Urteil des OLG Celle: Neue Maßstäbe bei Mietwagenkosten nach Unfällen

Guido Kluck, LL.M. | 14. November 2023

Das Oberlandesgericht Celle änderte ein Urteil des Landgerichts Hannover teilweise ab. Das Landgericht hatte ursprünglich befunden, dass eine Notreparatur des beschädigten Fahrzeugs möglich und wirtschaftlich sinnvoll gewesen wäre. Diese Einschätzung wurde jedoch durch die Meinung eines Sachverständigen infrage gestellt. Der Sachverständige argumentierte, dass eine Notreparatur einen erheblichen Aufwand darstellen und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt sei. Dieser Auffassung folgte das Oberlandesgericht Celle, indem es anerkannte, dass die Geschädigte als Laie nicht in der Lage gewesen wäre, die Möglichkeit und Wirtschaftlichkeit einer Notreparatur zu beurteilen​​.

Schadensminderungspflicht und Beweislast

Das Urteil unterstreicht die Schadensminderungspflicht gemäß § 249 Abs. 2 BGB. Demnach sind Geschädigte verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, um den Schaden so gering wie möglich zu halten. Die Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als notwendig erachten würde, sind zu ersetzen. In diesem Zusammenhang konnte der Beklagte nicht beweisen, dass die Klägerin ihre Schadensminderungspflicht verletzt hatte. Diese Erkenntnis stärkt die Position der Geschädigten, indem sie betont, dass die Beweislast in Bezug auf einen möglichen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht beim Schädiger liegt​

Hauptpunkte des Urteils

Das Gericht legte drei wesentliche Aspekte fest:

  1. Angemessenheit der Mietwagenkosten: Mietwagenkosten gelten nur dann als unverhältnismäßig, wenn sie in einem übermäßigen Verhältnis zum Wert des Fahrzeugs oder den Reparaturkosten stehen.
  2. Keine Verpflichtung zum günstigsten Weg: Geschädigte sind nicht dazu verpflichtet, stets die kostengünstigste Alternative (wie den Kauf eines Gebrauchtwagens oder eine Notreparatur) zu wählen.
  3. Verjährungshemmung: Eine detaillierte Schadensaufstellung ist nicht erforderlich, um die Verjährungshemmung nach § 115 Abs. 2 Satz 3 VVG in Anspruch nehmen zu können.

Schlüsselbegriffe für das Verständnis

  • Mietwagenkosten: Diese bezeichnen die Kosten, die durch die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Unfall entstehen.
  • Unverhältnismäßigkeit: Eine Ausgabe wird als unverhältnismäßig betrachtet, wenn sie in einem ungünstigen Verhältnis zum Nutzen oder zur erzielten Wirkung steht.
  • Verjährungshemmung: Eine rechtliche Regelung, die den Lauf einer Verjährungsfrist unterbricht.

Bedeutung des Urteils

Das Urteil des OLG Celle betont das Recht der Geschädigten, sich auf die Einschätzungen von Sachverständigen zu verlassen. Im konkreten Fall hatte die Klägerin Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten, da sie der Empfehlung ihres Sachverständigen folgte. Der Beklagte konnte nicht nachweisen, dass die Kosten unverhältnismäßig waren.

Fazit

Das Urteil des OLG Celle zeigt deutlich, dass die Beurteilung der Angemessenheit von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall nicht nur eine Frage der absoluten Zahlen ist, sondern auch eine Frage der Umstände des Einzelfalls und der Expertenmeinung. Die Entscheidung stellt klar, dass Geschädigte nicht automatisch zur günstigsten Option verpflichtet sind, sondern dass eine individuelle Beurteilung des jeweiligen Falles erforderlich ist.

Jetzt teilen:

Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

ÜBER DIESEN AUTOR ARTIKEL VON DIESEM AUTOR

Das könnte Sie auch interessieren

Holen Sie sich Unterstützung

SIE HABEN NOCH FRAGEN?

Online Termin vereinbaren

Buchen Sie direkt online Ihren Termin für eine kostenlose Erstberatung. Der für Sie zuständige Rechtsanwalt wird Sie dann zu dem von Ihnen ausgewählten Termin anrufen.

Antworten per WhatsApp

LEGAL SMART beantwortet rechtliche Fragen auch per WhatsApp. Schreiben Sie uns einfach an und stellen Sie Ihre Frage. Antworten gibt es anschließend direkt auf Ihr Handy.

LEGAL SMART Anwaltshotline

Viele Fragen lassen sich mit einem Profi in einem kurzen Gespräch rechtssicher klären. Mit der LEGAL SMART Anwaltshotline steht Ihnen unser Anwaltsteam für Ihre Fragen zur Verfügung. Bundesweite Beratung über die kostenlose Anwaltshotline unter 030 - 62 93 77 980.

LEGAL SMART RECHTSPRODUKTE

ANWALTLICHE LEISTUNG ZUM FESTPREIS

LEGAL SMART Rechtsprodukt Anwaltliche Erstberatung
149,00 €

Anwaltliche Erstberatung

Lassen Sie sich umfassend und invidiuell beraten zu Ihrer rechtlichen Frage. Fast 85% aller rechtlichen Probleme lassen sich bereits mit der anwaltlichen Erstberatung klären.

LEGAL SMART Rechtsprodukt Markenanmeldung DE+
499,00 €

Markenanmeldung DE+

Mit einer alle Bereiche berücksichtigenden Prüfung erhalten Sie den besten Schutz für Ihre Marke und können Ihre eigene Marke in jeder Hinsicht einsetzen

LEGAL SMART Rechtsprodukt Vorsorgevollmacht
99,00 €

Vorsorgevollmacht

Bestimmen Sie selbst, wer Sie vertreten soll, wenn Sie Ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie hierzu alles selbst bestimmen.

MEHR PRODUKTE Anwaltliche Leistung zum Festpreis

LEGAL SMART Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

LEGAL SMART ist die Legal Tech Kanzlei für wirtschaftsrechtliche Themen. Durch konsequente Prozessoptimierung interner und externer Prozesse bieten wir neue Lösungen für verschiedene Fragestellungen. So ist das Recht für jeden zugänglich; schnell, digital und trotzdem mit der Expertise und Kompetenz einer erfahrenen Wirtschaftsrechtskanzlei. Denn Legal Tech ist mehr als nur der Einsatz von Technologie. Legal Tech ist die Bereitstellung juristischer Kompetenz.