Online Shop: Nur „Herr“ und „Frau“ als Anrede ist dis­kri­mi­nie­rend

Guido Kluck, LL.M. | 9. März 2022

Das OLG Karlsruhe urteile nun in einem Fall von Diskriminierung nichtbinärer Personen beim Online-Shopping (Urt. v. 14.12.2021, Az. 24 U 19/21). So viel vorweg: eine Entschädigung gibt es jedoch nicht, da es an der erforderlichen Intensität fehlt!

Alles was Sie zu diesem Urteil wissen sollten, erfahren Sie auf unserem Blog!

Sachverhalt 

Die klagende Person, in deren Personenstandsdaten beim Standesamt „keine Angabe“ unter der Rubrik „Geschlecht“ eingetragen ist, hatte auf der Website des beklagten Unternehmens einen Kaufvertrag abgeschlossen. Für die Registrierung und den Kauf war jedoch nur eine Auswahl zwischen den beiden Anreden „Frau“ oder „Herr“ möglich. Eine dritte Auswahl gab es zum damaligen Zeitpunkt nicht. Die getätigten Käufe wurden sodann unter der Anrede „Herr“ bestätigt, da der Kaufvertrag sonst nicht abgeschlossen werden konnte.

Geltendmachung von Entschädigung und Unterlassungsanspruch 

Die Geltendmachung von Entschädigung und Unterlassungsanspruch, hatte jedoch keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht bejaht zwar eine unmittelbare Benachteiligung der klagenden Person wegen des Geschlechts bei der Begründung eines „zivilrechtlichen Schuldverhältnisses im Rahmen eines sogenannten Massengeschäfts“, das nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verboten ist. Die Person konnte nämlich nur den Kaufvertrag abschließen, wenn zwingend eine Auswahl zwischen „Frau“ oder „Mann“ getroffen wird. 

Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts 

Durch die zwingende Identitätsauswahl verletzte das Unternehmen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person. 

Kein Anspruch auf Unterlassung

Einen Unterlassungsanspruch der betroffenen Person bestätigte das OLG Karlsruhe nicht. Es fehle an einer dafür erforderlichen Wiederholungsgefahr, da das Unternehmen sofort reagiert und die Bezeichnung „Divers“ mit in die Auswahl der Anrede aufgenommen habe. Ferner werde die klagende Person nur noch mit der Höflichkeitsform „Guten Tag [Vorname Nachname]“ angesprochen.

Nicht jede Berührung des Persönlichkeitsrechts löst Geldentschädigung aus

Aus dem Urteil geht auch deutlich hervor, dass kein Anspruch auf Entschädigung in Geld für die betroffene Person besteht. Dafür müsste eine schwerwiegende Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegen, was hier nicht der Fall war. 

BVerfG: Fehlende Möglichkeit eines dritten Geschlechtseintrags im Geburtenregister ist verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht erließ am 10.10.2017 (1 BvR 2019/16) einen Beschluss, wonach ein Verstoß gegen die Regelungen des Personenstandsrecht vorliegt, wenn im Geburtenregister, neben dem Eintrag „weiblich“ oder „männlich“, keinen dritten Geschlechtseintrag möglich ist. Das Bundesverfassungsgericht wies darauf hin, dass Gerichte und Verwaltungsbehörden die betreffenden Normen nicht mehr anwenden dürfen, soweit sie für Personen, deren Geschlechtsentwicklung gegenüber einer weiblichen oder männlichen Geschlechtsentwicklung Varianten aufweist und die sich deswegen dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, eine Pflicht zur Angabe des Geschlechts begründen.

Fazit

Bezüglich des Entschädigungsanspruchs ist zu sagen, dass es hier den Richtern bei der Beurteilung darauf ankam, wo die schädigende Handlung vorgenommen wurde. Das war hier ganz klar im Privatbereich der klagenden Person. Anders wäre der Fall sicherlich zu beurteilen, wenn die Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Öffentlichkeit stattgefunden hätte. Dann würde die Verletzung definitiv schwerer wiegen und die für einen Entschädigungsanspruch erforderliche Intensität mit sich bringen. 

Das Unternehmen handelte hier sofort und stellt die Website um und ermöglichte eine weitere Auswahlmöglichkeit im Rahmen der Anrede. 

Unternehmen dürfen Kunden nicht aufgrund ihres Geschlechts pauschal vom Vertragsabschluss ausschließen. Es muss ihnen ermöglicht werden, ein Bestellformular wahrheitsgemäß auszufüllen, ohne dabei die geschlechtliche Identität falsch angeben zu müssen, nur um den Kaufvertrag zu vollziehen.

Wir raten Unternehmen Ihre Website regelmäßig zu überprüfen, ob sie datenschutzkonform ist nicht gegen andere Rechtsvorschriften verstößt. Für eine rechtliche Überprüfung Ihrer Website stehen wir Ihnen gerne schnell und unkompliziert zur Seite. Unser Team berät Sie bei der rechtlichen Gestaltung Ihrer Website und achtet auf mögliche Verstöße gegen geltendes Recht, damit Sie das Risiko einer Inanspruchnahme minimieren!

Lesen Sie auch unseren Beitrag: „Website-Betreiber haftet für fehlerhaftes Cookie-Banner“

Jetzt teilen:

Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

ÜBER DIESEN AUTOR ARTIKEL VON DIESEM AUTOR

Das könnte Sie auch interessieren

Holen Sie sich Unterstützung

SIE HABEN NOCH FRAGEN?

Online Termin vereinbaren

Buchen Sie direkt online Ihren Termin für eine kostenlose Erstberatung. Der für Sie zuständige Rechtsanwalt wird Sie dann zu dem von Ihnen ausgewählten Termin anrufen.

Antworten per WhatsApp

LEGAL SMART beantwortet rechtliche Fragen auch per WhatsApp. Schreiben Sie uns einfach an und stellen Sie Ihre Frage. Antworten gibt es anschließend direkt auf Ihr Handy.

LEGAL SMART Anwaltshotline

Viele Fragen lassen sich mit einem Profi in einem kurzen Gespräch rechtssicher klären. Mit der LEGAL SMART Anwaltshotline steht Ihnen unser Anwaltsteam für Ihre Fragen zur Verfügung. Bundesweite Beratung über die kostenlose Anwaltshotline unter 030 - 62 93 77 980.

LEGAL SMART RECHTSPRODUKTE

ANWALTLICHE LEISTUNG ZUM FESTPREIS

LEGAL SMART Rechtsprodukt Markenanmeldung DE+
499,00 €

Markenanmeldung DE+

Mit einer alle Bereiche berücksichtigenden Prüfung erhalten Sie den besten Schutz für Ihre Marke und können Ihre eigene Marke in jeder Hinsicht einsetzen

LEGAL SMART Rechtsprodukt Markenanmeldung EU
899,00 €

Markenanmeldung EU

Mit der EU Marke ist Ihre Marke europaweit geschützt und sichert Sie und Ihre Marke vor parallelen Marken in anderen europäischen Staaten. Nutzen Sie jetzt Ihre Chance auf Ihre EU Marke

LEGAL SMART Rechtsprodukt Vorsorgevollmacht
99,00 €

Vorsorgevollmacht

Bestimmen Sie selbst, wer Sie vertreten soll, wenn Sie Ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie hierzu alles selbst bestimmen.

MEHR PRODUKTE Anwaltliche Leistung zum Festpreis

LEGAL SMART Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

LEGAL SMART ist die Legal Tech Kanzlei für wirtschaftsrechtliche Themen. Durch konsequente Prozessoptimierung interner und externer Prozesse bieten wir neue Lösungen für verschiedene Fragestellungen. So ist das Recht für jeden zugänglich; schnell, digital und trotzdem mit der Expertise und Kompetenz einer erfahrenen Wirtschaftsrechtskanzlei. Denn Legal Tech ist mehr als nur der Einsatz von Technologie. Legal Tech ist die Bereitstellung juristischer Kompetenz.