Glücksspielverluste zurückholen
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Wer nach dem 1. November 2002 ein Immobiliendarlehen aufgenommen hat, der hat mit hoher Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit, den Darlehensvertrag zu widerrufen und hierdurch mehrere tausend oder sogar zehntausende Euro von der Bank zurück zu verlangen, wenn die von der Bank verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft war. Man spricht hier dann auch gerne von dem sog. „Widerrufsjoker“. Die Hamburger Verbraucherzentrale (VZHH) hat bisher insgesamt über 3.300 Immobilienkredite untersucht und herausgefunden, dass über 80 Prozent aller Widerrufsbelehrungen fehlerhaft waren.
Die Möglichkeit des Widerrufs von Kreditverträgen ist auch weiterhin ein Thema. Einerseits haben Verbraucher teilweise erst jetzt davon erfahren, dass grundsätzlich die Möglichkeit zum Widerruf bestehen könnte. Andererseits werden bereits durch Verbraucher geltend gemachte Ansprüche von Banken teilweise mit unterschiedlichen Begründungen zurückgewiesen.
Gleichzeitig ist dieses Thema für Verbraucher aufgrund der historisch niedrigen Zinsen weiterhin von besonderem Interesse. Denn durch eine Veränderung des Zinssatzes lassen sich z.B. für einen Immobiliendarlehen mehrere zehntausend Euro sparen. Wer beispielsweise einen Kreditvertrag über EUR 200.000,00 mit einem Zinssatz von 4,5 Prozent Zinsen und einer Laufzeit von 10 Jahren abgeschlossen hat, der würde im Falle eines Widerrufs nebst Umschuldung auf einen Kreditvertrag mit einem Zinssatz in Höhe von 2 Prozent Zinsen mehr als EUR 22.000,00 oder einige hundert Euro monatlich innerhalb von 10 Jahren sparen.
Damit ein Darlehensvertrag auch möglicherweise nach Jahren noch widerrufen werden kann ist grundsätzliche Voraussetzung, dass die Bank eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung verwendet hat. Durch die fehlerhafte und/oder unvollständige Widerrufsbelehrung wird die gesetzliche 14-tägige Widerrufsfrist nämlich nicht in Gang gesetzt.
Gemäß § 355 Absatz 2 BGB beginnt die Widerrufsfrist mit dem Erhalt einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung in Textform. Eine Widerrufsbelehrung muss danach eine deutliche Belehrung über die wesentlichen Rechte und Pflichten enthalten. Sie muss sich vom übrigen Vertragstext hervorheben und deutlich gestaltet sein.
Die Widerrufsbelehrung muss insbesondere darüber informieren, dass die entsprechende Willenserklärung zum Abschluss des Vertrages innerhalb einer Widerrufsfrist von 14 Tagen (§ 355 BGB n.F.) bzw. 2 Wochen (§ 355 BGB a.F.) widerrufen werden kann. Der Verbraucher ist ausdrücklich darüber zu informieren, dass der Widerruf an keine zusätzlichen Voraussetzungen gebunden ist, also ohne Angabe von Gründen erfolgen kann, jedoch in Textform erklärt werden muss. Ferner muss der Verbraucher ausdrücklich darüber belehrt werden, dass schon die rechtzeitige Absendung des Widerrufs die vorgegebene Frist wahrt. Von besonderer Bedeutung ist deshalb die erforderliche Belehrung über den Beginn der Frist. Erforderlich ist in dieser Hinsicht eine eindeutige Benennung des maßgeblichen Ereignisses, das die Frist in Gang setzt und vom Verbraucher auch eigenständig ermittelt werden kann. Der Lauf der Frist hängt bei einem schriftlich abzuschließenden Verbraucherdarlehensvertrag außerdem davon ab, dass dem Verbraucher über die Widerrufsbelehrung hinaus auch eine Vertragsurkunde oder sein eigener schriftlicher Antrag im Original bzw. in Abschrift zur Verfügung gestellt wird. Der Widerrufsbelehrung muss also eindeutig zu entnehmen sein, dass der Lauf der Widerrufsfrist immer voraussetzt, dass der Verbraucher im Besitz einer seine eigene Vertragserklärung enthaltenden Urkunde ist.
Ergänzungen, die keinen eigenen Inhalt aufweisen und den Inhalt der Widerrufsbelehrung verdeutlichen, sind zwar grundsätzlich zulässig. Eine Widerrufsbelehrung darf aber keine Zusätze enthalten, die für den Verbraucher verwirrend sind, ihn ablenken oder von ihm sogar missverstanden werden können.
Die Möglichkeit von Fehlern in Widerrufsbelehrungen sind umfänglich und bedürfen in der Regel einer Betrachtung im Einzelfall. Gleichwohl hat sich in den vergangenen Monaten herausgestellt, dass verschiedene Fehler regelmäßig vorkommen, die wir gerne nachfolgend in einer nicht abschließenden Aufzählung darstellen möchten.
Darüber hinaus gibt es weitere Fehler, die auch teilweise noch nicht durch Gerichte beurteilt wurden, so dass diesbezüglich weitere Entscheidungen abzuwarten sind.
Für die Beurteilung eines Fehlers in der Widerrufsbelehrung ist das Verständnis der Belehrung aus der Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Kunden entscheidend. Oftmals liegt die Fehlerhaftigkeit darin begründet, dass die Banken ihre Belehrungen mit verwirrenden, ablenkenden oder überflüssigen zusätzlichen Hinweisen versehen haben. Dabei wird den Verbrauchern auch immer wieder anheimgestellt, selbst eine Subsumtion der Tatbestände vorzunehmen – etwa, ob es sich bei dem Vertrag um ein verbundenes Geschäft oder ein Fernabsatzgeschäft handelt, ob eine 14-tägige oder eine einmonatige Widerrufsfrist gilt oder sogar, ob sie tatsächlich auch Verbraucher sind.
Andererseits lassen die Banken auch gerne entscheidende Hinweise aus. Die Widerrufsbelehrung soll aber den Verbraucher in die Lage versetzen, sein Widerrufsrecht auch sachgerecht und informiert auszuüben. Insofern dürften auch Belehrungen unzureichend sein, die die Verbraucher nicht vollständig über die Rechtsfolgen eines Widerrufs aufklären. Insbesondere dürften Belehrungen unwirksam sein, die lediglich über die Pflichten des Verbrauchers im Falle eines Widerrufs informieren, nicht aber auch über dessen weitergehende Rechte. Ebenso sind Belehrungen unzureichend, die nicht darauf hinweisen, dass eine Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens innerhalb von 30 Tagen nach Absendung der Widerrufserklärung besteht.
Viele Banken haben nach der Einführung für Immobilienkredite nicht das von dem Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Muster verwendet, sondern ihre Widerrufsbelehrungen selbst formuliert oder die Musterwiderrufsbelehrung des Gesetzgebers ergänzt. Hierbei sind den Banken unterschiedliche Fehler unterlaufen, die nun dazu führen, dass durch die Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist nicht angefangen hat zu laufen und man diese immer noch widerrufen kann.
Das sehen Banken oftmals anders. Viele Banken haben sich gegenüber Verbrauchern auf die sog. gesetzliche Schutzfiktion der Musterwiderrufsbelehrung berufen und gegenüber Verbrauchern behauptet, dass sie aufgrund dieser Schutzwirkung geschützt seien und die Widerrufsfrist auch bei einer fehlerhaften Belehrung in Gang gesetzt wurde und zwischenzeitlich abgelaufen sei.
Der Bundesgerichtshof hat diesen Banken in seiner Entscheidung vom 18. März 2014 eine Absage erteilt. Der Bundesgerichtshof führte hierzu aus:
„Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF grundsätzlich nur ein, wenn der Verwender ein Formular verwendet, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 – XI ZR 156/08, ZIP 2009, 1512 Rn. 15; Urteil vom 9. Dezember 2009 – VIII ZR 219/08, ZIP 2010, 734 Rn. 20; Urteil vom 1. Dezember 2010 – VIII ZR 82/10, ZIP 2011, 178 Rn. 15 f.; Urteil vom 2. Februar 2011 – VIII ZR 103/10, ZIP 2011, 572 Rn. 21; Urteil vom 1. März 2012 – III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 17).
(…)
Unterzieht der Verwender, wie hier die Beklagte, den Text der Musterbelehrung aber einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung, so kann er sich schon deshalb nicht auf eine mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung berufen (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 – XI ZR 349/10, ZIP 2011, 1858 Rn. 39; Urteil vom 1. März 2012 – III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 17). Das gilt unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen inhaltlichen Änderungen, da sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 – XI ZR 349/10, ZIP 2011, 1858 Rn. 39; Urteil vom 1. März 2012 – III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 17).“
Wenn die Bank also nicht das gesetzliche Muster verwendet hat oder das gesetzliche Muster mit eigenen Formulierungen verändert hat, dann kann sich die Bank nicht mehr auf die gesetzliche Schutzwirkung der Musterwiderrufsbelehrung berufen.
Der Bundesgerichtshof hat mit dieser Entscheidung auch klargestellt, dass bereits kleinste Abweichungen von der Musterwiderrufsbelehrung dazu führen, dass sich die Banken nicht mehr darauf berufen können, lediglich das Muster des Gesetzgebers genutzt zu haben. Die Banken können sich dann nicht mehr auf § 14 BGB-InfoV berufen.
Ob Banken das gesetzliche Muster der Widerrufsbelehrung verwendet haben lässt sich schnell und ohne juristische Kenntnisse durch einen einfachen Vergleich des Wortlauts zwischen der Musterwiderrufsbelehrung und der von der Bank verwendeten Widerrufsbelehrung herausfinden. Die gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrungen finden Sie über die nachfolgenden Adressen:
Muster für die Widerrufsbelehrung, gültig vom 1. September 2002 bis 7. Dezember 2004
Muster für die Widerrufsbelehrung, gültig vom 8. Dezember 2004 bis 31. März 2008
Muster für die Widerrufsbelehrung, gültig vom 1. April 2008 bis 3. August 2009
Muster für die Widerrufsbelehrung, gültig vom 4. August 2009 bis 10. Juni 2010
Muster für die Widerrufsbelehrung, gültig vom 11. Juni 2010 bis 22. Februar 2011
Muster für die Widerrufsbelehrung, gültig vom 23. Februar 2011 bis 3. August 2011
Oftmals haben Banken die Formulierung „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ verwendet. Der Bundesgerichtshof hatte diesbezüglich bereits mit Urteil vom 1. Dezember 2010 entschieden, dass in dieser Formulierung ein Fehler der Widerrufsbelehrung liegen würde.
Der Verbraucher könne der Verwendung des Wortes „frühestens“ zwar entnehmen, dass der Beginn der Widerrufsfrist noch von weiteren Voraussetzungen abhängt, er wird aber im Unklaren darüber gelassen, um welche Voraussetzungen es sich dabei handelt. Das Wort „frühestens“ erzeuge nach der Ansicht des Bundesgerichtshofes Unklarheit und suggeriert dem Darlehensnehmer fälschlicherweise, die Frist könne eventuell auch später beginnen (BGH, Urteil vom 01.12.2010, Az. VIII ZR 82/10 – Online-Kaufvertrag über einen Computer; BGH, Urteil vom 01.03.2012, Az. III ZR 83/11 – fondgebundene Lebens- und Rentenversicherung; BGH, Urteil vom 19.07.2012, Az. III ZR 252/11 – fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherung).
Enthält die Widerrufsbelehrung keine oder eine fehlerhafte Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs, ist die Belehrung nicht korrekt (LG Köln, Urteil vom 17.09.2013, Az. 21 O 475/12 – Kombination von Darlehens- und Lebensversicherungsvertrag).
Hat die Bank ein veraltetes Muster im Rahmen der Widerrufsbelehrung verwendet und/oder auf veraltete Rechtsvorschriften verwiesen und nicht das im Zeitpunkt des Vertragsschlusses jeweils aktuelle gesetzliche Muster der Widerrufsbelehrung verwendet, so ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft.
Soweit Banken die Musterwiderrufsbelehrung mit eigenen Formulierungen ergänzt hat, so dürfen diese für den Kreditnehmer nicht verwirrend und/oder unverständlich sein. Ist eine Widerrufsbelehrung aufgrund der ergänzenden Formulierungen verwirrend und/oder unverständlich, so ist die Widerrufsbelehrung deshalb unwirksam (BGH Urteil vom 10.03.2009, AZ: XI ZR 33/08).
Die gesetzliche Musterwiderrufsbelehrung enthält verschiedene Gestaltungshinweise, die von der jeweils verwendenden Bank beachtet werden müssen. Soweit das Kreditinstitut alle Gestaltungshinweise in der Widerrufsbelehrung aufgeführt hat, obwohl diese teilweise für den Kreditvertrag nicht relevant waren, so ist die Belehrung fehlerhaft (LG Köln, Urteil vom 17.09.2013, AZ: 21 O 475/12).
Insbesondere die Sparkassen hatten das sog. Checkbox-Verfahren verwendet, in welchem die Widerrufsbelehrung aus einer Vielzahl an Textbausteinen bestand und von der Sparkasse bei Kreditabschluss einige davon angekreuzt wurden. Das Oberlandesgericht München hat dieser Art der Verwendung eine Absage erteilt und die Widerrufsbelehrung in diesem Fall für unwirksam erklärt. Dabei bemängelte das Gericht gleich mehrere Fehler in diesen Verträgen. Zum einen fehle die drucktechnische Hervorhebung der Widerrufsbelehrung. Zwar gebe es einen schwarzen Rahmen, dieser umfasse allerdings nicht wie vorgeschrieben nur die Widerrufsbelehrung, sondern auch weitere Textbestandteile. Zum anderen sei der Fristbeginn des Widerrufszeitraums nicht klar definiert, was dazu führe, dass ein späterer Widerruf möglich sei.
Auch biete das Ankreuzsystem nicht die nötige Deutlichkeit und Klarheit. Denn in dem Text der Widerrufsbelehrung befinden sich auch weitere Formulierungen, die auf den jeweiligen Fall gar nicht zutreffen. Insofern sei der Kunde gezwungen, die für ihn relevanten Textstellen erst zu suchen.
Oftmals wird von Banken mit dem Verbraucher neben dem eigentlichen Kreditvertrag auch eine sog. Restschuldversicherung abgeschlossen. Ist dies der Fall liegt ein sog. verbundenes Geschäft vor. Soweit die Widerrufsbelehrung keinen Hinweis auf die Rechtsfolgen bei verbundenen Geschäften enthält, so ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft (LG Wuppertal, Urteil vom 08.05.2012, AZ: 5 O 377/11).
Gerichte beanstanden außerdem, dass entgegen den gesetzlichen Anforderungen in den Widerrufsbelehrungen keine ladungsfähigen Anschriften des Unternehmens aufgeführt worden sind, sondern nur Postfachadressen oder dass Telefonnummern genannt worden sind, obgleich ein Telefonanruf für einen wirksamen Widerruf (in Textform) gerade nicht ausreicht
Banken verlangen für die vorzeitige Ablösung von Immobilienkrediten regelmäßig sog. Vorfälligkeitsentschädigungen. Liegt eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung vor, so kann die Bank auch die Vorfälligkeitsentschädigung nach einem erklärten Widerruf nicht von dem Verbraucher verlangen.
Dasselbe gilt für den Fall, wenn der Widerruf nach Ablösung des Darlehensvertrages erklärt wird. Wenn Verbraucher nämlich aus diesem Grunde eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt haben, dann besteht die gute Wahrscheinlichkeit, dass sie diese von der Bank zurückverlangen können.
Und die an Banken zu entrichtenden Vorfälligkeitsentschädigungen sind oftmals sehr hoch. Nach einer überschlägigen Betrachtung der Verbraucherzentrale Hamburg müssen Hausbesitzer und Kreditnehmer, die in der Regel infolge eines Verkaufs ihrer Immobilie den Kredit kündigen, mit einem prozentualen Aufschlag von etwa 20 Prozent auf die verbleibende Restschuld des Darlehens rechnen.
Nach § 490 Abs. 2 S. 3 BGB hat der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber denjenigen Schaden, der aus der vorzeitigen Kündigung entsteht, zu ersetzen. Die Rechtsprechung versteht die Regelung so, dass der Bank die Abweichung von der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung nur zumutbar sein soll, wenn es als eine vorzeitige Erbringung der geschuldeten Leistung des Kreditnehmers betrachtet wird. Es ist bereits zweifelhaft, dass der Bank ein solcher Schaden tatsächlich entsteht. Denn sie kann mit dem zurückgeführten Darlehen sofort einen neuen Kredit zur Verfügung stellen. Zudem sind die von den Banken vorgenommenen Berechnungen außerordentlich intransparent, kein Verbraucher ist in der Lage, die verlangte Entschädigung rechnerisch zu überprüfen.
Hintergrund ist nach einer Einschätzung der Verbraucherzentrale Hamburg unter anderem, dass die Banken unterschiedliche Berechnungsarten anwenden dürfen. So ist zur Schadensermittlung nicht nur ein Vergleich von Kredit zu Kredit (Aktiv/Aktiv-Methode) möglich, sondern auch ein Abgleich von Kredit zur Neuanlage in Wertpapieren wie Pfandbriefen (Aktiv/Passiv-Methode). Da Pfandbriefe aber niedriger verzinst werden als Kredite, wird der Schaden, den der Kunde zu ersetzen hat, künstlich in die Höhe geschraubt. Nahezu alle deutschen Banken verwenden diese Art der abstrakten Schadensberechnung, die zu den überdurchschnittlich hohen Vorfälligkeitsentschädigungen führt. Der Gesetzgeber hat gleichwohl bisher keine Veranlassung gesehen, die Vorfälligkeitsentschädigung bei Immobiliardarlehen auf einen Höchstbetrag zu deckeln, obgleich dies bei einfachen Ratenkrediten mittlerweile durch Einführung des § 502 BGB geregelt ist. Hier dürfen die Vorfälligkeitsentgelte höchstens 1 Prozent bzw. 0,5 Prozent des verbleibenden Restbetrages ausmachen. Auch der Markt hat in dieser Hinsicht noch zu keinerlei Beschränkungen geführt.
In den vergangenen Monaten hatten Banken gegenüber Verbrauchern regelmäßig argumentiert, dass der ausgeübte Widerruf trotz fehlerhafter Belehrung verspätet sei, da das Recht zur Ausübung des Widerrufs zwischenzeitlich verwirkt sei.
Diese Frage sollte zuletzt mit Datum 23. Juni 2015 durch den Bundesgerichtshof (AZ: XI ZR 154/14) geklärt werden, nachdem zuvor sowohl das Landgericht Hamburg (Az. 328 O 441/12), als auch das Oberlandesgericht Hamburg (AZ 13 U 71/13) die Klage abgewiesen hatten. Zwar hatte das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg fehlerhafte Widerrufsbelehrungen in den Darlehensverträgen erkannt, das Widerrufsrecht allerdings als verwirkt angesehen.
Ob eine Verwirkung vorliegen kann oder nicht wird in der Rechtsprechung bisher sehr unterschiedlich gesehen. Es gibt Gerichte, die für den Verbraucher entschieden haben (OLG Brandenburg, Urteil vom 17.10.2012, Az. 4 U 194/11; LG Karlsruhe, Urteil vom 11.04.2014, Az. 4 O 395/13; OLG Hamm, Urteil vom 17. März 2015, Az. 31 U 40/15, OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. April 2015, Az. 17 U 55/14, LG Siegen, Urteil vom 24. Juli 2015, Az. 2 O 350/14). Andere vertreten zumindest im Falle von nachträglich widerrufenen Kreditverträgen die Auffassung, dass nach Vertragsauflösung nach einer gewissen Zeit auch kein Recht mehr auf nachträglichen Widerruf besteht. Das Recht sei zumindest nach Ablauf von drei Jahren verwirkt, so einige Gerichte (LG Aachen, Urteil vom 22.01.2015, Az. 1 O 225/14; LG Bielefeld, Urteil vom 21.07.2014, Az. 6 O 459/13).
Gleichwohl kam es in diesem Fall zu keiner Entscheidung durch den Bundesgerichtshof, da die Kläger die Revision kurz vor der Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof zurückgezogen. Gleichwohl darf man davon ausgehen, dass die Rücknahme der Revision ausschließlich zur Vermeidung eines verbraucherfreundlichen Grundsatzurteils erfolgte. Denn der Prozessverlauf scheint deutlich zu machen, dass die Banken eine diesbezügliche Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes befürchteten, da vieles für ein solches Urteil sprach und der Bundesgerichtshof einer vorschnellen Annahme einer Verwirkung eine Absage erteilt hätte.
Entgegen der regelmäßigen Argumentation der Banken reicht für eine Verwirkung der bloße Zeitablauf nicht grundsätzlich aus und bedarf auch regelmäßig der Betrachtung im Einzelfall.
Grundsätzlich ist ein Recht dann verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum hinweg untätig geblieben ist und dadurch bei seiner Gegenpartei den Eindruck erweckt hat, sie brauche mit der Geltendmachung des Rechts und der Durchsetzung des Anspruchs nicht mehr zu rechnen, die Gegenseite sich deshalb darauf eingerichtet hat und ihr die verspätete Inanspruchnahme nicht zugemutet werden kann.
Hinzukommen muss ein sog. Umstandsmoment hinzutreten, nämlich besondere Umstände, welche eine verspätete Inanspruchnahme der Bank als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen würde.
Dies ist jedoch allein durch Zeitablauf nach wenigen Jahren nicht der Fall. Ggf. könnten die Banken jedoch argumentieren, dass diese zusätzlichen besonderen Umstände nach dem Ablauf von sieben Jahren eintreten würden. Denn Banken dürfen gemäß §257 Abs.4,5 HGB Schriftstücke aus der Kundenkommunikation nach dem Ablauf von sieben Jahren vernichten.
Ob der Bundesgerichtshof diesem Argument folgen wird bleibt abzuwarten. Diesem Argument kann man z.B. mit dem Argument entgegentreten, dass von der vorgenannten Regelung ausschließlich die Schriftstücke der Kundenkommunikation erfasst sind, nicht jedoch die Vertragsunterlagen und die Widerrufsbelehrung ein Teil der Vertragsunterlagen ist.
Wenn die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war, dann können Verbraucher den Kreditvertrag jederzeit widerrufen, da die Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht angefangen hat zu laufen. Ein Widerruf wandelt den Darlehensvertrag gemäß §§ 357 Abs.1 S.1, 346, 348 BGB in ein sog. Rückgewährschuldverhältnis (BGHZ 180, 123 ff. = WM 2009, 932 ff. = juris Rn 19; OLG Koblenz, NJW 2006, 919 ff. = juris Rn 27 f. m.w.N.; Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Auflage, § 357 BGB Rn 2; Nobbe/Maihold, Kommentar zum Kreditrecht, 2. Auflage, § 357 BGB Rn 1).
Gemäß den §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 1 Halbsatz 2 Alt. 1 BGB hat der Verbraucher somit zunächst die an ihn ausbezahlte Darlehensvaluta zu erstatten (BGH WM 2008, 683 f. = juris Rn 14; Nobbe/Maihold, a.a.O., § 357 BGB Rn 4-6, jeweils m.w.N.). Die Bank ist auf der gleichen Rechtsgrundlage ihrerseits zur Rückerstattung aller von dem Verbraucher bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen verpflichtet (BGHZ 180, 123 ff. = WM 2009, 932 ff. = juris Rn 20, Nobbe/Maihold, a.a.O., § 357 BGB Rn 4, jeweils m.w.N.).
Außerdem schuldet der Verbraucher der Bank nach Maßgabe von § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB i.V.m. den §§ 346 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BGB die Verzinsung des ihm überlassenen Darlehenskapitals zu dem nach den Bedingungen des Darlehensvertrages vereinbarten Sollzinssatz (Nobbe/Maihold, a.a.O., § 357 BGB Rn 13), wobei dem Beklagten allerdings gemäß § 346 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB der Nachweis offensteht, dass der marktübliche Zinssatz für ein vergleichbares Darlehen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geringer gewesen ist (MüKoBGB/Masuch, a.a.O., § 357 BGB Rn 33). Im Gegenzug zu der dargelegten Wertersatzpflicht des Verbraucher ist gemäß den §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB auch die Bank verpflichtet, dem Verbraucher als Wertersatz für die gezogene Kapitalnutzung aus den ihr zugeflossenen Zins- und Tilgungsleistungen Zinsen zu zahlen (BGHZ 152, 331 = WM 2002, 2501 ff. = juris Rn 22; BGHZ 180, 123 f. = WM 2009, 932 ff. = juris Rn 29; Nobbe/Maihold, a.a.O., § 357 BGB Rn 18, jeweils m.w.N.). Bei Zahlungen an eine Bank besteht nämlich nach der Rechtsprechung des Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 17.01.2013, AZ: I-6 U 64/12) eine tatsächliche Vermutung, dass diese Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss (BGHZ 180, 123 f. = WM 2009, 932 ff. = juris Rn 29 m.w.N.; Nobbe/Maihold, a.a.O., § 357 BGB Rn 18, jeweils m.w.N.).
Eine derartige Verzinsung steht beiden Parteien des Rückabwicklungsschuldverhältnisses allerdings nur für diejenigen Zeiträume zu, in denen der jeweils zu verzinsende Anspruch auf Rückerstattung der Darlehensvaluta durch den Darlehensnehmer bzw. auf die Erstattung der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen durch den Darlehensgeber auch tatsächlich bestanden hat.
Verbrauchern ist dringend zu raten die Widerrufsbelehrungen ihrer Kreditverträge zu prüfen oder anwaltlich prüfen zu lassen.
In einem ersten Schritt kann die Widerrufsbelehrung mit den amtlichen Mustern verglichen werden. Liegt hier eine Abweichung vor, dann ist die Wahrscheinlichkeit für einen Fehler in der Widerrufsbelehrung hoch.
Gerne bietet WK LEGAL interessierten Kreditnehmern an die Widerrufsbelehrung ihres Kreditvertrages unverbindlich und kostenlos zu prüfen und eine Einschätzung zu den Erfolgsaussichten eines Widerrufs zu geben. Bitte verwenden Sie hierfür das nachfolgende Formular.
[contact-form-7 id=“5834″ title=“Widerrufsjoker“]
Sollte eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung von Ihrer Bank verwendet worden sein können Sie den Darlehensvertrag auch jetzt noch widerrufen. Allerdings weisen wir nochmals darauf hin, dass Sie im Falle des Widerrufs verpflichtet sind die Darlehenssumme innerhalb von 30 Tagen an die Bank zurückzuzahlen. Aus diesem Grunde empfehlen wir ggf. zuerst eine Umschuldung des Immobilienkredites abzuschließen, damit innerhalb der gesetzlichen Frist die Verpflichtung zur Rückzahlung des Kredites erbracht werden kann.
Sie müssen gegenüber der Bank in Textform den Widerruf des Darlehensvertrages erklären. Hierbei sollten Sie den widerrufenen Darlehensvertrag genau bezeichnen, falls Sie mehrere Darlehensverträge bei dieser Bank haben. Gleichzeitig ist zu empfehlen, dass die fehlerhaften Stellen der Widerrufsbelehrung gegenüber der Bank benannt werden.
Sollte Ihre Bank den Widerruf des Darlehensvertrages nicht akzeptieren sollten Sie in jedem Fall anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, um Ihre Ansprüche dann außergerichtlich gegenüber der Bank nochmals mit einer ausführlichen rechtlichen Stellungnahme geltend zu machen und diese ggf. gerichtlich durchzusetzen, falls die Bank dann immer noch nicht ihrer Verpflichtung aus dem widerrufenen Darlehensvertrag nachkommt.
Aufgrund vieler Nachfragen weisen wir darauf hin, dass viele Rechtsschutzversicherungen die Kosten für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts übernehmen. Gleichwohl kommt es hierbei auf den tatsächlich mit der Rechtsschutzversicherung abgeschlossenen Vertrag an, so dass nur aufgrund einer Nachfrage bei der jeweiligen Rechtsschutzversicherung geklärt werden kann, ob im Einzelfall die anfallenden Rechtsanwaltsgebühren übernommen werden. Zu beachten sind ferner die im Versicherungsvertrag enthaltenen Ausschlussklauseln. Neuere Versicherungsverträge schließen Angelegenheiten im Zusammenhang mit Neubauten und fremdvermieteten Immobilien aus. Liegt ein älterer Vertrag vor, könnte dieser Ausschluss noch nicht im Versicherungsvertrag enthalten sein.
Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass es für die Bewertung, ob ein Rechtschutzfall vorliegt, nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses des Darlehensvertrages, sondern auf den Zeitpunkt der Widerrufserklärung ankommt.
Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).
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