Widerrufsfrist bei Verwendung der unberichtigten Musterwiderrufsbelehrung

Guido Kluck, LL.M. | 15. Juli 2009

Das OLG Frankfurt a.M. hat mit Beschluss vom 22.06.2009 (9 U 111/08) entschieden:

Die – unberichtigte – Musterwiderrufsbelehrung nach dem Muster zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV vermag die Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 BGB nur dann nicht in Gang zu setzen, wenn sich der Mangel der Musterwiderrufsbelehrung im konkreten Fall ausgewirkt hat.

G r ü n d e

I.

Die Kläger haben in erster Linie die Feststellung verlangt, dass ein mit der Beklagten geschlossener Darlehensvertrag rechtzeitig widerrufen wurde. Hilfsweise haben sie in der Berufung die Rückzahlung der von ihnen bisher auf das Darlehen erbrachten Leistungen geltend gemacht, und zwar Zug um Zug gegen Rückzahlung der Darlehensvaluta.

Mit Urteil vom 29.10.2008 (Bl. 69 ff. d.A.), auf das wegen des Sachverhalts im Einzelnen sowie wegen der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Kläger.

Die Kläger wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag:

Die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung sei mangelhaft. Dass sie dem Muster aus der BGB-InfoV entspreche, ändere nichts daran, dass durch sie die Widerrufsfrist des § 355 II 1 BGB nicht in Gang gesetzt werden konnte. Schließlich habe die Kritik an der Musterbelehrung auch dazu geführt, dass die BGB-InfoV im März 2008 geändert worden sei (wird ausgeführt). Zudem habe sich das Landgericht nicht mit dem Argument auseinander gesetzt, dass die Beklagte durch die parallele Verwendung der Begriffe "Fremdmitteleinbringungsnachweis" und "Fremdmittelnachweis" jeweils mit gleich bezifferter Höhe von 18.000,- € unlauter gehandelt habe. Eine Aufklärung sei unterblieben. Der Widerruf müsse aus diesem Grunde auch noch nachträglich als Anfechtung ausgelegt werden (wird ausgeführt).

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht haben die Parteien einen Vergleich geschlossen und die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits haben sie dem Gericht vorbehalten.

II.

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit im Rahmen des von ihnen geschlossenen Vergleichs in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war über die Kosten gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dies führt zur Auferlegung der Kosten auf die Kläger, da sie ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses in der Berufung voraussichtlich unterlegen wären.

Die Berufung der Kläger wäre erfolglos gewesen, denn das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Allerdings war die erhobene Feststellungsklage bereits unzulässig, was das Landgericht nicht hätte dahinstehen lassen dürfen. Die Kläger hätten nämlich – wie der in der Berufung gestellte Hilfsantrag zeigt – wegen desselben Streitgegenstandes eine Leistungsklage erheben können, gegenüber der die Feststellungsklage subsidiär ist.

Auch die hilfsweise erhobene Leistungsklage hätte der Berufung aber nicht zum Erfolg verhelfen können, da sie unbegründet ist. So ist der streitbefangene Darlehensvertrag nicht durch den Widerruf der Kläger unwirksam geworden. Insoweit geht es um die umstrittene Frage, ob die von der Beklagten verwendete Musterwiderrufsbelehrung trotz etwaiger Mängel im Hinblick auf den Beginn der Widerrufsfrist ("beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung") wirksam ist.

Nach Ansicht des Senats ist dies zu bejahen. Eine auf Basis der – alten, inzwischen geänderten – Musterwiderrufsbelehrung erteilte Belehrung ist grundsätzlich wirksam und setzt die Widerrufsfrist in Gang. Anders kann dies nur dann sein, wenn sich der Mangel im Einzelfall konkret zum Nachteil des Verbrauchers auswirkt (Palandt-Sprau BGB, 68. Auflage, BGB-InfoV 14 Rn 5 – mit weiteren Nachweisen). Hier bedeutet dies, dass es aufgrund des unsicheren Endes der Widerrufsfrist konkret zu einer Fristversäumung gekommen sein muss.

Dazu liegen keine Anhaltspunkte vor:

Der Vertrag stammt vom 6.7.2007, die Belehrung wurde am selben Tag übergeben. Die Frist lief damit (frühestens) am 20.7.2007 ab. Selbst wenn sich die Kläger im Unklaren über das genaue Ende der Frist waren, wären sie nur dann schutzwürdig, wenn sie den Widerruf im Vertrauen auf das offene Fristende wenige Tage nach dem 20.7.2007 erklärt hätten. Dies ist jedoch nicht der Fall; die Kläger haben den Widerruf erst Monate später – am 28.11.2007 – abgegeben. Auch aus der Sicht eines vernünftig denkenden Verbrauchers war aber nicht anzunehmen, dass sich das Ende der Widerrufsfrist bis November erstreckte, nachdem sämtliche Unterlagen bereits ausgetauscht und die Darlehensvaluta bereits ausgezahlt waren.

Soweit die Kläger das Klagebegehren auch auf ein angebliches Anfechtungsrecht stützen, hätte auch dies ihrer Berufung nicht zum Erfolg verhelfen können. Der erst vor dem Senat ausgeführte Vortrag der Kläger zum angeblichen Irrtum durch Täuschung, dem sie im Hinblick auf die gleichzeitige Verwendung der Begriffe "Fremdmittelnachweis" und "Fremdmitteleinbringungsnachweis" unterlegen sein wollen, durfte in der Berufung nicht mehr berücksichtigt werden (§ 531 II ZPO). Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn dieser neue Vortrag unstreitig wäre. Die Beklagte hat indes in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass der neue Vortrag der Kläger bestritten wird.

Die Streitwertfestsetzung folgt den Überlegungen des Landgerichts im Beschluss vom 26.5.2008 (Bl. 37 d.A.). Die in der Berufung hilfsweise erhobene Leistungsklage kann schon deshalb nicht zu einer Erhöhung des Streitwertes führen, weil sie durch die übereinstimmende Erledigungserklärung nicht rechtshängig geworden ist.

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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