellten Internetzugang ("Gf") einen WLAN-Router nebst Software (in der Regel entgeltlich) zur Verfügung, über den sie ihren Internetzugang rund um die Uhr für die Nutzung durch andere, von der Beklagten vermittelte Nutzer (in Funkreichweite via WLAN) öffnen; der Zugang wird so zu einer Einwahlstation für die anderen Mitglieder ("G Hotspot"). Die Beklagten unterscheiden drei Typen von Mitgliedern: Ein "Linus" stellt seinen Internetzugang kostenlos zur Verfügung und erhält im Gegenzug kostenfreien Zugang zu den anderen "G Hotspots". Ein "Bill" erhält einen Teil des Erlöses aus dem Verkauf von Tagestickets. Diese Tickets müssen die "Aliens" genannten Mitglieder ohne "Linus"-Status für die Nutzung von Zugangspunkten (nämlich der von den "Linusses" oder "Bills" eröffneten "G Hotspots") bei den Beklagten erwerben.

Das Landgericht, auf dessen Urteil verwiesen wird, hat die Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung und Auskunft verurteilt sowie ihre Schadensersatzpflicht festgestellt. Die tenorierte Unterlassungsverpflichtung geht dahin,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Internetnutzern im Rahmen der Mitgliedschaft an einer Internetgemeinschaft die Nutzung von Breitband-Internetzugängen Dritter, die ebenfalls als Mitglied in der Internetgemeinschaft beteiligt sind, zu ermöglichen, soweit Breitband-Internetzugänge betroffen sind, die die Klägerin den Dritten als ihren Kunden zur Verfügung stellt, insbesondere wenn die Beklagte von Mitgliedern der Internetgemeinschaft für die Nutzung der Breitband-Internetzugänge Entgelte erhebt und/oder erhält.

Mit ihrer eine fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts rügenden Berufung erstreben die Beklagten die Abweisung der Klage. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg; die vom Senat vorgenommene Ergänzung der Urteilsformel ist nur redaktioneller Art.

1. Das Landgericht hat einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch der Klägerin (§§ 3, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG) zu Recht bejaht. Die umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils durch den Senat auf der Grundlage des in zweiter Instanz unstreitigen Sachverhalts, der rechtlichen Argumentation der Beklagten im Berufungsrechtszug sowie der zwischenzeitlich in Kraft getretenen Neufassung des UWG führt zu keinem anderen Ergebnis. Wie bereits die Kammer mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt hat, stellt sich das angegriffene Geschäftsmodell der Beklagten insgesamt als wettbewerbswidrig dar, weil es bei Abwägung aller Umstände unlauter und geeignet ist, die Interessen der Klägerin als Mitbewerberin, aber auch anderer Marktteilnehmer spürbar zu beeinträchtigen (§ 3 Abs. 1 UWG).

a) Die Parteien sind Mitbewerber, denn sie stehen zueinander als Anbieter von Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG). Ein solches Wettbewerbsverhältnis, an dessen Bestehen im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes keine hohen Anforderungen zu stellen sind (BGH, GRUR 2004, 877 [878] = WRP 2004, 1272 – Werbeblocker; BGHZ 168, 314 = BGH, GRUR 2006, 1042 [Rn. 16] = WRP 2006, 1502 – Kontaktanzeigen; für eine weite, differenzierende dogmatische Konzeption des Begriffs jetzt auch Köhler, WRP 2009, 499 [503 ff.]), liegt jedenfalls vor, wenn Unternehmen, sei es auch auf verschiedenen Wirtschaftsstufen (BGH, GRUR 1999, 69 [70] = WRP 1998, 1065 – Preisvergleichsliste II), auf demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt agieren, so dass die beanstandete Wettbewerbshandlung das andere Unternehmen, auch wenn sich dessen Kundenkreis und Angebot nur teilweise mit dem eigenen decken, in seinem Absatz stören kann (st. Rspr.: BGH GRUR 2007, 1079 [Rn. 18, 22] = WRP 2007, 1346 – Bundesdruckerei m.w.N.; darüber hinaus vgl. Senat, GRUR-RR 2006, 5 [6 f.] – Personal Video Recorder; Köhler, a.a.O. [504]).

So liegt es im Streitfall, denn beide Parteien sprechen Nachfrager von Internetzugängen an, wobei die kabelgebundene oder kabellose Art des Zugangs (DSL mit oder ohne WLAN) nicht entscheidend ist, wie die Berufung selbst betont. Auch steht einem Wettbewerbsverhältnis nicht entgegen, dass die Beklagte als "Linus" oder "Bill" nur solche Internetnutzer anspricht, die bereits über einen von einem Provider (wie der Klägerin) zur Verfügung gestellten stationären Internetzugang verfügen; ausschlaggebend ist vielmehr, dass derjenige, der sich als "Linus" oder "Alien" für die Nutzung eines von der Beklagten vermittelten "G Hotspots" entscheidet, damit zugleich (sei es vorübergehend, sei es dauerhaft) auf entsprechende (stationäre oder mobile) Angebote der Klägerin und anderer Provider verzichtet. Dass die Beklagte erst recht mit möglichen gewerblichen Abnehmern der Klägerin auf der nächsten Wirtschaftsstufe, nämlich den Anbietern von Internetcafés oder Hotspots in öffentlich zugänglichen Räumen (Flughäfen, Bahnhöfen, Hotels, Restaurants) konkurriert, hat sie erstinstanzlich selbst vorgetragen.

b) Das mit der Klage angegriffene, in der Urteilsformel näher beschriebene Verhalten der Beklagten stellt sich unter Abwägung aller betroffenen Individual- und Allgemeininteressen als wettbewerblich unlauter dar. Wie in der Berufungsverhandlung erörtert, weist die von der Beklagten unstreitig in Gewinnerzielungsabsicht betriebene "G E" (auf rein idealistische Motive hat sie sich in zweiter Instanz nicht mehr berufen und nichtkommerzielle Formen der Vermittlung kabelloser Internetzugänge an Dritte ohne eigenen DSL-Zugang sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits) bereits Anzeichen einer drohenden Marktstörung (allgemeinen Marktbehinderung) auf. In ihrer konkreten Form wirkt sie indessen – ohne dass es im Ergebnis auf die Subsumtion unter den betreffenden Beispielstatbestand entscheidend ankommt – wie eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern (§ 4 Nr. 10 UWG) und steht den hierzu entwickelten Fallgruppen des Ausnutzens fremder Einrichtungen (Hefermehl / Köhler / Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 4 UWG, Rn. 10.27 m.w.N.) und des Verleitens zur Vertragsuntreue (a.a.O., Rn. 10.36 f. m.w.N.) bei wertender Betrachtung zumindest nahe.

aa) Das Geschäftsmodell der Beklagten ist geeignet und darauf angelegt, die Klägerin in ihrem von legitimen Absatzinteressen getragenen Vertriebskonzept zu behindern, das darin besteht, DSL-Internetzugänge nicht (nur) gegen eine nutzungsabhängige Vergütung, sondern gegen ein vom tatsächlichen Nutzungsumfang unabhängiges pauschales Entgelt (Flatrate) anzubieten (und ergänzende mobile Internetdienste von einer Zusatzvergütung abhängig zu machen).

Die Berufung zieht eine "gezielte" Behinderung der Klägerin in Zweifel, weil solche Angebote branchenüblich sind, die in Rede stehende Beeinträchtigung also außer der Klägerin auch andere Internetserviceprovider betrifft. Für den weit gefassten Tatbestand des § 4 Nr. 10 UWG kann aber auch ein Verhalten genügen, das sich direkt oder indirekt gegen mehrere (bestimmte) Mitbewerber richtet (Senat, MD 2007, 1217 [1219] – "Switch & Profit"; Hefermehl / Köhler / Bornkamm, a.a.O., § 4 Rn. 10.2).

Den Flatrate-Angeboten in diesem Bereich liegt die unternehmerische Erfahrung und Erwartung zu Grunde, dass Privatkunden ihren Internetzugang nicht rund um die Uhr in gleichbleibendem Umfang (beschränkt nur durch die Vertragslaufzeit und die zur Verfügung gestellte Bandbreite) nutzen, sondern typischerweise nur für begrenzte Zeitabschnitte unter Übertragung begrenzter Datenmengen, wobei ein intensiveres Nutzungsverhalten einzelner Anschlussinhaber durch das Verhalten der Nutzer ausgeglichen wird, die nur gelegentlich im Internet surfen.

Indem die Beklagten bei Flatrate-Kunden dafür werben, ihre im Rahmen der Flatrate selbst nicht benötigten Nutzungskapazitäten der "G E" zwecks weiterer kommerzieller Auswertung zur Verfügung zu stellen, stören sie dieses wirtschaftlich naheliegende, am Verhalten durchschnittlicher Internetnutzer orientierte Konzept. Denn einerseits setzt ihr Geschäftsmodell zwar die Existenz einer hinreichenden Zahl von Kunden der Klägerin oder anderer Internetserviceprovider voraus, die über einen Internetzugang mit Flatrate verfügen (weil nur sie als "H" vom Typ "Linus" oder "Bill" in Betracht kommen), so dass der Beklagten nicht die Absicht unterstellt werden kann, das Angebot und die Anbieter solcher Internetzugänge vollständig vom Markt zu verdrängen. Andererseits liegt es aber in der Konsequenz ihres Modells, das Prinzip der Flatrate durch extreme Nutzung der pauschal vergüteten Internetzugänge gewissermaßen auf die Spitze zu treiben und ad absurdum zu führen: Bei aus ihrer Sicht optimaler Verbreitung der "G E" würden nämlich alle Internetzugänge, welche die Klägerin und die anderen Provider ihren Kunden gegen ein pauschales Entgelt zur Verfügung stellen, täglich 24 Stunden lang über die volle Bandbreite genutzt. Es liegt auf der Hand, dass damit jede (Misch-) Kalkulation der Anbieter hinfällig würde und sie entweder das geforderte Pauschalentgelt ihren nutzungsabhängigen Einstandskosten anpassen, also wesentlich erhöhen, oder die pauschale Abrechnung ganz aufgeben müssten.

Hinzu kommt als weitere Behinderung des Dienstleistungsangebots der Klägerin, dass Verbraucher, die das Internet nur gelegentlich nutzen und als "Alien" Tageskarten bei den Beklagten erwerben, keinen Vertrag mit ihr schließen werden und Flatrate-Kunden, die sich als "Linus" registrieren lassen, um über "G Hotspots" das Internet kostenlos mobil nutzen zu können, ihren vergütungspflichtigen mobilen Dienst nicht mehr benötigen.

bb) Da jeder Wettbewerb die Mitbewerber zu beeinträchtigen vermag, müssen zu der Behinderung weitere Umstände hinzutreten, damit von einem unzulässigen Wettbewerbsverhalten gesprochen werden kann (BGHZ 148, 1 = GRUR 2001, 1061 [1062] – Mitwohlzentrale.de; BGH, GRUR 2002, 902 [905] = WRP 2002, 1050 – Vanity-Nummer; GRUR 2004, 877 [879] = WRP 2004, 1272 – Werbeblocker; BGH, GRUR 2005, 581 [582] = WRP 2005, 881 – The Colour of Elégance; BGHZ 178, 63 = GRUR 2009, 173 = WRP 2009, 177 [Rn. 25] – bundesligakarten.de). Dabei ist eine am Schutzzweck des Wettbewerbsrechts ausgerichtete objektive Betrachtung maßgebend: Hat das beanstandete Verhalten nachteilige Auswirkungen auf das Marktgeschehen, die so erheblich sind, dass sie von den Mitbewerbern unter Berücksichtigung der Verbraucherinteressen und des Interesses der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb (§ 1 UWG) nicht hingenommen werden müssen, sind für seine Bewertung der subjektive Kenntnisstand des Handelnden oder eine auf die Behinderung gerichtete Absicht ohne Bedeutung (BGHZ 171, 73 = GRUR 2007, 800 = WRP 2007, 951 [Rn. 21 f.] – Außendienstmitarbeiter).

Verhaltensweisen, die zum Wesen des Wettbewerbs gehören, sind danach erlaubt, nicht aber eine unangemessene Einwirkung auf bereits dem Wettbewerber zuzurechnende Kunden (BGH, GRUR 2002, 548 [549] = WRP 2002, 524 – Mietwagenkostenersatz; GRUR 2007, 987 = WRP 2007, 1341 [Rn. 25] – Änderung der Voreinstellung). Während das (sogar planmäßige) Ausnutzen fremden Vertragsbruchs in der Regel nicht zu beanstanden ist, um keiner Verdinglichung schuldrechtlicher Verpflichtungen Vorschub zu leisten, kann es sich als unlauter darstellen, wenn besondere Umstände hinzutreten (vgl. BGHZ 171, 73 = GRUR 2007, 800 = WRP 2007, 951 [Rn. 15] – Außendienstmitarbeiter; BGHZ 178, 63 = GRUR 2009, 173 = WRP 2009, 177 [Rn. 35 ff.] – bundesligakarten.de). Die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung ist im Allgemeinen überschritten, wenn ein Verhalten bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalles in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (BGH, GRUR 2008, 621 = WRP 2008, 785 [Rn. 32] – Akademiks), so dass der Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann (BGHZ 171, 73 = GRUR 2007, 800 = WRP 2007, 951 [Rn. 23] – Außendienstmitarbeiter m.w.N.; Senat, MD 2007, 1217 [1219] – "Switch & Profit"). Dabei kann auch eine mittelbare Einwirkung auf Leistungen des Mitbewerbers wie der Vertrieb von Produkten, die Dritten einen unberechtigten kostenlosen Zugang zu einer entgeltlich angebotenen Leistung verschaffen können, unlauter sein (BGH, GRUR 2004, 877 [879] = WRP 2004, 1272 – Werbeblocker unter Hinweis auf den Vertrieb von "Piratenkarten" zum kostenlosen Empfang von Pay-TV-Programmen [OLG Frankfurt am Main, NJW 1996, 264]).

cc) Im Streitfall beeinträchtigt das Geschäftsmodell der Beklagten die Interessen der Klägerin und der übrigen Mitbewerber, aber auch die Interessen der Verbraucher und der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb objektiv so erheblich, dass die Schwelle zur unlauteren Einflussnahme auf das Marktgeschehen als überschritten angesehen werden muss:

(1) Die Beklagten machen der Klägerin auf unfaire Weise Konkurrenz, indem sie sich für ihr Geschäftsmodell der kostenfreien Teilhabe an DSL-Internetzugängen bedienen, welche die Klägerin ihren Kunden gegen ein erkennbar anders kalkuliertes Entgelt zur Verfügung stellt. Statt mit eigenen technischen oder organisatorischen Leistungen auf der Vorleistung eines Dritten aufzubauen, um sie marktkonform fortzuentwickeln, nutzen sie eine von der Klägerin unter anderen Voraussetzungen geschaffene Infrastruktur "schmarotzend" aus, um sich mit einem eigenen kommerziellen Angebot am Markt zu etablieren. Ihre "G E" schließt nicht nur eine von der Klägerin gelassene Marktlücke. Indem die Beklagten ihren Kunden (in der Regel gegen Entgelt) ihre eigenen WLAN-Router zur Verfügung stellen, verschaffen sie sich vielmehr ohne nennenswerten eigenen Aufwand Zugang zum Internet, ohne auf die Nutzung der darin liegenden geldwerten Fremdleistung einen Anspruch zu haben. Zugleich erzielen sie wirtschaftliche Vorteile auf Kosten der Klägerin. Ihre Gewinne aus dem Verkauf von Tagestickets an "Aliens" verdanken sie nämlich vor allem dem Umstand, dass ihr für die über WLAN zugänglich gemachten DSL-Zugangspunkte (abgesehen von der Gewinnbeteiligung der "Bills") keine weiteren Kosten entstehen, während die Kosten des erhöhten Datenverkehrs, die sich aus der durch die "G E" ausgeweiteten Nutzung der Internetzugänge und den dadurch anfallenden höheren Nutzungsvergütungen der Netzbetreiber ergeben, allein von der Klägerin zu tragen sind. Damit geht der von den Beklagten praktizierte Betrieb ihrer "G E" wirtschaftlich einseitig zu Lasten der Klägerin und der anderen Internetserviceprovider. Er ist, ohne dass es im vorliegenden Zusammenhang entscheidend darauf ankäme, keineswegs zwangsläufig mit einem weiteren Wachstum der Klägerin verbunden, wie die Beklagten (unter Hinweis auf "Aliens", die erst durch die "G E" für einen Vertrag mit der Klägerin interessiert würden) meinen. Denn bereits wenn die Beklagten von den unstreitig mehr als 2,5 Mio. Kunden der Klägerin auf dem deutschen Markt über den geringen bisher bei ihnen registrierten Bruchteil hinaus weitere Interessenten als "Gf" zu gewinnen vermögen, würde dies ihre Verdienstmöglichkeiten durch den Verkauf von Tagestickets an "Aliens" erhöhen, ohne dass die Klägerin davon in irgendeiner Weise profitieren würde – dieser würde im Gegenteil der Absatz ihres eigenen mobilen Internetdienstes erschwert.

(2) Der Umstand, dass den Beklagten der Zugang zum Internet durch Kunden der Klägerin vermittelt wird, die sich als "H" registrieren lassen, vermag diese Ausbeutung der von der Klägerin geschaffenen Infrastruktur nicht zu rechtfertigen.

Klausel Nr. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, wonach ein "Linus" oder "Bill" einen Vertrag mit einem Internetzugangsanbieter abgeschlossen haben sollte, der "eine gemeinsame Bandbreitennutzung mit H gestattet", ist insofern ebenso unerheblich wie die Frage, ob die Klägerin ihren Kunden zweifelsfrei (§ 305c Abs. 2 BGB) verbietet, den bereitgestellten DSL-Internetzugang Dritten außerhalb ihrer Hausgemeinschaft zu überlassen. Denn die Beklagten beschränken sich nicht darauf, ein bestimmtes Verhalten dieser Kunden – sei es ihnen schuldrechtlich verboten oder nicht – lediglich auszunutzen. Vielmehr ist ihr Geschäftsmodell objektiv darauf angelegt, gerade solche Inhaber von WLAN-fähigen Internetanschlüssen zur Öffnung ihres Internetzugangs (statt zu dem üblichen Kennwort-Schutz gegenüber Drittzugriffen) zu bewegen, die dazu einerseits ohne "G E" keinen Anlass hätten und die andererseits wegen einer Flatrate-Vereinbarung mit ihrem Provider keine Mehrkosten durch erhöhten Datenfluss befürchten müssen. Dass sich das Begehren der Klägerin – entsprechend dem Tatbestand des angefochtenen Urteils und ihrem schriftsätzlichen Vorbringen von Beginn des Rechtsstreits an – tatsächlich nur auf Breitband-Internetzugänge bezieht, die sie ihren Kunden gegen ein nutzungsunabhängiges, pauschales Entgelt, also auf Flatrate-Basis zur Verfügung stellt, hat der Senat durch Ergänzung der Urteilsformel klarstellend zum Ausdruck gebracht.

Angesichts dieser Sachlage kann letztlich dahin gestellt bleiben, ob in der objektiven Einflussnahme der Beklagten auf Flatrate-Kunden der Klägerin bereits eine unangemessene unsachliche Beeinflussung liegt, weil die potentiellen "Gf" als Kunden der Klägerin auf Grund ausdrücklicher vertraglicher Regelung oder allgemeiner schuldrechtlicher Treuepflichten auch deren Interessen zu wahren haben (vgl. zu diesem Gesichtspunkt im Rahmen von § 4 Nr. 1 UWG zuletzt BGH, GRUR 2008, 530 = WRP 2008, 777 [Rn. 14] – Nachlass bei der Selbstbeteiligung; WRP 2008, 780 [Rn. 16] – Hagelschaden m.w.N.).

(3) Jedenfalls droht nämlich eine Gefährdung des Wettbewerbs außer durch den "schmarotzenden" Zugriff auf die von Mitbewerbern mit eigenen erheblichen Kosten eingerichteten Internetzugänge auch deshalb, weil das Geschäftsmodell der Beklagten, sollte es sich am Markt weiter durchsetzen, das derzeit noch vorhandene und nicht zuletzt auch aus Verbrauchersicht erhaltenswerte Angebot von Flatrate-Tarifen für den Internetzugang grundsätzlich in Frage stellt. Denn weil eine Optimierung der "G E" – wie oben zu aa) dargestellt – zu einer fast ununterbrochenen und vollständigen Ausnutzung der von den Providern ihren Privatkunden auf Flatrate-Basis eingeräumten Bandbreiten innerhalb der jeweiligen Vertragslaufzeit führen würde, könnte auf Dauer kein Provider mehr einen Internetzugang zu den bisherigen Pauschaltarifen anbieten.

Soweit die Beklagten geltend machen, dass insgesamt auf dem Markt für Internetzugänge trotz nutzungsabhängiger Einstandskosten der Provider und einer insgesamt erhöhten Datenübertragungsrate bisher eher sinkende Preise zu verzeichnen seien, steht dies den dargestellten konkreten negativen Auswirkungen ihres Geschäftsmodells – die auch in der Verhinderung einer noch stärkeren Senkung des Preisniveaus bestehen können – nicht entgegen; zumindest besteht hinsichtlich des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs eine hinreichende Gefahr solcher Negativauswirkungen. Solange die Beklagten an ihrer Absicht einer immer weiteren Verbreitung der "G E" festhalten, hindern auch gewisse – von ihnen in der Berufungsverhandlung angedeutete – Zweifel an der Wirtschaftlichkeit ihres eigenen Geschäftmodells nicht die Annahme einer drohenden Verfälschung des Wettbewerbs im beschriebenen Sinne.

c) Von einer die Spürbarkeitsschwelle nicht überschreitenden, lediglich unerheblichen Beeinträchtigung von Mitbewerber-, Verbraucher- und Allgemeininteressen durch das Geschäftsmodell der Beklagten kann nach alledem keine Rede sein; selbst wenn die bisherigen tatsächlichen Auswirkungen auf die wettbewerbliche Entfaltung der Klägerin – wie die Berufung vorbringt – gering sind, wohnt ihrem Verhalten doch ein beträchtliches Gefährdungspotential (auch im Hinblick auf mögliche Nachahmer) inne.

2. Die für die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten – und mittelbar auch für den zuerkannten unselbstständigen Auskunftsanspruch – erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit eines (wenigstens geringfügigen) Schadens der Klägerin steht für den Senat wie für das Landgericht nach Lage der Dinge außer Frage; weitergehende Klärungen sind dem Auskunfts- und Betragsverfahren vorzubehalten. Entgegen dem Berufungsvorbringen ist den Beklagten in Bezug auf ihr unzulässiges Wettbewerbsverhalten auch wenigstens leichte Fahrlässigkeit (§ 9 S. 1 UWG in Verbindung mit § 276 Abs. 2 BGB) zur Last zu legen. Ein Rechtsirrtum entschuldigt nur, wenn dem Verletzer eine ihm ungünstige gerichtliche Entscheidung ausgeschlossen erscheinen musste (vgl. BGH NJW 1996, 994 [996 f.] – Gefärbte Jeans). Das war hier auch angesichts des Hinweisbeschlusses der Kammer vom 04.12.2007 keineswegs der Fall.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die redaktionelle Klarstellung der Urteilsformel, die kein Teilunterliegen der Klägerin darstellt, bleibt ohne Kostenfolgen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

Die Zulassung der Revision erschien angezeigt, weil die wettbewerbliche Beurteilung von Geschäftsmodellen der in Rede stehenden Art im Hinblick auf die Auslegung der §§ 3 und 4 Nr. 10 UWG grundsätzliche Bedeutung hat und – soweit ersichtlich – höchstrichterlich bisher noch nicht hinreichend geklärt ist (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 ZPO).

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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