Nachdem am 25. Mai 2018 die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) anwendbar wurde hatten wir mit unserem Beitrag vom 1. Juni 2018 unsere Einschätzung dahingehend geäußert, dass nach diesseitiger Ansicht die Regelungen der DSGVO abschließend sind und damit wettbewerbsrechtliche Abmahnungen wohl nicht zu befürchten sind.
Doch nun kommt es erstmal anders. Am Ende der letzten Woche wurde durch Berichte bei Heise, Telemedicus und weiteren bekannt, dass das Landgericht Würzburg (Az. 11 O 1741/18 UWG) im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens am 13. September 2018 entschieden hat, dass aufgrund von Verstößen gegen die DSGVO ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch besteht.
Was hat das Landgericht Würzburg entschieden?
Das Landgericht Würzburg hat entschieden, dass ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch wegen des Verstoßes gegen Regelungen der Datenschutzgrundverordnung besteht. Die zu Grunde liegende Datenschutzerklärung hatte lediglich 7 Zeilen. Das Landgericht Würzburg führt sodann aus, dass der Datenschutzerklärung Angaben zum/zur Verantwortlichen, zur Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten, über Cookies, Analysetools, aber vor allem die Belehrung über die Betroffenenrechte, insbesondere Widerspruchsrecht, Datensicherheit und ein Hinweis zur Möglichkeit, sich bei einer Aufsichtsbehörde zu beschweren, fehlen. Ebenfalls fehle es an einer Verschlüsselung der Internetseite, die aufgrund des Vorhaltens eines Kontaktformulars, notwendig sei.
Das Landgericht Würzburg stützt sich sodann auf die Entscheidungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts (AZ: 3 O 26/12) und des Oberlandesgerichts Köln (6 U 121/15). Im Rahmen dieser beiden Entscheidungen hatten die Gerichte entschieden, dass es sich bei Datenschutzregeln nach dem seinerzeit anzuwendenden Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) um sog. Marktverhaltensregeln handelt. Ein Verstoß gegen Marktverhaltensregeln konnte über die Regelungen in §4 Nr. 11 UWG, jetzt §3a UWG, abgemahnt werden.
Aufgrund dieser Entscheidungen kommt das Landgericht Würzburg zu dem Ergebnis, dass auch Verstöße gegen die DSGVO über die wettbewerbsrechtlichen Normen abgemahnt werden können bzw. ein Unterlassungsanspruch im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens geltend gemacht werden kann.
Was bedeutet die Entscheidung des Landgerichts Würzburg?
Zunächst einmal muss man die Entscheidung des Gerichts zur Kenntnis nehmen. Es ist nicht bekannt, ob gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt wurde oder ob diese rechtskräftig geworden ist. Daher kann schon aus diesem Grunde hierzu keine abschließende Stellung genommen werden.
Darüber hinaus wirft die Entscheidung des Landgericht Würzburg diverse Fragen auf. Denn das Gericht hat sich in keiner Weise mit der Fragestellung auseinandergesetzt, ob die Regelungen der DSGVO abschließend sind und Abmahnungen bzw. gerichtliche Unterlassungsansprüche deshalb gänzlich ausgeschlossen sind. Diese Meinung wird nämlich nicht nur diesseits, sondern auch in der juristischen Literatur vertreten.
Beispielsweise vertritt einer der bekanntesten Wettbewerbsrechtler Deutschlands, Prof. Dr. Helmut Köhler in dem Standardkommentar zum UWG – „Köhler/Bornkamm/Feddersen“ – die gegenteilige Auffassung. Dort heißt es (36. Auflage 2018, § 3a Rn. 1.40a und 1.74b, Köhler):
„Die (…) Datenschutzgrundverordnung, VO (EU) 2016/679) enthält in den Art. 77 – 84 DSGVO (Kap. VIII Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen) eine grds. abschließende Regelung (Ausnahme. Art. 80 II DSGVO). Verstöße gegen die DSGVO können daher nicht nach § 3a verfolgt werden.
Auch und gerade unter Geltung der DSGVO ist es daher ausgeschlossen, mittels einer Anwendung des § 3a [UWG] auch Mitbewerbern iSd 8 III Nr. 1 [UWG] eine Anspruchsberechtigung und Klagebefugnis nach § 8 I [UWG] zuzusprechen“
Die Frage, ob die gesetzlichen Regeln des UWG überhaupt grundsätzlich anwendbar sind, bedarf zunächst einer Klärung, bevor eine Einordnung der Entscheidung des Landgerichts Würzburg möglich ist. Dabei sollte man auch auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes und/oder des EuGH warten, bevor man sicher weiß, ob DSGVO-Verstöße abmahnbar sind oder nicht. Ob die Entscheidung des BGH dabei anders lauten wird, als diese von Köhler eingeschätzt wird, dürfte allerdings bezweifelt werden. Denn der Mitherausgeber des Standard-Kommentars zum UWG, Herr Jörn Feddersen, ist Richter und Mitglied des für UWG-Fälle zuständigen I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, der diese Frage letztlich beantworten muss.
Schon deshalb spricht vieles dafür, dass sich der Bundesgerichtshof schließlich der Meinung der juristischen Literatur anschließen wird. Denn wie auch diesseits bereits ausgeführt enthält die DSGVO abschließende Regelungen, die nur insoweit „Sinn machen“, wenn dann nicht durch die Hintertür die Regelungen des UWG doch herangezogen werden können, um Verstöße durch Wettbewerber sanktionieren zu können.
Kommt es nun zu einer Abmahnwelle?
Sicherlich werden einige Unternehmer und Rechtsanwälte nun die Möglichkeit sehen datenschutzrechtliche Verstöße im Rahmen von Massenabmahnungen zu Geld zu machen. Allerdings ist es die erste Entscheidung eines Gerichts nach Anwendbarkeit der DSGVO, welche die Möglichkeit hatte, sich mit den vorstehenden und offenen Fragen bzgl. Abmahnungen zu beschäftigen. Das Landgericht Würzburg hat diese Chance leider verstreichen lassen und zu den offenen Fragen keine Stellung bezogen. Schon deshalb können diejenigen, welche potentiell interessiert wären, Abmahnungen wegen Verstößen der DSGVO abzumahnen, nicht sicher sein, ob sie mit einer ausgesprochenen Abmahnung auch durchdringen würden.
Deshalb wird diesseits davon ausgegangen, dass es auch nach der Entscheidung des Landgericht Würzburg nicht zu einer Abmahnwelle wegen Verstößen gegen die DSGVO kommt. Es fehlt nämlich an einer Meinungsbildung der Instanzengerichte, die jedoch notwendig wäre, um zunächst im Rahmen einer Tendenz einschätzen zu können, ob man mit einer Abmahnung durchdringen kann oder nicht.
Muss man aufgrund des Urteils tätig werden?
Wer bisher die Anforderungen der DSGVO noch nicht umgesetzt hat, sollte in jedem Fall aktiv werden. Jedoch nicht aufgrund der Entscheidung des Landgerichts Würzburg, sondern aufgrund der gesetzlichen Regelungen. Insbesondere die Datenschutzerklärungen sollten angepasst werden, um die auch durch das Landgericht Würzburg herausgestellten wichtigen Informationen, für Betroffene bereitzuhalten.
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Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).
Mit Beitrag vom 24. März 2010 (www.kwblog.de/allgemeines/hat-die-„bushido-entscheidung“-des-lg-hamburg-entscheidung-tatsachlich-auswirkungen-auf-dessen-filesharing-abmahnungen) hatten wir über die […]
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